Die politische Dimension von Händels Judas Maccabaeus

Judas Maccabaeus: Händel, der Duke of Cumberland und die Musik der Machtudas Maccabaeus war für mich lange Zeit der Klang von Weihnachten – festliche Trompeten, triumphale Chöre, der Sound eines Sieges. Doch dann sah ich eine Dokumentation von Lucy Worsley, die mir eine neue Perspektive eröffnete. Diese Musik war mehr als ein festlicher Ohrwurm, sie war politisch aufgeladen, verknüpft mit einer der brutalsten Episoden in der Geschichte Schottlands.

Der Duke of Cumberland: Vom Helden zum „Butcher“

Das Oratorium feiert den Duke of Cumberland, den Sieger von Culloden. In Schottland nennt man ihn nur den „Butcher“. Nach der Niederlage der Jakobiten ließ er das Hochland brutal unterwerfen: Verwundete wurden erschossen, Dörfer niedergebrannt, ganze Familien ausgelöscht. Sein Ziel war nicht nur die Zerschlagung der Rebellion, sondern die Zerschlagung einer ganzen Kultur. Die gälische Sprache, die Clansysteme, die traditionelle Kleidung – all das wurde systematisch unterdrückt, um jede weitere Erhebung unmöglich zu machen. Seine Truppen folgten dem berüchtigten „No Quarter“-Befehl: keine Gefangenen, keine Gnade. Dass Händel diesen Mann musikalisch ehrte, verleiht „Judas Maccabaeus“ eine ganz andere Dimension.

Duke of Cumberland (ChatGPT)

Händel und die Machtelite des 18. Jahrhunderts

Doch warum feierte Händel überhaupt Cumberland? Die Antwort liegt in den engen Verbindungen zwischen der Musik und der Machtelite des 18. Jahrhunderts. Georg Friedrich Händel war ein deutscher Komponist, der sich in London etabliert hatte und dort nicht nur als Musiker, sondern als eine Art kultureller Diplomat wirkte. Die hannoversche Königsdynastie hatte sich gerade erst auf dem Thron gesichert, nachdem Georg I. im Jahr 1714 König wurde – trotz seiner fernen Position in der Erbfolge. Die Stuarts, die eigentlichen Thronanwärter, waren Katholiken, und das Act of Settlement von 1701 hatte ihnen den Weg versperrt. Georg von Hannover, der kaum Englisch sprach und sein Königreich vor allem aus der Perspektive eines deutschen Fürsten regierte, war eine pragmatische, wenn auch unpopuläre Wahl für das Establishment. Doch um seine Macht zu festigen, brauchte es kulturelle Symbole – und genau hier kam Händel ins Spiel.

Georg Friedrich Händel (Chat GPT)

Händel als musikalischer Architekt der Monarchie

Händel war ein Meister darin, sich in das System einzufügen und die Bedürfnisse seiner Gönner zu bedienen. Sein Talent und seine Fähigkeit, sich an politische Strömungen anzupassen, machten ihn zum führenden Komponisten seiner Zeit in England. Er komponierte für Könige, Adelige und für das Bürgertum, das ihn ebenso verehrte. Seine Werke waren nicht nur Unterhaltung, sie dienten auch der politischen Legitimation. Mit „Zadok the Priest“ schuf er eine Hymne für königliche Krönungen, die bis heute gespielt wird. „Judas Maccabaeus“ war eine weitere Huldigung an die herrschende Macht – die Musik eines Siegers für einen Sieger.

Der gnadenlose Feldherr: William Augustus, Duke of Cumberland

William Augustus, Duke of Cumberland, war genau dieser Sieger. Als jüngster Sohn von Georg II. genoss er eine hervorragende militärische Ausbildung und wurde früh auf seine Rolle als Verteidiger der Krone vorbereitet. Doch sein Ruf als brillanter Stratege wich bald dem Bild eines gnadenlosen Feldherrn. Seine Niederschlagung des Jakobitenaufstands 1746 war nicht nur eine militärische, sondern auch eine psychologische Kriegsführung. Nach Culloden folgte die „Pacification of the Highlands“, eine systematische Verfolgung der Jakobiten und aller, die sie unterstützt hatten. Seine Politik hinterließ tiefe Wunden, die bis heute in Schottland nachwirken.

Die Stuarts: Die verlorene Hoffnung der Jakobiten

Die Stuarts hingegen standen für eine ganz andere Vorstellung von Monarchie. Sie beanspruchten den Thron als direkte Nachkommen von Maria Stuart und versprachen, das Land wieder unter katholische Herrschaft zu bringen. Doch ihre Nähe zu Frankreich und der katholischen Kirche machte sie für viele im Parlament untragbar. Der gescheiterte Jakobitenaufstand von 1745 war der letzte große Versuch, die Stuart-Dynastie wieder auf den Thron zu bringen – und er endete in einem Fiasko.

Print Charles Edward Stuart (Chat GPT)

Händels musikalisches Vermächtnis – mit Schattenseiten

Für Händel war das alles Hintergrundrauschen. Ihm ging es um seine Musik und seine Mäzene. Die Krone war die beste Adresse für Förderung, und Händel verstand es meisterhaft, seine Werke an die Bedürfnisse seiner Gönner anzupassen. Seine Werke wurden zu klanglichen Monumenten der Herrschaft – feierlich, triumphal, geeignet für große Zeremonien und öffentliche Aufführungen. Werke wie „Messiah“, „Samson“ und eben „Judas Maccabaeus“ wurden nicht nur aus künstlerischer, sondern auch aus politischer Perspektive zu nationalen Symbolen. Die Musik feierte nicht nur religiöse oder historische Figuren, sondern auch den Status quo der Monarchie und die militärischen Erfolge des Königshauses.

Doch sein Erfolg hatte auch eine Kehrseite: Händel dominierte die Musikszene so stark, dass einheimische Komponisten kaum eine Chance hatten. Während in anderen Ländern eigene musikalische Traditionen florierten, wurde die Insel musikalisch von einem deutschen Meister geprägt. Es dauerte fast anderthalb Jahrhunderte, bis mit Edward Elgar im späten 19. Jahrhundert wieder ein Komponist aus dem Vereinigten Königreich ins internationale Rampenlicht trat. Erst mit ihm kehrte eine eigene musikalische Identität zurück, die nicht mehr vollständig von importierten Komponisten und deren Stil geprägt war.

Edwar Elgars Musik (Chat GPT)

Elgar statt Cumberland Sausages

Elgar liebe ich. Seine Musik ist für mich der Inbegriff von Tradition und Eleganz – und untrennbar verbunden mit Sonntagszeitung lesen und Lunch im Pub. Eine Atmosphäre von Beständigkeit und Ruhe, eingebettet in eine Musik, die gleichzeitig stolz und nostalgisch klingt. Aber dann bitte ohne Cumberland Sausages. Die sind ebenfalls gestrichen – genau wie Judas Maccabaeus.

Fazit: Musik als Machtinstrument

„Judas Maccabaeus“ ist also nicht nur Musik, sondern auch ein politisches Statement. Es feiert einen umstrittenen Sieg, steht für eine Zeit, in der Kunst ein Mittel der Machtdemonstration war, und spiegelt die enge Verbindung zwischen Kultur und Politik wider. Die BBC-Dokumentation von Lucy Worsley, die übrigens auch auf YouTube zu finden ist, hat mir diese Zusammenhänge erst wirklich vor Augen geführt. BBC sei Dank – das ist öffentlich-rechtlicher Journalismus, wie er sein sollte.

Abenteuer Highlands 4: Geschichten aus Schottland

„Abenteuer Highlands 4“ ist da – Schottland-Happen für Fortgeschrittene


Ein neues Kapitel Highland-Leben – mit Ottern, Pannen, Pointen und stillen Momenten. „Abenteuer Highlands 4 – Schottland-Happen für Fortgeschrittene“ ist ab sofort als eBook und Taschenbuch erhältlich!


Wer schon einmal versucht hat, mit einem deutschen Navi über eine schottische einspurige Straße zu fahren, weiß: Das Leben in den Highlands ist nichts für Anfänger.

In „Abenteuer Highlands 4 – Schottland-Happen für Fortgeschrittene“ erzähle ich Geschichten von dort, wo die Landschaft atemberaubend, das WLAN fragil und das Wetter ein Charakter in sich ist. Es geht um verlorene Schlüssel, widerspenstige Technik, eine Ziege mit tragischer Geschichte – und um all die kleinen und großen Missgeschicke, die mich in Schottland begleiten.

Aber zwischen all dem Lachen, dem Kopfschütteln und der schrägen Situationskomik gibt es auch leise Töne. Momente, die nachdenklich machen. Über das Zusammenleben mit Mensch und Tier, über Verantwortung, Hilfsbereitschaft – und über das, was wirklich zählt.

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Ob du Schottland-Fan bist, selbst mal ausgewandert bist oder einfach gern lachst – in diesem Band findest du skurrile Beobachtungen, ehrliche Gefühle und ganz viel Highland-Flair.


Die wilden Ziegen von Glenshiel: Eine Familiengeschichte

Wer durch Glenshiel reist, wird oft von den zähen, langhaarigen Ziegen überrascht, die sich sicher auf den steilen Hängen bewegen und fast eins mit der wilden Landschaft der Highlands wirken. Seit Jahren ranken sich Geschichten um ihre Herkunft – manche behaupten, sie stammten aus der Zeit der Jakobiten oder seien Überbleibsel der Highland Clearances. Doch so spannend diese Legenden auch sind, die wahre Geschichte der Ziegen von Glenshiel ist viel greifbarer – und mit dem Schicksal einer ganz bestimmten Familie verbunden.

picture @Ewan Roy MacGregor

Woher kommen die Ziegen in Glenshiel

Die Geschichte beginnt am Eas nan Arm, dem Wasserfall unterhalb des historischen Schlachtfelds von Glenshiel. Hier lebte einst Alexandrina (Ina) MacRae, die in Ault a’Chruinn geboren und aufgewachsen war. Sie heiratete einen Stewart aus Tomdoun, und gemeinsam lebten sie in der Nähe des Wasserfalls, während ihr Mann für den Rat arbeitete und Straßen durch das abgelegene Hochland baute – eine harte, aber notwendige Arbeit.

Doch wie so viele Highland-Familien standen auch sie vor wirtschaftlichen Herausforderungen. Als die Bauarbeiten abgeschlossen waren, gab es keine Arbeit mehr in der Gegend, und die Familie zog nach Edinburgh, wo Ina’s Mann eine Anstellung bei der Eisenbahn fand.

Der Abschied von den Ziegen

Ein Umzug in die Stadt war eine Sache, das Mitnehmen des Viehs eine andere. In jenen Tagen hatten Schafe und Rinder einen klaren wirtschaftlichen Wert – sie konnten verkauft oder mitgenommen werden. Ziegen hingegen? Die wurden kaum geschätzt. Sie galten als wenig nützlich und wurden nicht wie anderes Vieh gehandelt. Und so blieb der Familie keine andere Wahl, als ihre Ziegen zurückzulassen.

Das geschah noch vor dem Bau des Cluanie-Damms, der später die Landschaft der Region veränderte. Ihr Haus stand noch einige Zeit, doch 1967 wurde es abgerissen. Heute ist nur noch die Stelle zu erkennen, an der es einst stand – zum Glück existieren noch Fotos, die seine Erinnerung bewahren. Doch während das Haus verschwand, blieben die Ziegen.

Donald John Macmillan: Glen Shiel, Kintail – A history (2020)

Überleben in der Wildnis

Trotz ihres plötzlichen Schicksals bewiesen die Ziegen bemerkenswerten Überlebenswillen. Sie passten sich dem rauen Terrain an, ernährten sich von Heidekraut, Farnen und allem, was die Natur hergab. Über Jahrzehnte hinweg wuchs ihre Population, und sie wurden zu einem festen Bestandteil der Landschaft.

Heute glauben viele, dass diese Ziegen aus einer weit entfernten Vergangenheit stammen, dass sie vielleicht Nachfahren von Tieren sind, die mit den Jakobiten oder den vertriebenen Clans in Verbindung standen. Doch ihre Geschichte ist viel persönlicher – sie sind das Erbe einer Familie, die gezwungen war, weiterzuziehen, und der Tiere, die zurückbleiben mussten.

Und doch hat Ina sie nie vergessen. Jedes Mal, wenn sie zurückkam und die Ziegen sah, lächelte sie und sagte: „Das sind meine.“

picture: Ewan Roy MacGregor

Ein herzliches Dankeschön an Inas Verwandte für ihre Gastfreundschaft und dafür, dass sie diese Familiengeschichte geteilt hat – damit die wahre Herkunft der Ziegen von Glenshiel nicht in Vergessenheit gerät.

Das Grab am Meer: Geheimnisse der Isle of Arran

Ein ungelöster Mord. Ein düsteres Familiengeheimnis. Ein Sommer auf der Isle of Arran.

Ich freue mich sehr, euch heute mein neues Buch vorzustellen:
„Das Grab am Meer“ – Highland Crime Band 4 – ist ab sofort erhältlich! 📚🌊

Eine Insel zwischen Nebel, Meer und Vergangenheit

Die Isle of Arran ist nicht nur Schauplatz dieser Geschichte, sie ist ein eigener Charakter – geheimnisvoll, eindrucksvoll und voller Schatten. Hier, inmitten von Bergen und Küsten, wird die Vergangenheit lebendig.

In „Das Grab am Meer“ treffen zwei Spuren aufeinander:

  • Ein echter historischer Mordfall, der nie vollständig aufgeklärt wurde.
  • Und das Verschwinden einer jungen Frau, das eine Familie über Jahrzehnte hinweg geprägt hat.

Worum geht’s im Buch?

DI Robert Campbell reist auf die Insel, um für eine True-Crime-Dokumentation den Goatfell-Mord von 1889 neu zu untersuchen – ein Fall, den kaum jemand außerhalb Schottlands kennt, der aber viele offene Fragen hinterließ.

Isabel Hartmann, deren Schwester vor dreißig Jahren auf Arran verschwand, kehrt zur gleichen Zeit zurück. Ihre Suche nach der Wahrheit wird zu einer gefährlichen Reise in alte, verdrängte Familiengeheimnisse.

Zwei Zeitebenen – eine Wahrheit

Das Grab am Meer“ verwebt wahre Begebenheiten mit fiktiver Spannung.
Der Roman bewegt sich zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Schuld, Erinnerung und dem menschlichen Bedürfnis nach Klarheit.

Atmosphärisch dicht, emotional vielschichtig – und immer wieder überraschend.

Jetzt erhältlich – als eBook und Taschenbuch

📖 „Das Grab am Meer“ ist ab sofort als Taschenbuch und eBook auf Amazon verfügbar.
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Wenn ihr düstere Inselkrimis liebt, gerne tief in Geschichten eintaucht und True Crime euch fasziniert – dann könnte dieses Buch genau das Richtige für euch sein.

Nächste Woche auf dem Blog: True Crime Spezial

🔍 In der kommenden Woche geht es hier um den wahren Mordfall, der dem Roman zugrunde liegt:
Der Goatfell-Mord von 1889 – ein ungelöstes Verbrechen mit spektakulären Wendungen.

Ich erzähle euch, was wirklich geschah, was die Presse damals schrieb – und warum dieser Fall bis heute nicht abgeschlossen ist.

Ich freue mich auf euer Feedback!

Wenn ihr das Buch lest, freue ich mich über jede Rückmeldung:
Ob Rezension, Kommentar oder Nachricht – euer Feedback macht meine Arbeit lebendig.
Lasst mich wissen, wie euch der neue Fall von Campbell & Hartmann gefallen hat!

„Das Grab am Meer“ gibt es hier

Hadrianswall: Das römische Bollwerk gegen die Pikten

Hadrianswall – Eine Mauer gegen die Pikten

Der Hadrianswall ist eine der beeindruckendsten Hinterlassenschaften des Römischen Reiches in Großbritannien. Im Jahr 122 n. Chr. beschließt Kaiser Hadrian, dass es jetzt reicht mit den wilden Barbaren aus dem Norden. Also lässt er eine Mauer bauen. Eine große Mauer. Eine sehr lange Mauer. Ganze 117 Kilometer erstreckt sie sich von der Ostküste bei Newcastle bis zur Westküste bei Bowness-on-Solway.

Und warum? Wegen der Pikten. Die Pikten sind die Urbewohner Schottlands – furchtlose Krieger, die sich mit blauer Farbe bemalen, mit Vorliebe nachts angreifen und sich in den Wäldern verstecken, wenn die Römer zurückschlagen wollen. Guerillakrieg, bevor es überhaupt ein Wort dafür gibt. Das Problem für die Römer: Sie lieben ordentliche, planbare Kriege mit geraden Schlachtreihen. Die Pikten halten sich nicht an diese Regeln. Also bleibt den Römern nur eine Möglichkeit: Sie mauern sich ein.

Und was für eine Mauer das ist! Bis zu sechs Meter hoch, fast drei Meter dick und gespickt mit Wachtürmen, Meilenkastellen und großen Garnisonen. Sie ist ein militärisches Bollwerk, aber auch eine Art antike Zollstation. Wer aus dem Norden nach Süden will, braucht eine Genehmigung. Klingt mühsam, aber für die Römer ist es besser als ständig plündernde Pikten in den Grenzstädten.

Der Hadrianswall bleibt für Jahrhunderte in Betrieb, bis die Römer irgendwann einsehen, dass sie Britannien ohnehin nicht halten können. Danach verfällt er langsam, die Steine werden für Bauernhäuser und Straßen verbaut, und irgendwann sieht er mehr nach Ruine als nach Grenzfestung aus. Aber heute ist er noch erstaunlich gut erhalten.

Der Mann und ich haben beide noch nie viel davon gesehen, also erkunden wir ihn. Oder versuchen es zumindest. Ein Spaziergang entlang der Mauer klingt in der Theorie fantastisch, aber in der Praxis ist es gar nicht so einfach. Parkplätze? Nur an den offiziellen, kostenpflichtigen Bereichen. Einfach irgendwo anhalten? Fehlanzeige. Also suchen wir eine Stelle, wo wir endlich ein Stück laufen können. Und was soll ich sagen? Diese Mauer ist beeindruckend. Breit, stabil und unfassbar präzise gebaut – und das alles ohne Maschinen. Ich stehe fassungslos davor und frage mich, wie viele Legionäre und Sklaven wohl geflucht haben, als sie die Steine schleppten. Wahrscheinlich alle.

Die Borders – Umkämpftes Grenzland

Während der Hadrianswall eine militärische Grenze war, haben die Borders – das Grenzgebiet zwischen Schottland und England – eine ganz andere Geschichte. Über Jahrhunderte hinweg ist diese Region ein einziger Spielplatz für Kriege, Überfälle und Plünderungen. Hier verschiebt sich die Grenze ständig, je nachdem, wer gerade die Oberhand hat. Die Schotten? Die Engländer? Die Clans, die mal für die eine, mal für die andere Seite kämpfen? Niemand weiß es genau. Klar ist nur: Leben möchte man hier in der Vergangenheit lieber nicht.

Warum ist dieses Gebiet so umkämpft? Ganz einfach: Es ist fruchtbares Land, reich an Bodenschätzen und Handelsrouten. Wer die Borders kontrolliert, ist mächtig.

Im Mittelalter treiben hier die berüchtigten Border Reivers ihr Unwesen – Reiterbanden, die für niemanden außer sich selbst kämpfen. Heute würde man sie wohl als mittelalterliche Gangster bezeichnen. Sie stehlen Vieh, brennen Dörfer nieder und verschwinden wieder in den Hügeln. Namen wie Armstrong, Elliot oder Scott sind hier legendär – entweder als Helden oder als gefürchtete Banditen.

Erst mit der Vereinigung Schottlands und Englands 1707 beruhigt sich die Lage, aber bis dahin ist es ein wilder Ritt. Heute ist die Landschaft friedlich, grün und wunderschön – kein Vergleich zu früher. Während wir entlang des Hadrianswalls laufen, stelle ich mir vor, wie hier einst römische Soldaten Wache hielten, Pikten lauerten und Jahrhunderte später schottische und englische Krieger um dasselbe Stück Land kämpften. Heute sind es nur wir, ein paar Wanderer und eine beeindruckende Mauer, die noch immer standhaft die Geschichte bewacht.

Ein Roadtrip entlang der alten Grenze

Der Mann und ich fahren mit dem Auto quer an der alten Grenzlinie entlang, die uns mal nach England, mal nach Schottland bringt. Es ist eine witzige Erfahrung, denn es gibt nicht immer ein Schild, das uns mitteilt, wo wir gerade sind. Während auf den großen Straßen selbstverständlich riesige Schilder prangen – „Welcome to Scotland“ hier, „Welcome to England“ dort – verschwinden sie auf den kleinen Straßen oft völlig. Ich frage mich, ob wir uns gerade in England oder Schottland befinden, während der Mann nur trocken meint: „Ist doch egal, solange wir nicht zurück in den römischen Grenzbereich kommen.“ Sehr witzig.

Cold Blooded Killers – Mörder ohne Reue

True Crime Fälle aus Schottlands Nordosten (1864 – 19639)

Was macht einen Mörder eiskalt? Fehlt es ihm an Reue? Ist es die absolute Berechnung, mit der er seine Tat plant und ausführt? Oder ist es die erschreckende Normalität, mit der er danach weiterlebt, als wäre nichts geschehen? Die AUSTELLUNG Cold Blooded Killers – True Crime Cases from the North East, 1864-1963 beim Granite Noir Cime Festival in Aberdeen führte mich in die tiefen Abgründe der menschlichen Psyche und zu einigen der berüchtigtsten Verbrechen Schottlands.

Der Mord an Ann Forbes (1864)

Ann Forbes lief 15 Meilen zu Fuß, um ihren Geliebten George Steven zu treffen. Statt eines romantischen Wiedersehens endete das Treffen in einem blutigen Verbrechen. Man fand Ann tot im Wald – mit einer Kopfwunde, das Gesicht nach unten gedrückt. Ein Zeuge hatte Steven mit einer Axt gesehen. Bei seiner Festnahme fand man gleich drei dieser Werkzeuge in seinem Besitz. Zunächst gestand er den Mord, doch seine Verteidigung plädierte auf geistige Unzurechnungsfähigkeit. Er wurde zwar zum Tode verurteilt, doch das Urteil nie vollstreckt. Stattdessen starb er wenige Jahre später in einer Anstalt.

Ein klassisches Beispiel eines Verbrechens aus Leidenschaft? Oder war es doch pure Berechnung?

Der Fall John Barclay Smith (1907) – Ein Mord aus Habgier

John Barclay Smith war Deserteur und suchte sich in Edinburgh ein neues Leben. Doch dann fand man ihn tot in seinem Zimmer – sein Gesicht wies schwere Verletzungen auf, aber es gab keine Anzeichen eines Kampfes. Ein anderer Deserteur wurde kurz darauf in Edinburgh mit Smiths Geld und einer Taschenuhr gefasst. Obwohl sich 7000 Menschen für seine Begnadigung einsetzten, wurde er hingerichtet.

Das Verschwinden von Betty Hadden (1945) – Ein ungelöster Fall

Betty Hadden genoss ihr Leben – bis sie spurlos verschwand. Wochen später tauchte ihr abgetrennter Unterarm auf. Doch mehr wurde nie gefunden. Ermittler experimentierten sogar mit Schweinebeinen, um herauszufinden, wo ihre Leiche ins Meer geworfen worden sein könnte. Die Nacht ihres Verschwindens war voller Schreie, die niemand deuten konnte. War es ein Mord? Ein Unfall? Niemand weiß es. Und das macht den Fall noch unheimlicher.

Fazit – Warum faszinieren uns eiskalte Morde?

Die Faszination für Cold Blooded Killers ist tief in unserer Psyche verankert. Sie sind das ultimative Gegenbild zu unseren eigenen Moralvorstellungen. Ihr Fehlen von Reue, ihr planvolles Vorgehen oder die Ungewissheit über ihre Motive machen sie so unheimlich. True-Crime-Veranstaltungen wie diese zeigen uns, dass das Grauen nicht nur in der Fiktion existiert – sondern mitten unter uns.

Die Archivarin, die spricht, ist eindeutig nicht daran gewöhnt, offiziell zu präsentieren. Nach ungefähr vierzig Minuten schnarchen die ersten Männer hinter mir. Während die einen gebannt zuhören, verlieren die anderen rasch das Interesse. Auf dem Nachhauseweg höre ich einer Gruppe Frauen zu, die sich lautstark über die Sprecherin beschweren. Sie wollten unterhalten werden, sagen sie, und sind nun enttäuscht.

Eine wertvolle Erkenntnis zur Erwartungshaltung des Publikums auf einem Crime-Festival: Es geht nicht nur um wahre Verbrechen, sondern auch um die Inszenierung. Die Faszination für Mord und Rätsel mag groß sein – doch wenn die Darbietung nicht mitreißt, verliert selbst das düsterste Kapitel der Geschichte an Reiz.

Wintersonnenwende in Schottland: Mystik, Tradition und ein Hauch von Humor

Die Wintersonnenwende, auf Gälisch „Oidhche nan Seachd Suipearan“, ist in Schottland – besonders in den Highlands und auf den Inseln – ein bedeutendes Ereignis. Sie markiert den kürzesten Tag und die längste Nacht des Jahres, wenn das Licht zurückkehrt und die Tage wieder länger werden. Für viele Menschen in Schottland hat die Sonnenwende sogar mehr Bedeutung als Weihnachten selbst.

Die Wurzeln der Tradition

Die Kelten verehrten die Sonnenwende als spirituellen Wendepunkt: Das Wiedererwachen der Sonne symbolisierte den Triumph des Lichts über die Dunkelheit. Noch heute zeugen alte Steinmonumente wie die Callanish Stones auf der Isle of Lewis oder die Clava Cairns bei Inverness von dieser Ehrfurcht vor der Natur und den Sternen. Diese steinernen Zeitzeugen sind so ausgerichtet, dass sie die ersten Sonnenstrahlen des neuen Zyklus einfangen – ein beeindruckendes Zeugnis alter Himmelsbeobachtung und Spiritualität.

Clava Cairns near Inverness

Die Nacht der sieben Abendessen

Eine besondere gälische Tradition ist „Oidhche nan Seachd Suipearan“ – die „Nacht der sieben Abendessen“. Der Brauch sieht vor, dass man sieben kleine Mahlzeiten zu sich nimmt, um Fülle und Wärme während der dunkelsten Nacht des Jahres zu feiern. Moderne Varianten dieses Festes könnten ein gemütliches Beisammensein mit Freunden am Kamin sein, begleitet von Glühwein, Suppe oder köstlichem Gebäck. Doch der Kern der Tradition bleibt: Dankbarkeit und Freude über das Überstehen der dunklen Jahreszeit.

Clava Cairns

Wie die Schotten heute feiern

Auch heutzutage wird die Sonnenwende in Schottland mit einer Mischung aus alten Ritualen und modernen Eigenheiten gefeiert. Im Maeshowe Chambered Cairn auf Orkney zum Beispiel tauchen die letzten Sonnenstrahlen der Wintersonnenwende die alte Grabkammer in ein magisches Licht. Solche Momente verbinden Geschichte und Natur auf eine einzigartige Weise.

Doch das Wetter, das typisch schottisch sein kann – mit Regen, Wind und eisigen Temperaturen –, macht diese Feiern oft zu einem Abenteuer. Die Schotten nehmen das jedoch mit Humor: „Wenn dich der Wind nicht wegweht, bleibst du wenigstens warm am Feuer.“

Tipps für die Wintersonnenwende in Schottland

  1. Besuche einen Steinkreis: Die Callanish Stones oder die Clava Cairns sind beeindruckende Orte, um die Sonnenwende zu erleben.
  2. Zieh dich warm an: Wetterfeste Kleidung ist ein Muss – Schottland bleibt auch bei der Sonnenwende unberechenbar.
  3. Mach mit bei lokalen Bräuchen: Vielleicht findest du ein gemeinsames Festmahl oder eine Geschichtenerzählung – die Schotten teilen ihre Traditionen gerne.
  4. Nimm dir einen Moment für dich: Die Highlands bieten mit ihrer Weite und Stille den perfekten Ort für Reflexion und einen Neuanfang.

Warum die Sonnenwende wichtig bleibt

Die Wintersonnenwende erinnert uns an den Zyklus der Natur und die Kraft, die uns in den dunkelsten Momenten des Jahres am Leben hält. Es ist ein Fest der Hoffnung, des Lichtes und der Gemeinschaft. In Schottland, wo sich alte Bräuche mit modernem Leben vermischen, wird dieser Tag zu einem besonderen Ereignis, das Herz und Seele berührt.

Wenn du also jemals die Gelegenheit hast, eine Sonnenwende in Schottland zu erleben, nutze sie. Es ist eine Zeit der Magie, des Lachens und der kleinen, aber bedeutsamen Momente – sei es beim siebten Gang des Festmahls oder beim ersten Lichtstrahl, der über die uralten Steine tanzt. Und vergiss nicht, einen kleinen Schluck Whisky einzupacken, um die Nacht zu wärmen.

burial chamber Clava Cairns

Die deutsch-schottische Komponente in „Highland Crime“

In meiner Krimiserie „Highland Crime“ verbinde ich die besondere Atmosphäre der schottischen Highlands mit einem Hauch deutscher Akribie und Neugier. Die deutsch-schottische Verbindung von Isabel Hartmann und DI Robert Campbell verleiht meinen Geschichten eine einzigartige und spannende Dynamik, die die Leser auf jeder Seite in Atem hält. Das Duo ist international und landestypisch gleichermaßen. Als Fernsehserie könnte ich mir Highland Crime sehr gut vorstellen. Wer wären Eure Lieblingsschauspieler für Issy und Robert, für Dr. Janne Asikainen und PC Hamish MacFarlane? Wäre das nichts für doe Örrentlich-Rechtlichen?

Landschaft und Handlungselemente

Die malerischen Landschaften und die düstere Atmosphäre der schottischen Highlands bieten die perfekte Kulisse für mysteriöse Verbrechen und rätselhafte Geheimnisse und eine reiche Quelle der Inspiration für meine Geschichten. Gleichzeitig bringe ich eine deutsche Perspektive in meine Krimiserie ein, sei es durch die Einbindung deutscher Charaktere, die in die schottische Landschaft eintauchen, oder durch die Verwendung von deutschen Handlungselementen, die die Handlung vorantreiben und überraschende Wendungen ermöglichen.

Wurzeln und Visionen

Diese deutsch-schottische Verbindung spiegelt nicht nur meine eigenen kulturellen Wurzeln und meinen Lebensentwurf mit einem schottischen Partner in den Highlands wider, sondern bietet auch den Lesern eine faszinierende Mischung aus verschiedenen Kulturen und Perspektiven. Durch die Verbindung dieser beiden Welten schaffe ich eine besondere Leseerfahrung, die die Leser in ihren Bann zieht. Und versuche, mehr dieser Verbindungen im Laufe der Geschichte zu entdecken. So war mir zum Beispiel nicht bewusst, dass hier in Schottland im Zweiten Weltkrieg auch Deutsche zum Kampf gegen Hitler ausgebildet wurden. Wusstet Ihr das?

Allerdings sei betont, ich bin nicht Issy und Ewan ist nicht Robert. Auch wenn es nahe liegt, das anzunehmen.

Freut Euch auf weitere aufregende Abenteuer in meiner „Highland Crime“ Serie, die die deutsch-schottische Komponente auf ein neues Level heben! Issy und Robert werden in Band 3 endlich ein Paar!

„Die Toten von Avernish“ – Band 3 der Highland Crime Serie ist ab 1.9.24 bei Amazon erhältlich.

Die Toten von Avernish Highland Crime DI Robert Campbell 3 @nme Nellie Merthe Erkenbach

Tod der Prinzessin und ihrem ungeborenen Kind

Schottland hat über die Jahrhunderte viele starke und beeindruckende Frauen hervorgebracht. Ich stoße immer wieder auf sie und freue mich jedes Mal aufs neue, wenn Frauen in der Geschichte Spuren hinterlassen haben. Die gilt es zu bewahren.

old gravestone Aberlady @nme Abenteuer Highlands

Viele grausame und frauenfeindliche Geschichten werden aus vergangenen Zeiten erzählt. Die Geschichte von Theneu scheint besonders entsetzlich. Ein Vater, der versucht, seine schwangere Tochter zu töten. Er scheitert, versucht es erneut und sie entbindet schließlich allein auf einem Boot in der Nordsee. Normalerweise konzentriert sich die Geschichte entweder auf den Vater, denn er war Loth, ein mächtiger König oder auf den Sohn, den sie gebar: St. Kentigern of Glasgow. Aber was war mit ihr? Von ihrem Vater misshandelt, vom Vater ihres Kindes verlassen, allein in einem Boot bei der Geburt – diese Prinzessin hatte gewiss kein Märchenleben.

Gehen wir zurück ins sechste Jahrhundert und zu der Frage, wer das Kind gezeugt hat.

kull and crossbones old gravestone Aberlady @nme Abenteuer Highlands

Theneu war die Tochter von Loth, einem piktischen König, der einen Teil Lothians regierte. Nach dem Abzug der Römer blieben die Pikten nicht nur innerhalb der Grenzen ihrer eigenen Provinz, sondern ließen sich in verschiedenen Teilen von Alba nieder.

Über seinen Vater ist überhaupt wenig bekannt. Der Legende nach war er Eugenius II, König der Schotten. Jedenfalls war der Säugling ein ungewolltes Kind, und kurz vor seiner Geburt ließ sein Großvater, wütend über die Schande seiner Tochter, den grausamen Sitten seines Stammes folgend, sie von der Spitze von Traprain Law werfen in der Hoffnung, dass der Sturz sie umbringen würde. Die Prinzessin entkam jedoch unverletzt und König Loth, der mit dieser Barbarei nicht zufrieden war, befahl, sie nach Aberlady Bay bringen zu lassen und sie in ein mit Fell bedecktes Boot zu setzen, von dem die Ruder entfernt worden waren.

Aberlady grabeyard @nme Abenteuer Highlands

Dieses fragile Fortbewegungsmittel und seine unglückliche Insassin wurden dann weit hinaus aufs Meer geschleppt und ihrem Schicksal überlassen. Der sichere Tod, doch Gott wschte über sie, so heißt es. Anstatt weiter aufs Meer hinausgetrieben zu werden, führten Wind und Gezeiten das kleine Boot um die Isle of May herum, vorbei an Inchkeith und Inchcolm und den Fluss Forth hinauf, bis es sicher am Ufer bei Culross gestrandet war. Während dieser ereignisreichen Reise wurde ein kleiner Junge geboren, der dazu bestimmt war, das Christentum in Schottland neu zu beleben und das Werk von St. Ninian weiterzuführen.

Welchen Dämonen stand Theneu außer ihrem Vater gegenüber? Wie tief sah sie dem Tod in die Augen. Wie verzweifelt und wie allein fühlte sie sich draußen auf dem Meer, ohne das Boot steuern zu können? Und wie viel Schmerz hat sie ertragen? Woher nahm sie die Kraft, dieses Baby und sich selbst am Leben zu erhalten? Die Geschichte sagt es uns nicht. Schade.

boat @nme Abenteuer Highlands

Betrüger-Brüder

Im Gälischen nennt man das Jahr 1745 bliadhna Theàrlaich (sprich: blijanna tscherllich), Charlie’s Jahr. Das bezieht sich auf Charles Edward Stuart und dessen Versuch, 1745 des schottischen Thron zu erobern, den seine Linie verloren hatte. Ein Mann, der Geschichte geschrieben hat, romantische wie tragische. Der gescheiterte Versuch hate brutale Folgen für die gälisch sprechende Bevölkerung der Highlands.  

St Mary's Chapel Eskadale graveyard @nme Nellie Merthe Erkenbach

In Strathglass, einer katholischen Gegend in der die Unterstützung für Bonnie Prince Charlie groß war, findet sich das Grab zweier Brüder, beide vermeintliche Stuarts. Ein stolzes Steinkreuz markiert das Grab von John Sobieski Stuart, auch bekannt als „The Chevalier“, beide Namen sind nicht echt, man könnte sie tatsächlich als seine Künstlernamen bezeichnen, weil er ins Rampenlicht trat, um das zu sein, was jeder schottische Romantiker sehen wollte – ein verlorener Nachkomme des letzten und tragischen schottischen Prinzen. Er war ein Betrüger, genau wie sein Bruder.

Grab des Sobieski Stuart Eskadale @nme Nellie Merhe Erkenbach

John Carter Allen (1795–1872) und Charles Manning Allen (1802–1880) beschlossen eines Tages, sich als Enkel von Bonnie Prince Charlie zu etablieren, und zu behaupteten, der Prinz habe mit seiner deutschen Frau Prinzessin Louise von Stolberg-Gedern in Italien einen heimlichen Sohn gezeugt. Er sei damals 51 und sie 19 gewesen. Dann seien das Kind, der jakobitische Erbe, auf das Schiff des Großvaters gebracht worden. Der Großvater habe daraufhin diesen königlichen Flüchtling adoptiert und ihn als seinen eigenen aufgezogen. Als Söhne dieses Vaters behaupteten die beiden Brüder, verlorene Enkel von Charles Edward Stuart zu sein.

Das Grab der vermeintlichen Stuarts

Dies war natürlich eine komplette Erfindung, aber die Brüder lebten ihre Rolle. In Kilt und Tartan gekleidet durchstreiften sie die Highlands, konvertierten zum Katholizismus und lebten unter dem Schutz jakobitischer Clans wie den Frasers. Der 14. Lord Lovat baute sogar eine Jagdhütte auf einer Insel im Fluss Beauly für die beiden und gewährte ihnen eine letzte Ruhestätte im Kirchhof von St. Mary’s in Eskadale. Ob er ihnen geglaubt hat? Wer weiß, aber er hat sie sicherlich gut behandelt.

Diejenigen, die behaupteten, Charlies Enkel zu sein, gaben bis zum Ende vor, das zu sein, was sie nicht waren – von königlichem Blut. Sie hatten natürlich einen gewissen Einfluss auf ihre Zeit. Die Niederlage von Culloden und die anschließende Unterdrückung der Highlander, hatten blutige Narben in den Herzen aller schottischen Clanmitglieder hinterlassen. Was die Brüder gaben, war Hoffnung. Die Erfüllung der Sehnsucht, dass es noch nicht vorbei war. Nicht für immer verloren. Dass es eines Tages wieder einen Stuart auf dem schottischen Thron geben würde und, was die beiden „Stuarts“ anging, natürlich auch auf dem englischen.

Beide Brüder starben Ende des 19. Jahrhunderts und wurden in Eskadale begraben. Sie hatten mit ihren romantischen Geschichten aus der Vergangenheit ein Tartan-Revival ausgelöst. Nun rühmten sich gar die Grenzclans plötzlich mit einem eigenen Tartan, den sie zuvor nie besessen hatten. Ihnen und dem Vestiarium Scoticum (1842) sind viele der heute existierenden Clan-Tartans ist es zu verdanken.

Nellie Merthe Erkenbach: St Mary’s cemetery Eskadale

Diese und andere Geschichten findet ihr in Schottland für stille Stunden. Das Taschenbuch und auch das eBook gibt es bei Amazon.