Es gibt durchaus einige Konzepte, die ich dem Mann nicht so wirklich vermitteln kann. Da gehört zum Beispiel auch der Brückentag dazu, denn so etwas gibt es in Schottland schlicht und einfach nicht.
Für mich gibt es Brückentage ebenfalls nicht, weil ich oft an Feiertagen und den Wochenenden arbeiten muss. Aber nun, an Fronleichnam, habe ich auch mal einen Brückentag gemacht und damit vier wunderbare kleine Urlaubstage geschaffen. Wieso habe ich das nicht früher schon mal versucht? Einfach mal frei machen! Herrlich!
Gerade im Mai und Juni fallen ja so einige Feiertage auf Donnerstag und dann gibt es eben Freitag den Brückentag. Das ist ein Konzept, das dem Mann völlig fremd ist. Er hat so gut wie keine klassischen Feiertage und wenn er mal welche hat, dann verstecken sie sich meist in den Wochenenden. Aber da gibt es im Vereinigten Königreich ja die wunderbare Variante des Ersatzfeiertags, auch Bank Holdiday Day genannt, weil da die Banken geschlossen haben.
Fällt ein Feiertag auf ein Wochenende, dann schauen die Deutschen blöd aus der Freizeitwäsche, während die Schotten sich verlässlich auf einen freien Montag freuen können. Damit haben sie immer ein verlängertes Feiertags-Wochenende?
Seit die Regierung 1871 mit dem Bank Holiday Act den Banken erlaubte, an einem Montag zu schließen, hat der Mann seine Feiertage gesetzlich zugesichert. Außerdem sind die Feiertage oft nicht mehr christlich, sondern haben einen anderen Anlass. Oft wurden in den wirtschaftlichen Zentren wie Glasgow oder Lanark Feiertage geschaffen, die man dann auf die christlichen legte, zum Beispiel der Glasgow Fair, der Glasgower Messe bzw. dem Glasgower Markt, den es seit dem 12. Jahrhundert gibt und bei dem die Schüler in Glasgow frei bekommen.
Schottland hat viele andere Feiertag als England, zu anderen Zeiten und mit anderem Gewicht. So ist Weihnachten hier von untergeordneter Bedeutung, das hatte schließlich Queen Victoria durch ihren Ehemann von Deutschland nach England importiert. Für die Schotten ist Hogmanay, also Silvester, ein viel bedeutenderer Feiertag als Weihnachten und der 2. Januar ist hier ebenfalls frei und damit so eine Art verlängerter Ausnüchterungstag für die Schotten, die die Neujahrsfeierlichkeiten damit auf drei Tage ausweiten können.
Und den letzten Montag im Mai haben sie auch frei, während wir uns am 1. Mai mit Leiterwägen belustigen.
Betrachtet man aber die Brückentage, dann wir Deutschen im Vorteil, denn wir haben nicht nur einen Tag länger frei, wir können uns durch einen Urlaubstag ganze vier freie Tage erkaufen. Dumm nur, dass diese Tage niemals mit den schottischen synchronisierbar sind.
Es sei denn, ein Deutscher oder eine Deutsche heiratet ins Königshaus ein, so wie einstmals Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha. Der brachte der Insel Weihnachten, der oder die nächste Deutsche vielleicht Feiertage an Donnerstagen. Wär das nichts? Also mehr Brücken kann ich den deutschen Adelshäusern nun wirklich nicht bauen!
Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf!
Nach den ersten Erfahrungen mit den Highlands habe ich das erste Buch geschrieben: Abenteuer Highlands – mein etwas anderes Leben im schottischen Hochland. Damals noch ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass es vielleicht mehrere geben könnte.
Die Jahre gingen ins Land und die Abenteuer wurden nicht weniger. Deshalb, und weil ich immer wieder gefragt wurde, ob es nicht bald einen zweiten Teil von Abenteuer Highlands gäbe, habe ich ihn geschrieben. Abenteuer Highlands 2.0 – zwischen Schwarzwald und Schottland – alles, was ein Doppelleben in zwei Ländern aufregend und erzählenswert macht.
Nun ist Abenteuer Highlands offiziell eine Serie und der nächste Band in Arbeit: Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf! Ende 2023 als Taschenbuch und eBook bei Amazon verfügbar.
Man kennt es, es zieht einen Täter immer wieder und unwiderstehlich zurück zum Ort der Tat. Als Krimiautorin ist man ja auch so eine Art Täterin und ja, es zieht mich zurück zum Ort meiner Tat. Bewaffnet mit einer Kopie meines ersten Krimis wollte ich nach Skiary, um Fotos zu machen. Ein Plan, den ich schon länger in meinem Kopf hatte, aber nie so richtig motiviert war, ihn umzustezen. Bis dann die andere Nellie Interesse anmeldete. Sie hat Schatten über Skiary gelesen und wollte das Cottage unbedingt sehen.
Okay, zwei Nellies on Tour? Das klingt gut und Emma kommt natürlich mit.
„Es ist ein ziemliches Stück zu fahren!“ warne ich, knapp zwei Stunden von uns aus für eine Strecke, die Liftlinie nun wirklich nicht weit ist. Aber wie es nun mal so ist in Schottland. Die Straßen führen selten direkt zum Ziel und man muss Umwege in Kauf nehmen. Dazu ist die Strecke weitgehen single track road, also nur eine Fahrspur für beide Seiten.
Wir haben Glück und es sind nur wenige Autofahrer unterwegs und auch die Camper und Wohnmobile halten sich in Grenzen. Für die ist die Straße ohnehin weder gemacht noch erlaubt, was allerdings die wenigsten zu stören scheint im Urlaub.
Die andere Nellie ist zum ersten Mal nach Kinlochhourn unterwegs und beeindruckt.
„Warte mal ab“, sage ich. „Vom Ende der Straße sind es noch eine Dreiviertelstunde Fußweg auf einem schmalen Felsenpfand entlang der Küste.
Emma trabt fröhlich voraus und erkundet den Weg. Nellie hat Spaß, die Dinge persönlich zu entdecken, von denen sie gelesen hat und ich habe sehr viel Spaß, das alles mit ihr zu teilen.
In Skiary angekommen sieht vieles anders aus. Die Besitzer müssen dagewesen sein, seit ich das letzte Mal hier war. Es liegt eine andere Wachsdecke auf dem Tisch im Glashaus, die Fenster sind nicht mehr verbarrikadiert und zwei Gasflaschen stehen vor dem Haus. Zu sehen ist allerdings niemand. Schade, ich hätte gerne mein Buch dagelassen. So als Überraschung für die unbekannten Besitzer.
Emma erschnüffelt den Tatort und Nellie und ich machen es uns auf der Picknick Bank mit Chips und Cocktails gemütlich. Aus er Dose, muss ich zugeben. Aber ganz lecker. Martini mit Passionsfrucht. Passt so gar nicht nach Skiary, aber was soll’s.
Auf dem Rückweg treffen wir auf ein Paar, beide Ende Vierzig, Engländer in Funktionskleidung. Sie wollen wissen, wo wir herkommen.
„Skiary!“ sagen beide Nellies im Duett.
„Ah“, sagt sie. „Ist Skiary das Haus da unten?“
„Ja. Aber vorsicht. Ich bin Krimiautorin und dort unten passiert mein erster Mord“, antworte ich.
Sie schaut mich entgeistert an, dann lächelt sie und will wissen, wie das Buchg heisst.
„Schatten über Skiary“, sage ich. „Leider gibt es das aber nur auf Deutsch.“
„Schade!“ antwortet sie und macht sich mit ihrem Mann auf, Skiary zu erkunden während Nellie, Emma und ich uns auf den Heimweg machen.
„Wer weiß“, sage ich. „Vielleicht kommen irgendwann einmal tatsächlich Menschen hierher, weil sie das Buch gelesen haben.“
Als Isabel, Issy, Hartmann eine Wanderung zu einer idyllischen Bucht an der schottischen Westküste unternimmt, ist das Letzte, was sie zu entdecken erwartet, die Leiche eines Deutschen. Unvermittelt findet sich die Übersetzerin mitten in einer Mordermittlung, die sie immer wieder vor neue Herausforderungen stellt.
Detective Inspector Robert Campbell ist in der Gegend aufgewachsen und steht vor einem Rätsel: ein erschossener Tourist, mitten im Winter, den kein Einheimischer gesehen haben will. Was hat er da draußen in der Wildnis gewollt?
Issy Hartmann ist sich sicher, dass die Lösung des Falls im kleinen Örtchen Glenelg liegt, dort, wo jeder ein Geheimnis hat und keiner das ist, was er zu sein vorgibt. Kann sie die Mauer des Schweigens durchbrechen?
In der rauen Einsamkeit des schottischen Winters werden Robert und Issy hineingerissen in einen tödlichen Strudel aus Liebe, Leidenschaft und Gewalt.
Meine Schreibhütte ist ein Geschenk, aus vielerlei Gründen. Wer Fotos davon auf meinen Social Media Accounts gesehen hat, wird das nachempfinden können. Die Berge, das Meer, der Wind; gelegentlich kommt draußen vor der Tür eine Maus vorbei oder ein Zaunkönig macht einen flüchtigen Besuch.
Und dann kommt der Tag, an dem draußen ein viel größeres Tier seinen Auftritt hat: Boris.
Ich sitze am Schreibtisch und arbeite an meinem ersten Krimi. Es ist ein trüber Wintermorgen, dunkel und kalt liegt das Meer vor mir. In meiner Hütte aber ist es muckelig warm. Der Mann ist unten am Wasser, um Fotos zu machen. Da ist er täglich, an den Wochenenden oft über Stunden, sein Happy Place.
Ping! Eine WhatsApp Nachricht.
Schatz, hast Du den Seehund gesehen? Ich glaube, mit dem stimmt was nicht.
Warum? Schreibe ich zurück. Mir ist nichts aufgefallen. Ich bin mitten im Morden.
Ich stehe schon über eine halbe Stunde hier, aber er bewegt sich nicht von der Stellen. Und er kommt so komisch senkrecht aus dem Wasser und taucht genauso gerade wieder unter. Als ob er mit den Flossen unten am Grund festhängt.
Oha, denke ich. Wenn der Mann derart ausführlich schreibt, dann macht er sich Sorgen. Ich blicke aus dem Fenster und kann den Kopf des Seehunds im linken unteren Quadrat des Sprossenfensters sehen. Sehr gut, so habe einen Anhaltspunkt, ob er sich fortbewegt oder an derselben Stelle bleibt. Hoffentlich ist das Tier nicht in Not.
Ich schreibe und schaue, und schaue und schaue, immer mehr abgelenkt von dem möglichen Drama, das sich da unter Wasser abspielt und wir nicht erkennen können. Der Mann hat Recht. Der Seehundkopf taucht senkrecht auf, so als würde man ihn an einer Schnur aus dem Wasser ziehen. Sonst kommen die Köpfe eher in einer gleitenden Bewegung an die Oberfläche und dann sehen sie sich meist auch um. Wie ein Mensch, der die Umgebung prüft, ob er sicher ist. Dieser Seehund tut nichts dergleichen. Er benimmt sich, als hinge er im Wasser.
Jetzt, wo sich vor mir derartige Dramen abspielen, kann ich mich nicht mehr aufs Schreiben konzentrieren. Ich klappe das MacBook zu und schlüpfe in die Gummistiefel. Schnell gehe ich hinunter zu Strand. Der Seehund ist gerade untergetaucht. Die Stelle scheint ganz nah. Ob man vielleicht sogar hin waten kann?
Der Mann und ich debattieren, was zu tun ist. Hin waten gut und schön, aber was dann? Der Meeresboden fällt bald stark ab, wahrscheinlich müsste man den Rest schwimmen. Das Wasser hat 8° Celsius. Und dann? Was, wenn dem Seehund nicht klar ist, dass ich seine Rettung bin? Er könnte ja auch vermuten, dass ich ihn angreifen möchte. Oder generell in Panik um sich beißen. Sind Seehunde gefährlich? Die sehen so nett aus.
Der Mann findet, sie sehen eher gefährlich aus. Er weiß, das ich Greenpeace Mitglied bin und möglicherweise zu spektakulären Aktionen neige.
Google ist mein Freund, denke ich und mache mich an die Recherche.
Wie gut, wenn man eine Journalistin im Haus hat, denkt der Mann und beobachtet weiter.
Der schottische Tierschutzbund RSPCA hat alles auf der Seite, was man wissen muss. Einschließlich Telefonnummern, die man in einem Notfall anrufen kann. Ich checke die Sektion „verletzte Wildtiere“ und finde folgende Information:
Seien Sie vorsichtig, wenn Sie sich wilden Tieren nähern, da sie aus Angst kratzen und beißen können – besonders wenn sie verletzt sind. Wenn es nach dem Beobachten aus sicherer Entfernung möglich ist, das verletzte Tier zu einem nahe gelegenen Tierarzt oder Wildtierpfleger zu bringen, rufen Sie zuerst an, um sicherzustellen, dass das Tier untersucht und behandelt werden kann.
Wenn Sie eines dieser Tiere verletzt sehen, halten Sie einen sicheren Abstand, fassen Sie es nicht an und transportieren Sie es nicht:
Reh
Seehund
Wildschwein
Otter
Dachs
Fuchs
Schlange
Raubvögel (einschließlich Eulen)
Schwan
Gans
Reiher
Möwe
Ich stelle mir vor, wie der Mann und ich gemeinsam versuchen, ein Wildschwein in den Fiat Panda zu bekommen und muss grinsen.
Draußen taucht wieder der grauen Kopf den unglücklichen Tiers auf. Zeit für die Rettungskräfte, denke ich, rufe an und schildere den Notfall. Die Frau am anderen Ende der Leitung ist sehr nett, fragt nach und lässt mich erklären.
„Gehen Sie auf keinen Fall näher an das Tier heran. Seehunde sind gefährlich und haben scharfe Zähne. Ein ausgewachsenes Tier kann bis zu 300 Pfund wiegen und über einen Biss üble Krankheiten übertragen“, sagt die freundliche Schottin.
Oha, denke ich. Gut, dass ich nicht rausgewatet bin.
Ich gebe ihr unseren Post Code und sie checkt den Computer.
„Wir können Ihnen einen wildlife officer schicken. Das sind freiwillige Wildpfleger. Aber ich weiß nicht, ob ich sie an einem Sonntag gleich erreiche. Ich versuche es. Falls ja, kann sie in einer halben Stunde bei Ihnen sein“ erklärt die Frau vom Tierschutzbund.
„Und was macht die Wildpflegerin dann?“ möchte ich wissen. Wie will die ein derart schweres Tier transportieren?
„Oh, sie transportiert das Tier nicht“, erklärt die Tierschützerin am Telefon. „Sie hat eine Decke dabei. Die wirft sie dann über das Tier.“
Okay, denke ich. Wie kommt sie mit ihrer Decke zum Seehund? Und was passiert, nachdem sie sie Decke über ihn geworfen hat? Ich bin verwirrt.
Die nette Dame am anderen Ende erklärt: „Wir brauchen noch ein Boot, um näher an das Tier heranzukommen und einen Taucher, der sich dem Tier nähert und es möglicherweise losschneidet.“
Verstehe, die Decke kommt erst an Land zum Einsatz. Ich hatte vor meinem inneren Auge schon einen Deckenweitwurfwettbewerb am Strand gesehen. Ein bisschen wie mit den Ringen am Jahrmarkt. Und der arme Seehund mittendrin.
Der RSPCA kann eine Taucherin organisieren, aber die kommt aus Portree. Das sind neunzig Minuten, wenn die Straßen frei sind. Hoffentlich hält das Tier so lange durch. Das Wasser steigt, die Flut kommt. Was, wenn es ihm nicht mehr gelingt, die Nase über der Oberfläche zu halten. Dann stirbt das Tier. Man hört ja immer wieder davon. Wale, die qualvoll verenden, weil sie sich in Netzen verfangen haben und so. Wir müssen uns beeilen!
Die Taucherin ist vom BDML, dem British Divers Marine Life Rescue, auch sie ist auf freiwilliger Basis unterwegs aber ausgebildet für solche Fälle. Wahnsinn!
Fehlt nur noch das Boot. Inzwischen hat mir die Frau vom RSCPA (gibt es eigentlich auch Männer bei der Rettung von Seehunden?) die Nummer der Taucherin und die der Deckenwerferin geschickt. Ich lege eine WhatsApp Gruppe seal in distress an und poste die Bilder, die der Mann gemacht hat. Alle sind unterwegs. Und noch haben wir kein Boot. Unseres ist im Winterschlaf und nicht seetauglich. Es ist Anfang Februar, um diese Jahreszeit hat hier kaum jemand sein Boot im Wasser. Außer der Fischer im Nachbarort, der hier ihm Loch seine Reusen ausgelegt hat. Ich habe keine Nummer von ihm, aber von seiner Lebensgefährtin. Die rufe ich an. Nur leider, wie ich tags darauf feststelle, geht sie sonntags nicht ans Telefon. Sie ist Künstlerin, wahrscheinlich zieht sie sich da zurück.
Woher ein Boot kriegen? Der Mann weiß auch keinen Rat.
„Was ist mit der Fischfarm?“ frage ich. „Die haben doch mehrere dieser schnellen Boote.“
„Ja“, bestätigt der Mann. „Die arbeiten auch an einem Sonntag. Aber ob gerade die einen Seehund retten wollen? Die Seehunde attackieren die Lachse. Ich nehme an, die Jungs von der Fischfarm sind nicht gut auf sie zu sprechen.“
Dann muss ich sie eben davon überzeugen, denke ich. Die Jungs von der Fischfarm (obwohl ausgewachsene Männer hier nur als fish farm boys bekannt) sind unsere einzige Hoffnung, wenn wir den Seehund retten wollen.
Gerade taucht seine Schnauze wieder aus dem Wasser auf. Ich stelle mir fest, wie die Flosse in Takelage oder alten Seilen festhängt, vielleicht ist er ja auch verletzt. Ich hole den Schlüssel und fahre zur Fischfarm. Dort angekommen ist alles wie ausgestorben. Wo sind denn alle? Die arbeiten doch sonst immer sonntags. Normalerweise stehen um die zehn Auto auf dem Parkplatz, außer einem grünen Range Rover ist der heute leer. Einer ist also da. Aber wo. Ich hoffe er ist nicht draußen an den Netzen, da kann ich ihn nicht erreichen.
Ich klopfe an beiden Türen am Haus. Kein Laut, keiner macht auf. Ich lächle dümmlich in die Sicherheitskamera. Keine Reaktion. Ich schaue mich um. Auf der anderen Seite der Straße, da wo die ganzen Maschinen und Gabelstapler stehen, ist eine große Lagerhalle. Vielleicht ist da jemand.
„Hallo? Ist da jemand?“
Habe ich tatsächlich den Horrorfilm Satz gerufen?
Die Tür geht auf und ein Bilderbuchfischer tritt heraus. Etwa ein Meter achtzig groß, schlank, weiße Harre, weißer Bart, wie frisch aus der Werbung für wasserdichte Funktionskleidung. Er trägt gelbe HellyHansen Hosen über einem Norwegerpullover und eine blaue Stickmütze. Fast schon zu perfekt, um wahr zu sein, denke ich.
Als er spricht, muss ich mir ein Lächeln verkneifen. Mit leiser Stimme, die so gar nicht zu dem Seemannslook passt, und in sehr gewähltem Englisch, frägt er mich höflich nach meinen Begehr. Er lächelt freundlich und ich erkläre ihm den Notfall.
„Ich habe auch Fotos“, sage ich. Nicht dass er denkt, ich habe das alles erfunden.
„Darf ich die mal sehen?“
Das muss der höflichste Fischer/Fischfarmarbeiter Schottlands sein.
Ich nicke und zeige ihm die Fotos aus meine Handy. Jetzt nickt auch er.
„Habe ich mir gedacht“, sagt er. „Das ist Boris.“
„Boris?“ echoe ich etwas ratlos. Meint er wie Boris Johnson?
„Ja, genau wie der. Und er hat eine kleine Freundin, die heißt Nicola, wie Nicola Sturgeon“, ergänzt er.
Die Jungs von der Fischfarm haben den Seehunden Namen von Politikern gegeben!
„Ich bin übrigens Alan“, durchbricht seine zarte Stimme meine Gedanken und auch ich stelle mich vor.
„Du musst die keine Sorgen machen, Nellie. Das macht Boris immer so. Er bleibt oft für eine Weile an einer Stelle und schaut, ob sich eine Gelegenheit bietet. Wir haben im Moment keine Fische in den Tanks. Die neuen kommen erst in ein paar Tagen. Deshalb sind hier auch keine anderen Mitarbeiter. Wahrscheinlich ist er einfach nur hungrig und will gefüttert werden. Die Jungs hier füttern ihn, obwohl sie das nicht sollten. Und nun wartet er darauf, dass ihr ihm was gebt. Aber ich komme gerne mit und schau es mir an.“
„Mit dem Boot? Es sind nur wenige Meilen bis zu uns. Ich erkläre ihm, wo wir sind.“
„Nein, es ist zu windig. Da kann ich nicht alleine raus und es ist niemand da, der mich retten könnte, wenn was passiert. Die offenen Boote sind nicht ungefährlich. Aber ich bin mir sicher, das wir kein Boot brauchen. Das ist nur Boris, der Hunger hat.“
Okay, denke ich. Haben wir hier eine Riesenpanik wegen nichts veranstaltet? Oh je.
Ich schreibe der Taucherin und der Teppichfrau, das es vermutlich eine Entwarnung gibt, wir das aber noch einmal überprüfen wollen. Die Taucherin wollte gerade ins Auto steigen und losfahren. Die Teppichfrau ist gerade beim Mann am Strand angekommen. Wenig später treffen auch Alan und ich ein. Und Boris ist immer noch da. Dann schaut er Alan mit dunklen Augen an, senkt den Kopf und gleitet geschmeidig in den Wellen davon.
Die Schweinebacke hat uns nur was vorgespielt!
Alan bleibt noch eine Weile und sucht mit seinem Fernglas das Meer ab. Die sehr nette Teppichfrau, die mit ihren grauen langen Haaren wie ein aus den Siebzigern entflohener Hippie aussieht, steigt wieder in ihr Auto und fährt nach Hause. Wir entschuldigen uns ausgiebig, aber sie will nichts davon hören.
„War nett, euch kennengelernt zu haben“, sagt sie und fährt davon. „Schönen Sonntag noch!“
Ich hätte gerne den Teppich gesehen. Dann verabschiedet sich auch Alan.
Der Mann und ich sind allein. Seal in distress! Von wegen!
Am nächsten Abend klopft es an unserer Küchentür. Ich öffne und aus dem Gartendunkel tritt Alan hervor.
„Hallo, ich wollte euch nur sagen, dass wir heute Boris gesehen haben. Es geht ihm gut.“
Dan dreht er sich um und geht freundlich winkend zurück zu seinem Auto.
Also mal ehrlich. Man möchte nie ein Tier in Not sehen, aber in Schottland verbindet es die Menschen und schafft neue Freundschaften. Und nun reden wir über Boris als gehöre er zur Familie.
„Hallo Schatz, ich habe Boris heute Morgen gesehen.“
„Ist das Boris da draußen?“
„Boris war heute da?“
Was Boris wohl über uns denkt?
Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf!
Nach den ersten Erfahrungen mit den Highlands habe ich das erste Buch geschrieben: Abenteuer Highlands – mein etwas anderes Leben im schottischen Hochland. Damals noch ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass es vielleicht mehrere geben könnte.
Die Jahre gingen ins Land und die Abenteuer wurden nicht weniger. Deshalb, und weil ich immer wieder gefragt wurde, ob es nicht bald einen zweiten Teil von Abenteuer Highlands gäbe, habe ich ihn geschrieben. Abenteuer Highlands 2.0 – zwischen Schwarzwald und Schottland – alles, was ein Doppelleben in zwei Ländern aufregend und erzählenswert macht.
Nun ist Abenteuer Highlands offiziell eine Serie und der nächste Band in Arbeit: Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf! Ende 2023 als Taschenbuch und eBook bei Amazon verfügbar.
Es ist ein wunderschöner Sommertag. Ich sitze auf der Terrasse und arbeite in der Sonne. Vor mir glitzert das Meer in tiefem Indigo, Vögel zwitschern, neben mir murmelt der Bach. Aus der Ferne taucht ein rotes Auto auf. Ah, die Post! Ich erwarte ein Paket. Die Postbotin hat es eilig und keine Zeit für einen Plausch. Sie drückt mir ein kleines Päckchen in die Hand und fährt weiter. Komisch, denke ich. Ich hätte gedacht, es ist größer. Ich erwarte ein Buch. Vielleicht hat der Mann auch was bestellt und es ist gar nicht für mich.
Ich prüfe das Etikett und stutze. Das steht wohl Nellie aber nicht Erkenbach, sondern ein anderer Name: Schneider. Wer zum Teufel ist Nellie Schneider??
Bei genauerer Prüfung der Adresse fällt mir auf, uns unterscheidet nur eine Hausnummer. Die andere Nellie ist meine Nachbarin, d.h. sie muss in dem knapp drei Kilometer entfernten Cottage wohnen, in dem Jane vor ihrem Tod mit ihrem Mann gelebt hat. Wir hatten uns damals kennengelernt, weil ihr Hund mich gebissen hatte. Wohnt nun eine Deutsche in dem Haus? Hier in den Highlands? Sie wäre trotz der Entfernung meine direkte Nachbarin. Und trug die ausgerechnet den Namen Nellie? Kann nicht sein! Oder doch? Ich dachte, da sei ein Schotte eingezogen.
Ich starre das Paket an. Wenn ich es mir recht überlege, dann habe ich des Öfteren ein deutsches Auto mit einem deutschen Kennzeichen vor dem Haus stehen sehen und automatisch angenommen, dass es sich um Besuch handelt. Doch der Besuch bekommt Post. Das sieht doch eher nach einem langfristigen Arrangement aus.
Schluss mit den Vermutungen ermahne ich mich selbst und schnappe die Autoschlüssel. Das sehe ich mir genauer an. Möglicherweise braucht sie das Päckchen ja auch dringend. Ich bin nur hilfsbereit und natürlich überhaupt nicht neugierig! Ich? Niemals!
Fünf Minuten später gehe ich die Auffahrt meiner Nachbarn hinauf. Aus dem Wintergarten klingt Musik und der Lärm eines Staubsaugers. Da scheint jemand gerade zu putzen. Noch bevor ich etwas sehen kann, erklingt ein Bellen und ein großer Hund rast auf mich zu.
Here we go again, denke ich, die ich Hunde sehr mag, mich aber an die Zähne des letzten, der hier lebte noch sehr gut erinnern kann. Der neue freut sich über mein Auftauchen und wedelt ein Willkommen. Dann sehe ich, wer mit dem Staubsauger zugange ist. Die Frau hat mir den schmalen Rücken zugedreht und nicht gehört, dass ich komme.
„Hallo!“ sage ich auf Deutsch und füge ein „Nicht erschrecken!“ hinzu. Schließlich hat sie mich hinter sich nicht erwartet. Sie dreht sich um und sieht mich verblüfft an.
„Bist du Nellie?“ frage ich und strecke ihr das Paket entgegen.
„Ja“, sagt sie und lächelt offen.
„Ich auch“ sage ich und muss lachen.
„Wie, du auch?“
„Na, ich heiße auch Nellie“, sage ich „Ich bin deine Nachbarin.“
Jetzt lachen wir beide und der Hund freut sich mit uns: „Das ist Emma“, stellt Nellie uns vor.
Wir scheuen uns an und können es beide nicht fassen. Zwei deutsche Frauen mit demselben, nicht gerade häufigen Vornamen sind hier in den Highlands Nachbarinnen. Wir sind beide blond, sie aber deutlich zierlicher als ich. Die andere Nellie ist zehn Jahre jünger, aber wir entdecken schnell, dass wir viel Gemeinsamkeiten haben. Sie ist ebenfalls mit einem Schotten zusammen, sie fährt Motorrad und sie geht gerade durch genau die gleichen Erfahrungen, wie ich damals, als ich neu hier war und meinen Blog Abenteuer Highlands begonnen habe, um die irgendwie loszuwerden.
Viel Zeit habe ich allerdings nicht für einen ausführlichen Austausch. Ich bin in der Mittagspause und muss wieder zurück zur Arbeit in meine Hütte.
„Wollen wir uns demnächst mal auf einen Kaffee treffen?“ frage ich. „Ich bin nur noch ein paar Wochen da, dann gehe ich erst mal wieder für eine Weile wieder nach Deutschland.
„Sehr gerne“, erwidert meine Doppelgängerin und wir tauschen Telefonnummern aus. Fühlt sich komisch an, wenn man einen Kontakt anlegt, der den gleichen Namen trägt. Das ist mir noch nicht untergekomen.
Seitdem es am Loch zwei Nellies gibt, passieren immer wieder einmal Verwechslungen. So traf die Arbeitgeberin der anderen Nellie eines Tages John, die Post, der nun seinen Ruhestand genießt und in dem Ort wohnt, in dem Nellie arbeitet. Die beiden plauderten ein wenig und die Chefin erwähnte, dass sei eine neue Köchin habe.
„Sie heißt Nellie und macht ihre Sache sehr gut. Eine Deutsche. Wohnt drüben, auf der anderen Seite des Lochs.“
John, die Post nickte und ergänzte stolz.
„Ja, die kenne ich. Ihr Haus lag auf meiner Route. Sie hat ein Buch geschrieben, in dem ich vorkomme.“
„Ein Buch?“ wunderte sich die Hotelbesitzerin über die erstaunlichen Qualifikationen ihrer Köchin, nichtsahnend, dass es jetzt zwei Nellies gibt.
„Wer hätte das gedacht!“
Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf!
Nach den ersten Erfahrungen mit den Highlands habe ich das erste Buch geschrieben: Abenteuer Highlands – mein etwas anderes Leben im schottischen Hochland. Damals noch ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass es vielleicht mehrere geben könnte.
Die Jahre gingen ins Land und die Abenteuer wurden nicht weniger. Deshalb, und weil ich immer wieder gefragt wurde, ob es nicht bald einen zweiten Teil von Abenteuer Highlands gäbe, habe ich ihn geschrieben. Abenteuer Highlands 2.0 – zwischen Schwarzwald und Schottland – alles, was ein Doppelleben in zwei Ländern aufregend und erzählenswert macht.
Nun ist Abenteuer Highlands offiziell eine Serie und der nächste Band in Arbeit: Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf! Ende 2023 als Taschenbuch und eBook bei Amazon verfügbar.
Die BBC hat im Vorfeld Dokumentationen, Filme, Fotos und Artikel über Artikel zur Krönung veröffentlicht. Infos zum offiziellen Gericht (Pie), zur Musik, der Kleidung, der Anzahl der Soldaten, wer an der Zeremonie teilnimmt und so weiter und so weiter. Auf Blogs, Vlogs und Social Media sehe ich unzählige Menschen viele Tage zuvor die Straßen in London säumen und Tee trinken, von überall weht der Union Jack.
Was mich als Wahlschottin aber interessiert, ist der Stein von Scone (sprich Skuhn). Zu dem schrieben die Kollegen der BBC in London Folgendes:
Der stone of destiny, der Stein des Schicksals oder der Bestimmung, kehrt zum ersten Mal seit mehr als einem Vierteljahrhundert nach England zurück, wo er unter strengen Sicherheitsvorkehrungen eine Schlüsselrolle bei der Krönung spielt. Im Edinburgh Castle fand am Donnerstag vor der Krönung eine besondere Zeremonie statt, um den legendären Stein zu feiern, der zu einem Symbol der schottischen Nation geworden ist, aber 700 Jahre lang in der Westminster Abbey untergebracht war. Seine Reise nach Süden begann mit einer Prozession, angeführt vom Lord Lyon King of Arms, dem Vertreter des Monarchen in Schottland und von First Minister Humza Yousaf in seiner Eigenschaft als Hüter des Großen Siegels von Schottland.
Interessante Interpretation, denke ich. In Schottland sieht man das eher anders.
Der stone of destiny, der Stein des Schicksals, wird seit Jahrhunderten bei der Krönung von Monarchen und der Amtseinführung schottischer Könige verwendet. Traditionell reisten die Monarchen nach Scone, um dort gekrönt zu werden.
Die früheste Verwendung des Steins und wie und wann genau er zur Investition von Königinnen und Königen in Verbindung gebracht wurde, ist unbekannt. Unzweifelhaft aber ist, dass er stark mit dem Königtum und der Entstehung Schottlands als Nation in Verbindung steht. Der letzte schottische König, der in Scone auf dem Stein gekrönt wurde, war John Balliol im Jahr 1292. Danach beschlagnahmte ihn in der englische König Edward I von England und nahm ihn mit nach London als Kriegstrophäe und Zeichen über seine Herrschaft über Schottland.
Somit erneuert jeder englische König, der auf dem Stein gekrönt wird, seinen Anspruch auf Schottland. In London.
Aber was wäre ein bedeutender schottischer Krönungs-Stein, ohne ein paar abenteuerliche Geschichten, die sich um ihn ranken.
Am Weihnachtstag 1950 war er in einer rebellischen Nacht-und-Nebel-Aktion von den Studenten Ian Hamilton, Gavin Vernon, Kay Matheson und Alan Stuart aus der Abtei von Westminster entwendet und heimlich zurück nach Schottland und in die Abtei von Arbroath gebracht worden. Natürlich holte man ihn wieder nach London. Erst im November 1996 wurde der Stein nach siebenhundert Jahren offiziell an Schottland zurückgegeben.
Doch ist der Stein wirklich „der“ Stein? Viele glauben, dass es sich nur um eine Kopie handelte. Die Mönche in der Abtei von Scone sollen, so die Theorie, dem englischen Eroberer einen simplen Sandstein aus ihrem Steinbruch übergeben und den echten Stein des Schicksals, wahrscheinlich aus Basalt oder Marmor, versteckt haben. Leider auch unauffindbar versteckt, weil Edward I alle Mönche nach der Übergabe töten ließ. Ob er wusste, dass sein Stein eine Kopie war? War das der Grund für die totale Vernichtung aller möglichen Zeugen? Möglich aber zugegeben hätte er es nie.
Apropos zugeben. Als Staatsanlass wird die Krönung von der britischen Regierung bezahlt. In der aktuellen Situation (nach Brexit und in der Lebenshaltungskostenkrise, der sogenannten cost of living crisis) unter Druck, wird erwartet, dass die Regierung die Zeremonie als wichtige diplomatische Gelegenheit nutzt, um das Vereinigte Königreich der Welt zu präsentieren. Der Betrag, den es die Regierung kosten wird, wird erst nach der Veranstaltung bekannt gegeben, heißt es bei der BBC.
Der Betrag, den es die Regierung kosten wird? Ich ersetze das Wort Regierung mit Steuerzahler. Die königliche Familie ist der größte Grundbesitzer der Welt und die Krönung zahlt das Volk?
Ich mag den Gedanken an Könige, an schottische Könige der Vergangenheit, wo das Sozialgefüge ein anderes war. Ich liebe Macbeth, nicht zuletzt wegen Shakespeares Drama. Ich bin fasziniert von William I und seiner Frau, von Alexander III, der auf dem Weg zu seiner jungen Frau in der Nacht mit dem Pferd von den Klippen stürzte, vom heldenhaften Robert, The Bruce und dem unglückllichen Charles. In diesem Falle Charles Edward Stuart, den zähle ich mal mit und natürlich von der tragischen Mary, Queen od Scots. Alles Königinnen und Könige Schottlands. Alle Geschichte.
Der Mann und ich werden jedenfalls keine Fähnchen schwingen oder gar Wimpel aufhängen. Und wenn ich mich hier bei den Nachbarn umschaue, sind wir nicht die einzigen, die so denken.
Und der Stone of Destiny?
Ich habe meine eigenen „Schicksalssteine“ am Strand, in den Bergen und Tälern. Auf die setze ich mich gerne mit einem Kaffee in der Hand, und schaue aufs Meer und in die Natur. Friedlich und kostengünstig. Glück und Frieden sind so viel mehr wert als eine Königskrone.
Alba gu bràth!
Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf!
Nach den ersten Erfahrungen mit den Highlands habe ich das erste Buch geschrieben: Abenteuer Highlands – mein etwas anderes Leben im schottischen Hochland. Damals noch ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass es vielleicht mehrere geben könnte.
Die Jahre gingen ins Land und die Abenteuer wurden nicht weniger. Deshalb, und weil ich immer wieder gefragt wurde, ob es nicht bald einen zweiten Teil von Abenteuer Highlands gäbe, habe ich ihn geschrieben. Abenteuer Highlands 2.0 – zwischen Schwarzwald und Schottland – alles, was ein Doppelleben in zwei Ländern aufregend und erzählenswert macht.
Nun ist Abenteuer Highlands offiziell eine Serie und der nächste Band in Arbeit: Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf! Ende 2023 als Taschenbuch und eBook bei Amazon verfügbar.
Einen Stalker zu treffen, wenn man allein im Wald unterwegs ist, wird in den meisten Ländern der Welt sicher ein unheimliches, unangenehmes oder gar gefährliches Unterfangen sein. Das gilt natürlich nicht für die schottischen Highlands. Ist doch klar! Hier ist es mal wieder ein Abenteuer.
Ich bin unterwegs in einer Gegend, in der ich sonst eher selten wandere und will einen Rundweg testen, den ich in einem Buch gesehen habe. Er soll tolle Blicke auf die Insel Skye und die Applecross Halbinsel bieten. Ich stelle also das Auto an der vorgesehenen Stelle ab und mache mich auf den Pfad, der bald sehr steil bergauf führt. Der Pfad ist sumpfig, manchmal ist er ein Bach und wenn er weder schlammig ist noch überflutet ist, dann führt er über rohen Fels.
Der Wald steht dunkel, dicht und unheimlich. Obwohl es ein recht schöner Morgen ist, fühlt sich alles klamm und düster an. Okay, könnte zum Teil auch an meiner Sonnenbrille liegen, aber sonnig und launig ist es auch ohne nicht. Es wird auch nicht besser im Laufe der weiteren Kilometer. Die fantastischen Blicke auf die Insel Skye und die Applecross Halbinsel gibt es, aber nur, wenn man einer der Tannen erklimmt oder zehn Meter hoch springen kann. Ich verzichte und bleibe blicklos. Schade eigentlich!
An der ersten Gabelung weist ein Schild den Weg, doch schon an der nächsten ist keine Beschilderung mehr vorhanden. Links oder geradeaus? Ich wähle geradeaus und kämpfe mich einen weiteren steilen Weg den Berg hinauf. Doch dieser ist zur Abwechslung breit und trocken. Es tut gut, nicht jeden Schritt genau setzen zu müssen, sondern einfach mal laufen zu können. Nach rund zwei Kilometern aber hört der Weg einfach auf. Um mich herum nur die dichte Tannen einer Plantage. Das war wohl nicht der richtige Weg. Mist!
Auf dem Weg nach unten sehe ich zum ersten Mal den Ausblick und ein riesiges chinesisches Frachtschiff im Meer. Was das wohl hier zu suchen hat? Ich beschließe unten an der Kreuzung den anderen Pfad zu nehmen, was sich kurz darauf als ebenso falsch herausstellt, denn der endet oberhalb einiger Klippen. Wie ich später erfahre, muss der Pfad, den ich gesucht habe, irgendwo dazwischen abgehen. Ich bin zweimal daran vorbei gelaufen, ohne ihn zu sehen.
Ich weiß, Sonnenbrille im Wald!
Gerade als ich umdrehen und wieder zurückgehen will, beginnt das Abenteuer.
Ein großes weißes Auto kommt in einer Lichtung auf mich zu. Man nennt sie hier teuchter wagon (sprich: Tuchter Wäggen), teuchter ist Scots und bezeichnet die Menschen in den Highlands, meist die gälisch sprechenden Highlander und impliziert Farm, Vieh und natürlich schlammiges Offroad-Terrain. Der Man steigt aus, sieht mich kurz an und sagt:
„Du bleibst jetzt besser hier stehen!“ Er zeigt auf einen Platz am linken Kotflügel. „Sonst wirst du gleich umgerannt.“
Ich frage wovon, doch da hat er sich schon rufend mit einem Sack in der Hand um die nächste Kurve verabschiedet, während er den Inhalt des Sacks am Weg entlang streut.
Ich stünde allein am Auto, wäre da nicht der kleine, schwarze Jagdterrier, der mich freudig begrüßt und sich dann zwischen meine Beine stellt und wie ich gespannt nach vorne blickt.
Was droht mich denn umzurennen? Hat der Hund auch Angst? Dann sehe ich sie. Eine Herde Rotwild, Rehe und Hirsche, kommt auf mich zugerast, mindestens dreißig Tiere, wunderschön, aber auch verdammt groß. Ich halte tapfer die Stellung, obwohl sie mit tempo bis auf eine Wagenlänge auf mich zukommen. Nicht zuletzt, weil der kleine Hund die für ihn riesigen Tiere völlig ignoriert. Er wollte sich also mit mir anfreunden und sich nicht verstecken. Na, wenn der sich nicht fürchtet, kann ich das wohl auch nicht! Cool überblicke ich die Herde. Wie gut, dass ich die Sonnenbrille an habe!
Dann kommt der Mann wieder zurück. Er ist ganz in Jägergrün gekleidet und wie sich schnell herausstellt, ist er der Stalker hier in dem Wald. Stalker sind so eine Mischung aus Jäger und Wildhüter, ihre Hauptaufgabe besteht darin, Touristen zur Jagd zu führen. Dazu sind sie bei einem Großgrundbesitzer angestellt, der wiederum die Jagden für viel Geld anbietet. Toller Job, denke ich mir.
Der Terrier heißt Beagha (sprich: Brieh-ja), das ist Gälisch und bedeutet hübsch oder schön. Der Stalker und ich kommen ins plaudern.
Was ich so mache, fragt er.
„Ich bin Autorin.“
„Ah, toll“, sagt er. „Ich lese keine Bücher von Frauen. Außer Sachbücher. Aber keine Romane. Was für Bücher schreibst du?“
Wahrscheinlich ist Jagen Männersport, denke ich und frage mich, ob er mich nur aufzieht, oder es ernst meint. Bei den Schotten weiß man nie.
Ich habe ein Exemplar meines ersten Krimis im Rucksack, um ein paar Fotos zu machen für Social Media.
„Hier, das ist mein erster Krimi“, sage ich und lege ihn auf die Kühlerhaube.
„Tolles Foto. Ist das hier?“
„Skiary.“
„Was, unten in Loch Hourn?“
„Ja, genau. Du bist der Erste, der sofort weiß wovon ich rede, wenn ich Skiary sage.“
Und jetzt beginnt er zu erzählen. Wie es früher an die dreihundert Häuser am Südufer von Loch Hourn gab, als die Heringsfischerei boomte. Damals gab es sogar ein Pub in Skiary und in Barrisdale einen Gutsherren, der gerne seine Bauern folterte. Und von alten Gräbern erzählt er auf einer Insel im Meer. Ich könnte ihm stundenlang zuhören.
Plätzlich stupst mich was von hinten an die Schulter. Ein Hirsch. Statt des Geweihs hat er nur zwei kleine dunkle Knubbel auf dem Kopf. Die sehen sehr weich aus.
„Darf ich ihn anfassen?“
„Klar, sagt er. Nicht schnell, arbeite dich mit der Hand langsam nach oben.“
Hat er einen Namen?“ Vielleicht beruhigt ihn das, denke ich.
„Nein“, sagt der Stalker.
„Weil du ihn irgendwann mal isst?“ frage ich. Schließlich isst man nichts, was einen Namen hat.
„Nein. Wen er einen Namen bekommt, stirbt er“, sagte der Stalker und lässt mich etwas ratlos zurück. Ich vergesse aber völlig, nachzuhaken, weil ich inzwischen die Hörner anfasse, und die fühlen sich so ganz anders an, als ich gedacht habe. Richtiggehend heiß. Jetzt darf ich ihn auch ein wenig kraulen. Das Fell ist borstig und staubig, aber er riecht nicht.
Ein Stalker, eine Autorin und ein Hirsch
Der Stalker erzählt von deutschen Jägern und der Schönheit der bayerischen Gewehre, von Schwarzwälder Schinken und Touren für Touristen. Das muss ein richtiges Erlebnis sein, mit ihm in die Berge zu gehen.
Wir haben mindestens eine Stunde gequatscht und langsam verabschiede ich mich. Am Abend überlege ich mir, ob ich ein kurzes Video mit ihm auf Social Media posten soll. Ich schreibe ihm eine DM auf Insta und bekomme bald darauf Antwort:
Hallo Nellie, wie ich sehe hast du einige Bücher geschrieben, nicht nur den Krimi. Selbstverständlich kannst du das Video posten, wenn du magst. Ich habe es wirklich genossen, mit dir zu sprechen, auch wenn du eine Frau bist, die Romane schreibt. Ich muss es unserer Bibliothekarin sagen.
Was den dritten Band der Highland Crime Serie angeht: Du könntest auch den Stalker ermorden! LOL
Hm, denke ich und erinnere mich an ein schottisches Sprichwort: What’s fur ye will no go by ye. Was geschehen soll, wird geschehen.
Den Stalker ermorden? I might just do that! LOL
Coming soon
Highland Crime Band 2: Im Dunkel von Skye
Ich habe ein Leben lang leidenschaftlich gerne Krimis gelesen und 2021 meinen ersten geschrieben: Schatten über Skiary, Band 1 der Highland Crime Serie um DI Robert Campbell und die deutschen Übersetzerin Isabel Hartmann. Der Krimi spielt in Glenelg und an einem der abgelegensten Orte Lochabers – Skiary.
In Band 2 finden die Ermittlungen auf der Isle of Skye statt.
DI Robert Campbell genießt seinen Motorrad-Urlaub an der schottischen Westküste. Übersetzerin Isabel, Issy, Hartmann ist auf der Insel Skye, um Gälisch zu lernen. Am Sabhal Mòr Ostaig College stößt sie unvermittelt auf einen ungeklärten Todesfall.
Starb die Studentin wirklich eines natürlichen Todes? Issy hat ihre Zweifel und stellt Nachforschungen an. Wer im Sprachkurs könnte ein Motiv gehabt haben? Und wie war es gelungen, die Tat zu verschleiern?
Weil Isabel Hartmann ihn um Hilfe bittet, nimmt sich DI Robert Hartmann inoffiziell des Falls an. Doch dann gibt es einen weiteren Toten, der offensichtlich mit den ursprünglichen Ermittlungen in Verbindung steht. Unvermittelt wird Isabel von der Hobbydetektivin zu einer Verdächtigen.
Im April 2023 mache ich meinen inzwischen fünften Gälischkurs am Sabhal Mòr Ostaig College auf der Isle of Skye. Es ist in vielerlei Hinsicht jedes Jahr aufs Neue ein Erlebnis. Zwei Jahre habe ich ausgesetzt, wegen der Pandemie und weil dann die Termine nicht gepasst hatten. Die cùrsaichean goirid, die Kurzkurse für schottisches Gälisch, finden in den Oster- und den Sommerferien statt, wenn die regulären Studenten und Dozenten Ferien machen. Dann kommt eine ganz besondere kleine Gemeinde zusammen, um in die gälische Kultur einzutauchen und die Sprache zu lernen.
Ersteres ins der pure Spaß, Letzteres manchmal ziemlich anstrengend, weil diese keltische Sprache eine eher ungewöhnliche Grammatik hat. Mir scheint aber, dass wir Deutsche damit weniger zu kämpfen haben als die Engländer und Schotten im Kurs, die mit Englisch als Muttersprache aufgewachsen sind. Sie haben in der Regel wenig Grammatik in der Schule vermittelt bekommen und kämpfen deshalb nicht nur mit der neuen Sprache, sondern auch mit der Frage, was ein Dativ ist.
Die Kurzkurse reichen von Level 1 bis Level 10. Danach sollte man fähig sein, auf Gälisch zu kommunizieren. Sie dauern jeweils fünf Tage und beinhalte Unterrichtseinheiten von 9:30 – 16:30 Uhr. Mittwochs und freitags sind die Tage kürzer. Mitte der Woche findet traditionell ein Cèilidh statt, denn Gesang, Tanz und Musik sind ein wichtiger Bestandteil der gälischen Kultur und soll so auch in den Kursen vermittelt werden. Jede Klasse tritt an dem Abend auf, jede mit einem Lied. Die Gesangsklasse von Christine Primrose trägt natürlich mehrere vor, wenn die Akkordeon- oder Geigenklassen stattfinden, gibt es Musik. In diesem Jahr gab es auch Stepptanz.
Unser Lied war Gur Tu Mo Chruinneag Bhoidheach (sprich: Gür tu mo chrunjägg wohjöchgg). Ein sogenannter waulking song, also ein traditionelles Lied, das Frauen beim Walken des nassen Tweeds gesungen haben. Gälisch 5 war mit vier Männern und zwei Frauen am Start. Wir haben also den waulking song entgendert. Wie progressiv! Der Abend war wie immer ein echtes Erlebnis, das sicher viele nachvollziehen können, denn ich bin nicht die einzige Deutsche, die die Lieder von Runrig und Capercaillie liebt und so gerne verstehen möchte, von was oder wem da so schön gesungen wird. Bei unserem Song ging es ganz romantisch darum, was ein Mann alles zu tun bereit ist, um das Herz seiner Geliebten zu gewinnen, also Sterne vom Himmel holen, den Herzog überzeugen und solche Dinge.
Stolz und glücklich wie ich war, hab ich das natürlich auch auf Social Media verkündet. Die Welt muss schließlich wissen, dass diese Autorin einen schottischen Gälisch-Kurs belegt hat. Ich habe also ein kleines Video mit dem Handy gedreht. Am ersten Tag strahlte die Sonne über dem Sound of Sleat, alles war klar und blau und wunderschön. Die weißen Gebäude des College, das direkt am Meer liegt, dahinter die Bergketten von Knoydart – es ist atemberaubend schön. Donnie Munroe, ehemals Leadsänger von Runrig vertritt die Rektorin, die in Urlaub ist und hält im Kreise des Lehrpersonals die Willkommensrede. Das muss man einfach teilen.
Ich teile das Reel auf Facebook und Instagram und erhalte einige Kommentare. Offensichtlich haben es einige in Deutschland ebenfalls in Erwägung gezogen, einen derartigen Kurs zu machen. Ein Kommentar fällt mit besonders auf, weil mir dort jemand schreibt, dass sie auch schottisches Gälisch lernt, aber in Bonn bei Michael Klevenhaus. Der ist ein international anerkannter Experte der gälischen Sprache und hat zu meiner unendlichen Erleichterung eine gälisch-deutsche Grammatik verfasst. Ich schreibe der Userin zurück und bitte sie, sich in meinem Namen bei ihm zu bedanken für die Erstellung des so hilfreichen Lehrwerks.
Als ich am nächsten Tag die Nachrichten und Kommentare auf meinen Social Media Accounts checke, falle ich aus allen Wolken. Michael Klevenhaus hat sich persönlich ins Gespräch eingemischt: Gern geschehen. Ich sitze bei der Eröffnungsrede in einem Video übrigens ganz links, schreibt er. Er unterrichtet ebenfalls einen Kurzkurs. In der ersten Kaffeepause finden wir zusammen. Außer uns beiden sind noch zwei weitere Deutsche in den Kursen unterwegs.
In meinem sind ein Österreicher, der schon seit Ewigkeiten auf der Insel lebt, ein Schotte von der Black Isle und ein betuchter Engländer aus Shropshire, der im Norden der Insel ein Cottage gekauft hat. Und dann ist da noch die Rentnerin aus Fife, die im Turm wohnt. Der Turm ist der wunderbare Wohntrakt mit atemberaubendem Blick aufs Meer. Hm, denke ich. Genau, was ich brauche. Ich frage, ob ich mir mal ihr Zimmer ansehen dürfte. Sie schaut mich etwas verwirrt an und ich hole zu einer etwas längeren Erklärung aus.
„Ich bin Autorin und schreibe unter anderem Krimis. Gerade schreibe ich Band zwei meiner Highland Crime Reihe und der spielt genau jetzt und heute hier am College auf Skye. Eine der Hauptfiguren ist die deutsche Übersetzerin Isabel Hartmann, die hier auf einen mysteriösen Todesfall stößt. Sie wohnt im Zimmer einer Kursteilnehmerin, die verstorben ist und Isabel Hartmann glaubt im Gegensatz zu den Behörden nicht, dass es sich damals um einen natürlichen Todesfall gehandelt hat. Wäre es möglich, dass ich mir dein Zimmer mal genau ansehe, damit ich es im Buch auch korrekt beschreiben kann? Ich wohne ja nicht auf dem Campus, sondern komme täglich von zuhause.“
Ich kann es in ihrem Gesicht sehen. Sie ist alles andere als erfreut über mein Ansinnen und ich verfolge es nicht weiter. Ich kann verstehen, dass man keine Fremde auf seinem Zimmer haben möchte. Das ist schließlich ein privater Bereich. Vielleicht hat sie auch nicht aufgeräumt. Für den Rest der Woche erwähne ich mein Anliegen nicht mehr. Ich kann mir auch über die Bilder auf der Homepage einen Eindruck von den Räumlichkeiten verschaffen. Das ist gut, wenn auch nicht perfekt. Ein persönlicher Eindruck ist immer besser.
Als wir uns freitags verabschieden, wagt sie sich vorsichtig aus der Deckung.
„Du wolltest doch mein Zimmer sehen, für deinen Krimi, oder?“
„Ja gerne. Toll!“
Erfreut folge ich ihr zum Turm und aufs Zimmer. Alles ist so spartanisch wie ich es mir über die Bilder erschlossen habe, aber die Möbel sind relativ neu und der Blick ist in der Tat einfach fantastisch. Ich würde den ganzen Tag nur aus Meer starren, wäre ich in einem der Zimmer im Turm untergebracht. Ich bedanke mich herzlich und wir gehen gemeinsam wieder aus dem Zimmer. Doch ein Mittagessen in der Kantine, bevor sich unsere Wege wieder trennen. Ich mache noch ein letztes Foto von der Zimmertür und stecke das Handy ein. Sie sieht mich nachdenklich an.
„Und du schreibst genau über dieses Zimmer?“ fragt sie.
Ich nicke.
„Ja. Meine Hauptfigur wird genau hier wohnen. Soll ich deine Zimmernummer im Buch verwenden?“ frage ich. „Das ist dann ein kleiner Insider, nur für dich.“
Sie sieht mich entsetzt an.
„Auf keinen Fall. Ich habe die ganze Woche schlecht geschlafen, weil in dem Bett ja wohl jemand umgekommen ist“, sagt sie, ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei dem Todesfall um reine Fiktion handelt.
Ich lächle so leise wie weise.
The pen is mightier than the sword.
Die Feder ist mächtiger als das Schwert. Ganz besonders in der gälischen Kultur.
Coming soon: Highland Crime Band 2
Ich habe ein Leben lang leidenschaftlich gerne Krimis gelesen und 2021 meinen ersten geschrieben: Schatten über Skiary, Band 1 der Highland Crime Serie um DI Robert Campbell und die deutschen Übersetzerin Isabel Hartmann. Der Krimi spielt in Glenelg und an einem der abgelegensten Orte Lochabers – Skiary.
In Band 2 finden die Ermittlungen auf der Isle of Skye statt.
DI Robert Campbell genießt seinen Motorrad-Urlaub an der schottischen Westküste. Übersetzerin Isabel, Issy, Hartmann ist auf der Insel Skye, um Gälisch zu lernen. Am Sabhal Mòr Ostaig College stößt sie unvermittelt auf einen ungeklärten Todesfall.
Starb die Studentin wirklich eines natürlichen Todes? Issy hat ihre Zweifel und stellt Nachforschungen an. Wer im Sprachkurs könnte ein Motiv gehabt haben? Und wie war es gelungen, die Tat zu verschleiern?
Weil Isabel Hartmann ihn um Hilfe bittet, nimmt sich DI Robert Hartmann inoffiziell des Falls an. Doch dann gibt es einen weiteren Toten, der offensichtlich mit den ursprünglichen Ermittlungen in Verbindung steht. Unvermittelt wird Isabel von der Hobbydetektivin zu einer Verdächtigen.
Glen Affric – eine der letzten ursprünglichen Regionen Schottlands. Der Caledonian Pine Forest ist legendär und geschützt. Ein einsames Tal, in dem die Natur bewahrt wird, so, wie sie über Jahrtausende war. Das wahre, das alte Schottland. Und, so heißt es oft, das wohl schönste Tal des Landes.
Ich bin unterwegs zu diesem legendären Waldschutzgebiet. Es ist noch nicht Frühling, aber ein Hoch beschenkt uns mit ein paar klaren, sonnigen Tagen, die Sorte Wetter, bei dem man auf gar keinen Fall im Haus oder in der Schreibhütte bleiben kann. Man muss raus und wohin, wenn nicht in die letzte Wildnis Schottlands: Glen Affric.
Bei Visitscotland klingt das so: Glen Affric ist eine magische Mischung aus einheimischen Wäldern, glitzernden Seen und geheimnisvollen Moorlandschaften. Zahllose Meilen alter Pinien, der größte alte kaledonische Pinienwald in Schottland. Beim Wandern zwischen uralten Bäumen begleitet das zwitschernde Rufen der Waldvögel. Fischadler, Otter oder Prachttaucher warten darauf, beobachtet zu werden. Der Herbst kleidet Glen Affric in ein Farbenmosaik, in dem das Röhren der Rothirsche widerhallt.
Nicht schlecht, denke ich. Es ist schon viele Jahre her, dass ich das letzte Mal da war. Damals auf einem Motorradausflug, was das Wandern deutlich eingeschränkt hatte. Nun habe ich das richtige Schuhwerk und die Sonne, die einen Tag in einer so wunderbaren Gegend erst besonders macht. Auch wenn ich auf das Röhren der Rothirsche verzichten muss, es ist Winter, da röhrt nichts.
Es ist ein wahres Fest, durch den Sonnenschein zu fahren. Wir hatten ziemliche usseliges Wetter zuletzt und der Körper saugt die Sonne förmlich auf. Doch – was ist das? Ich erreiche Loch Ness und sehe vereinzelte Wolken am Himmel. Wolken? Alle Wetterapps haben überall grenzenlosen Sonnenschein in Schottland versprochen. In Drumnadrochit ziehen sich die vereinzelten Wolken zu einer farblosen Decke zusammen und als ich endlich Glen Affric erreiche ist es kalt und trüb wie immer in den letzten Tagen. Überall drumherum ist Sonnenschein und ich beschließe, ausgerechnet hier zu wandern.
Die Sonne setzt sich bestimmt auch hier bald durch, denke ich, und setze meinen Weg fort. Ich muss ja schon auf das Röhren der Rothirsche verzichten, da brauche ich wenigstens Sonne! Der Anblick der atemberaubenden Scots Pines entschädigt für Vieles. Was für majestätische Bäume!
Nach eineinhalb Stunden bin ich endlich da. Der Dog Falls Parkplatz, von dem aus mehrere Wanderrouten abgehen. Es sieht aus, als würde es jeden Moment regnen. Vor mir erstreckt sich … leider nicht die große Natur, sondern ein Schilderwald. Achtung Bauarbeiten. Vorsicht, schweres Gerät. Achten sie auf ihre Sicherheit. Was ist denn hier los?
Es ist Winter und der Parkplatz wird neu hergerichtet und die sensiblen Grasflächen geschützt. Der Parkautomat hält Winterschlaf, aber überall sind Bagger und LKW geparkt. Es sieht aus wie auf einer Großbaustelle. Einen uralten Wald habe ich mir anders vorgestellt. Aber hey, denke ich mir, sei mal nicht zu voreilig, du bist ja erst am Parkplatz. Ein Schild weist die unterschiedlichen Pfade aus und es gibt sogar eine Karte zum Mitnehmen. Sehr organisiert! Eine kleine Hütte ist auch da. Wohl für den Ranger. Aber der hat auch Winterpause. Alles zu. Ich mache mich auf den roten Pfad. Der führt keine zehn Meter parallel zur Straße, auf der mit viel Lärm die Baustellenfahrzeuge entlangbrettern. Der Pfad selbst ist geteert. Ich nehme mal an, dass von April bis Oktober hier die Hölle los ist und die Waldwege den Ansturm nicht bewältigen. Aber das Gefühl von wilder Ursprünglichkeit will sich auf deinem solchen Pad natürlich nicht einstellen. Dann wieder ein Schild: Achtung. Straße. Ja, denke ich. Habe ich gehört.
Nach einer Weile führt ein Pfad, ich bin inzwischen auf dem gelben unterwegs, von der Straße weg und es wird ruhiger. Jetzt ist er auch nicht mehr geteert, sondern schmal und natürlich. In der Saison wird man hier bei Gegenverkehr sicher oft warten und ausweichen müssen. Haben die von der Forestry Commission deshalb die Pfade mit Farben markiert und die Richtung angegeben. Damit alle wie Lemminge in dieselbe Richtung laufen. Wobei, Lemminge gibt es nur in der Arktischen Tundra und ich bin ja im ursprünglichen kaledonischen Pinienwald.
Bald komme ich zu einem einsamen kleinen Wildsee namens Coire Loch, sehr schön gelegen und offensichtlich ein Paradies für Insekten. So erklärt mir das eine der vielen Tafeln, die hier hinter jedem zweiten Baum stehen hinter jedem dritten Stelen für die Kinder-Bespassung, hölzerne Otter zum aufklappen und so. Ich bin froh, dass ich jahreszeitenbedingt das Insektenparadies verpasse und versuche all die anderen Bemühungen, mich zu informieren und zu erziehen zu ignorieren, weil ich ja in der ursprünglichen Wildnis des kaledonischen Pinienwalds unterwegs bin und ich das wahre, alte Schottland erfahren möchte. Im Moment hat es mehr dem Charme von Waldlehrpfad beim Schulausflug. An steilen Stellen hat man hier sogar Steintreppen angelegt. Wie im Kurpark!
Plötzlich mehr Schilder. Vorsicht, Waldarbeiten! Das kenne ich nun aus dem Schwarzwald zur Genüge. Doch dort handelt es sich in der Regel um Baumfällarbeiten. Hier stoße ich zunächst auf einen Haufen geparkte Transporter, und dann auf eine Gruppe junger Männer, die mit Baggern, Rüttlern und Teermaschinen die wilde Natur von Glen Affric zähmen. Sie tragen Leuchtwesten und Ohrschutz und schreien sich Kommandos entgegen. Sie sind ja auf einer Baustelle. Ich glaub, mich knutscht mein Elch!
Endlich wieder zurück im Auto genieße ich die Ruhe und den Blick auf noch mehr Schilder.
Glen Affric – eine der letzten ursprünglichen Regionen Schottlands? Das wahre, das alte Schottland? Wo die Hirsche röhren und uralte Pinien von lange vergangenen Zeiten erzählen?
Schnell fahre ich wieder Richtung Loch Ness und zurück in die Sonne. Für heute habe ich genug ursprüngliche Wildnis.
Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf!
Nach den ersten Erfahrungen mit den Highlands habe ich das erste Buch geschrieben: Abenteuer Highlands – mein etwas anderes Leben im schottischen Hochland. Damals noch ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass es vielleicht mehrere geben könnte.
Die Jahre gingen ins Land und die Abenteuer wurden nicht weniger. Deshalb, und weil ich immer wieder gefragt wurde, ob es nicht bald einen zweiten Teil von Abenteuer Highlands gäbe, habe ich ihn geschrieben. Abenteuer Highlands 2.0 – zwischen Schwarzwald und Schottland – alles, was ein Doppelleben in zwei Ländern aufregend und erzählenswert macht.
Nun ist Abenteuer Highlands offiziell eine Serie und der nächste Band in Arbeit: Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf! Ende 2023 als Taschenbuch und eBook bei Amazon verfügbar.
Das nationale Gesundheitssystem ist eine tolle Sache. Zumindest in der Theorie. In der Praxis waren die Wartezeiten in den Notaufnahmen nie länger, die Krankenschwestern und Pfleger nie unzufriedener und die jungen Ärzte streiken für mehr Geld, um zumindest die Inflation ausgleichen zu können. Dazu hat jede Menge Personal im Gesundheitswesen das Land nach dem Brexit verlassen oder verlassen müssen. Die Lage ist also angespannt und ich merke zum ersten Mal ganz direkt, was das bedeutet.
Wir sitzen eines Abends gemütlich auf den Couch. Okay, manche von uns sitzen, andere liegen eher. Ich knabbere Erdnüsse und habe auf einmal so ein komisches Gefühl im Mund. Ich gehe der Sache auf den Grund und stelle fest, dass mir ein Stück Backenzahn abgebrochen ist. Ein kleines Stückchen Rest-Zahn ist noch übrig um die riesige und uralte Amalgam-Füllung. Die eingerissene Ecke hat scharfe Kanten und ist so was von nervig. Ich brauche einen Zahnarzt.
Kann ja nicht so schwer sein, denke ich. Schließlich habe ich ja auch einen Hausarzt hier. Ich muss mich nur bei einem Zahnarzt registrieren und um einen Termin bitte. Ich bin auch bereit zu warten. Kein Problem.
Stellt sich heraus, so einfach ist es natürlich nicht. Eine Zahnarztpraxis hier in der Gegend hat geschlossen, die andere gibt es noch, aber die nimmt keine neuen Patienten an. Also ziehe ich meine Kreise weiter. Ist ja nicht so schlimm, wenn man zum Zahnarzt mal eine Stunde fahren muss. Von mir aus auch zwei Stunden. Ist will das ja nicht regelmäßig machen. Aber auch die Praxen weiter weg nehmen keine Patienten mehr an. Ich schreibe Mails, telefoniere, gehe undurchsichtige Listen im Internet durch.
Der Mann hat sein hab-ich-dir-ja-gleich-gesagt Gesicht aufgesetzt und schweigt wissend. Er kennt das Problem mit den Zahnärzten. Kinder, Rentner und Sozialhilfeempfänger bekommen Termine. Die anderen müssen zu privaten Zahnärzten, was bedeutet, man muss alles bezahlen. Das kann es doch nicht sein, denke ich, und forsche weiter.
Eine Sprechstundenhilfe in einer Praxis in Dingwall rät mir, die Zahnarzt Hotline des NHS anzurufen. Vielleicht können die weiterhelfen, sagt sie. Bei einer Hotline anrufen ist nicht gerade weit oben auf meiner Liste der lustigen Zeitvertreibe, aber ich mache es trotzdem und bin auch gleich auf Warteplatz 1. Das wird mein Tag, ich hab es im Gefühl!
Bald habe ich eine nette Schottin am Ohr, die sich meine Geschichte anhört und mir erklärt, dass ich eigentlich keine Berechtigung für einen Nottermin habe. Dann geht sie die Standard-Frageliste mit mir durch.
Nein, ich habe keine Allergie. Nein, ich bin nicht herzkrank. Nein, mein Blutdruck ist nicht zu hoch … Das geht ein paar Minuten so weiter, dann sagt sie:
„Aber die scharfen Kanten reiben im Mund und das verletzt doch die Zunge, oder? Ich schau mal, was ich machen kann. Ich melde mich in zehn Minuten wieder.“
Als sie meine Adresse aufgenommen hat, hat sie gesagt, sie kommt auch aus der Gegend. Damit habe ich offensichtlich einen Bonus, denn nicht zehn, sondern maximal eine Minute später klingelt das Telefon wieder.
Ich habe einen Termin in der nächstgelegenen Praxis, in der sie mal gearbeitet hat. Das ist eine gute halbe Stunde entfernt. Passt.
Dann gilt es ein paar logistische Problem zu lösen, denn ich kann zu der Zeit das Auto nicht haben, weil der Mann da schon eingeplant ist, den Knirps von der Schule abzuholen und in dessen Haus Babyzusitten. Beide Termine kollidieren und wir müssen einiges schieben. Aber ich schaffe meinen und treffe die Zahnärztin.
Eine Frau Ende fünfzig, klein, untersetzt, jovial und eine Arzthelferin Ende zwanzig warten in einem großen Raum auf mich, in dem etwas verlassen ein Zahnarztstuhl steht. Wände und Decken sind in diesem blassen Gelbton gestrichen, den der NHS überall zu verwenden scheint. Von der ganzen Technik die man sonst in einer deutschen Zahnarztpraxis sieht, den aufgereihten sterilisierten Geräten, dem Licht, dem Spülbecken, ist nicht zu sehen. Nur dieser Stuhl und an der Wand ein paar Regale. Es könnte auch eine große, vergilbte Küche sein. Aber die beiden Frauen sind superfreundlich und sehr sympathisch.
Die Zahnärztin geht mit mir nochmals dieselben Fragen durch wie die Frau am Telefon und erklärt mir, dass die einst ihre Arzthelferin war. Dann besieht sie sich den Schaden und berichtet.
„Die Füllung ist gebrochen, scheint aber noch fest zu sein. Die kommt aber früher oder später auch. Wir können ein Provisorium draufmachen. Mit etwas Glück hält es eine Weile. Mehr kann ich nicht tun, Nellie. Du bist ja nur ein Notfall und keine Patientin.“
Ich verstehe. Eine Übergangslösung ist okay für mich. Ich habe keinerlei Schmerzen und kann gut damit leben. Der erste Versuch scheitert, aber im zweiten bleibt das Provisorium an der Stelle, an der es sein soll.
Sollte ich eines Tages eine Praxis finden, die bereit ist, mich aufzunehmen, dann könnte man das richtig machen lassen, erklärt die Zahnärztin. Kronen gibt es beim NHS, aber nur aus Amalgam. Weiße Kronen kann man nur privat machen lassen. Oder ziehen. Das macht der NHS auch. Wie mir der Mann später berichtet, scheint das die gängige Praxis zu sein, bei Problemen mit den Zähnen. Ziehen geht schnell und ist billig. Zahnreinigung, Pflege oder kosmetische Gesichtspunkte gibt es nicht in einem Gesundheitssystem, das derart zu kämpfen hat, wie das im Vereinigten Königreich.
„Und ich dachte, ich bekomme einen Goldzahn, hier“, scherze ich.
Die Zahnärztin blickt glückselig in meinen Mund und beginnt, von der Schönheit der Goldzähne zu schwärmen, seiner Farbe, die in geringer Konzentration fast schon silbrig scheint und sich geschmeidig und elegant an die anderen Zähne anschmiegt.
Ich glaube, sie würde auch lieber Gold anpassen, als Zähne ziehen, weil es billiger ist. Diese Zahnärztin ist auf Gold-Entzug.
Ich behalte meinen Zahn, das Provisorium hält und ich gehe zufrieden wieder aus der Praxis. Zuerst muss ich aber £6,20 bezahlen, Zuzahlung zur Behandlung.
Am nächsten Abend sitzen der Mann und ich wieder auf der Couch und schauen eine französische Krimiserie. Gedankenlos greife ich zu den Erdnüssen und schwupps – ist das Provisorium wieder raus. Und nun? Es sind noch über drei Monate, bis ich wieder in Deutschland und heraus aus der Dentalwüste bin. Wieder in die Hotline und erneut zur Praxis fahren scheint mir dann doch zu umständlich, solange ich keine Schmerzen haben.
„Das kann man auch selbst machen“, rät der Mann.
Echt? Ich schaue nach und finde Temparin Max Home Dental Repair Kit for repairing lost fillings and loose caps, crowns or inlays – 12+/ 13+ Repairs (package may vary). Klingt doch gut, denke ich und bestelle das. Das ist in zwei Tagen da und kostet mit £4,60 ganze £1,60 weniger als der Besuch bei der Zahnärztin.
Was wäre der nationale Gesundheitsdienst NHS ohne Amazon?
Versuch nicht, den Leuten etwas beizubringen, was sie bereits wissen – mit anderen Worten, sei kein Klugscheißer. Und der Teil mit den Eiern? Der ist ein Hinweis darauf, dass ältere Schotten früher oft wenige gesunde Zähne hatten und nur weiche Nahrung wie Eier essen konnten.
Diese schottische Redewendung bringt mich unweigerlich zu der Pfannkuchen Geschichte. Da spielen zwar auch Eier eine Rolle, aber keine Sorge, niemand hat an rohen Eiern gesaugt. Bäh! Was für eine gruslige Vorstellung!
Wie zuletzt häufig, ist der Enkel des Mannes bei uns. Ich habe bereits im letzten Buch (Abenteuer Highlands 2.0) über den Krümel geschrieben. Inzwischen ist er sechs Jahre alt und natürlich kein Krümel mehr. Ich bekäme einen vorwurfsvollen Blick, wenn ich das behaupten würde. Als er noch ein Krümel war, hat er alles gegessen was man ihm vorgesetzt hat: Obst, Gemüse, alles. Nun, als Steppke, ist er wählerisch geworden. Dies isst er nicht und das auch nicht und Karotten nur roh, aber nicht gekocht. Tomaten dagegen nur auf der Pizza oder im Ketchup, aber nicht roh.
Der Kurze nähert sich immer mehr dem Mann an, der Obst und Gemüse ja nur mit höchster Vorsicht begegnet. Die beiden frühstücken Berge von Würstchen mit Eiern, während ich mein Müsli löffle. Das ist doch doof und ich schlage vor, ob wir nicht alle zusammen Pfannkuchen essen wollen, mit Früchten und Ahornsirup. Der Mann hat nichts dagegen, weil dann nicht er in die Küche muss, sondern ich, um das Frühstück zu machen. Der Kurze überlegt für eine Weile und entscheidet sich dafür.
„Ich habe keine Pfannkuchen am Pfannkuchen Tag bekommen“, sagt er vorwurfsvoll und wohl in der Hoffnung, dass ich wegen der kulinarischen Versäumnisseein ernstes Wörtchen mit seiner Mutter rede.
Der Pfannkuchen Tag wird hier im Vereinigten Königreich begangen, weil sie kein Faschingsdienstag haben und die Fastenzeit hier im öffentlichen Leben keine Rolle spielt. In Deutschland kennt man ja auch die Faschingskrapfen. Wenn auch eher nicht zum Frühstück.
Der Kurze hat also eine Pfannkuchen Unterversorgung und ich machen mich dran, Abhilfe zu schaffen. Schnell mixe ich die Zutaten, hebe das geschlagene Eiweiß unter und gebe den Teig und in die Pfanne. Als die ersten fertig sind, lade ich sie auf zwei Teller, garniere mit Früchten und weise auf den Ahorn Sirup und das Zimt-Zucker-Gemisch hin, das auf dem Tisch steht, um wieder in der Küche zu verschwinden und den Rest auszubacken.
Als ich mit der nächsten Ladung wieder zurück am Tisch bin, starrt der Kurze trotzig auf seinen Teller. Er hat die Pfannkuchen nicht angerührt. Der Mann versucht ihn gerade davon zu überzeugen, dass man sie sehr wohl essen kann und sie sehr lecker sind, aber nein, er isst sie nicht.
„Was stimmt denn nicht, mit meinen Pfannkuchen?“ frage ich. Ich kann keinen Fehler entdecken.
„Sie sind nicht in der richtigen Form“, trotzt der Kleine und ich weiß sofort, was er meint.
Seine Generation kennt Pfannkuchen als perfekte, runde Gebäckstücke, gestapelt und mit Sirup übergossen. Meine sind zwar rund, aber keine perfekten Kreise. Form und Aussehen aber gehen ihm vor Inhalt.
Nichts leichter als das“, sage ich und nehme seinen Teller mit in die Küche. Dort steche ich mit den runden Ausstech-Formen für Hilda Plätzchen die runden Pfannkuchen zu perfekten Kreisen und serviere sie erneut. Der Kurze ist zufrieden und isst. Ich esse die ausgestochenen Ränder. Heimlich. In der Küche.