Drei Chinesen

Dies ist keine Geschichte über einen Kontrabass und vielleicht ist es nicht einmal eine Geschichte über drei Chinesen, es könnten dem Aussehen nach zu urteilen auch drei Japaner oder drei Koreaner gewesen sein. Ich habe sie nicht sprechen hören. Gehen wir aber mal von drei Chinesen aus.

Es war eine kleine Familie, der Vater stämmig aber nicht dick mit Brille, die Mutter etwas älter als ihr Mann, schmal, mit aufmerksamem Blick, den man der Tochter nun nicht nachsagen konnte. Der Teenager blickte leicht dümmlich unter dem Schirm einer Basecap hervor, die sie nicht aufgesetzt hatte, sondern die auf ihrem Kopf balancierte. Sie hatte diesen schlurfenden Gang der heranwachsenden Unlustigkeit.

Der Vater führte seine beiden Frauen gerade von Zapfsäule 6 zu Zapfsäule 7 und murmelte irgendeine Erklärung, während Mutter und Tochter bewundernd auf die Zapfsäule blickten. An der Zapfsäule wurde nicht getankt. Was also gab es da zu sehen?

Ich zucke gedanklich mit den Schultern und stecke den Tankstutzen ein, ich tanke in der Reihe neben den Tankstellentouristen und frag mich, was an einer völlig normalen schottischen Zapfsäule denn so Bewundernswertes ist, dass gleich drei Menschen von einem anderen Kontinent sie bestaunen.

Der Vater nickt seinem Gefolge zu und macht sich entspannt und zielgerichtet in meine Richtung auf. Aha, denke ich. Der will bestimmt nur zuschauen, wie es geht und sehe mich verstohlen nach einem Auto um, das von niemandem betankt wird und folglich den Chinesen gehören muss. Es gibt keines. Was also wollen die drei?

Die Kleingruppe hat mich inzwischen erreicht und der Vater blickt mich kurz an. Ich lächle ihm freundlich entgegen, mein Blick fragt, ob er Hilfe braucht. Vollständiges Ignorieren ist die Antwort. Er geht an mir vorbei und betrachtet gemeinsam mit seiner Familie mich und meine Zapfsäule als wäre ich ein Affe im Zoo mitsamt seinem Kletterbaum. Denen würde man ja auch nicht zunicken oder sie gar grüßen.

Ich ziehe meine Augenbrauen hoch aber noch bevor ich etwas sagen kann, fällt mein Blick  durch die Glasfront des Gebäudes auf den Kassierer, der hat die Szenen beobachtet, lacht und zuckt die Schultern. Ich lache zurück.

Die Familie aus China zieht weiter zur nächsten Tanksäule ihrer Bewunderung. Mein Tank ist voll und ich schreite zum Bezahlen. Kaum komme ich an die Kasse sagt der Kassierer lachend:

„Fragen sie mich nicht. Die machen das schon eine ganze Weile.“

Ich reiche ihm meine Kreditkarte.

„Die wollen vielleicht wissen, wie man tankt und brauchen Hilfe.“ rätsle ich.

„Nein.“ sagt der Tankwart. „Die wollen nur schauen.“

Wir lachen beide und während er mir die Treuepunkte auf die Kundenkarte bucht, geht das Triumvirat aus Fernost auf die Suche nach weiteren touristischen Highlights in Fort William.

Vergesst Ben Nevis, Inverlochy Castle oder die Whiskly Destillery! Genießt den Zauber der Morrison Tankstelle.

Komischer Urlaub denke ich, den die Chinesen da machen, als ich wieder zurück zum Auto gehe. Aber wer bin ich, dass ich darüber urteile? Schließlich fotografiere ich Friedhöfe in meinem.

Liebe Leser,

dieser Blogpost muss leider ohne Bilder auskommen. Zum einen darf man an Tankstellen in Schottland das Telefon nicht benutzen, zum anderen hat natürlich jeder das Recht an seinem eigenen Bild.

Ich hoffe Ihr hattet trotzdem Spaß!

Slàinte,

Nellie

 

13 Gedanken zu “Drei Chinesen

  1. Herrliche Geschichte.
    Ich selbst war ja bei unserem Aufenthalt in Schottland schon sehr verwundert das ich gar keine asiatischen Touristen gesehen hatte. Ich komme aus einer schönen, alten Stadt, da sind sie in Heerscharen unterwegs.
    Aber in Edinburgh hab ich sie dann doch noch in gewohnter Art angetroffen, in einer großen Reisegruppe .
    Gerade die Asiaten, aber auch die Amerikaner sind immer ganz erstaunt wie viel Technik es doch tatsächlich schon in Europa gibt.
    In den Häusern in der Altstadt, in der ich arbeite, gibt es sogar Badezimmer und Toiletten in den Häusern. Danach hatte nämlich ein Tourist mal einen Stadtführer gefragt😉

  2. Liebe Nellie,

    Ah, jetzt musste ich erstmal meine Pipes & Drums ausschalten und herzhaft lachen 😁😁😁😁😁

    Ganz klar, dass war eine verdeckte Werksspionage
    Es fragt sich nur wer von den dreien der Spion ist. Der Vater kann es nicht sein, der muss zuviel erklären und reden.
    Die Mutter darf nicht, muss sich ja dem Mann unterordnen, also bleibt nur noch die Tochter.
    Bei den heutigen Teenagern kann das aber nur in die Hose gehen 😂😂😂

    So, jetzt schalte ich wieder meine Highland cathedral an und genieße fast schottisches Wetter, fehlt nur noch der Regen 😉😉

    Danke fürs lachen und dem Kopfkino, herrlich

    Ich wünsche dir einen wunderschönen Sonntag und liebe Grüße
    Kar

  3. Liebe Nellie,

    So, eigentlich habe ich heute Früh schon einen Kommentar geschrieben aber es ist scheinbar nichts angekommen oder wurde irgendwie gelöscht. Ich liebe Technik.
    Deinen heutigen Beitrag finde ich wieder zum Schießen. Genauso wie ich es von deinem Buch her kenne.
    Ich finde es herrlich, wie du mit viel Humor so alltägliche Situationen schilderst und du dich dabei auch über dich selbst lustig machst (Deine Vorliebe für Friedhöfe).

    Wenn ich so einen Beitrag lese, dann erwacht in mir die Sehnsucht auf Teil zwei deiner Abenteuer. Ich weiß, dass deine „Reise Inspirationen“ momentan Vorrang haben aber wie sieht es eigentlich mit denen aus?
    Danach könntest du nämlich bald wieder zu Teil zwei übergehen…

    So ich genieße jetzt weiterhin den Anblick von besoffenen Touristen (ich liebe das Oktoberfest) die vermutlich ihr Hotel nicht finden oder nicht mal wissen in welcher Stadt sie sich aufhalten…

    Einen schönen Sonntag dir
    Andi

    • Lieber Andi,
      und ich dachte schon, du wärst wieder vom Rad gefallen!
      Aber im Ernst. du hattest nun schon mehrfach Probleme, das tut mir sehr leid. Vielleicht kannst du es das nächste Mal dokumentieren, dann werde ich mich an dem WordPress Support wenden.
      Schließlich sind mir deine Kommentare wichtig!

      Teil 2?? Du hast doch hier im Blog schon alles gelesen. Viel mehr passiert in meinem Leben auch nicht 😉 Das wird wirklich noch dauern.

      Oktoberfest! Du Armer!

      Liebe Grüße und danke,
      Nellie

      • Also wirklich, ich und vom Rad fallen?

        Naja, ganz abwegig ist das ja nicht, letztes Mal bin ich wirklich fast gestürzt nachdem ich mein Rennrad von der Werkstatt geholt habe (mal ein paar Sachen reparieren lassen und so eine Art Kundendienst machen) und diese Idioten mir nicht gesagt hatten, dass sie die Bremsen generalüberholt hatten (war möglicherweise nach 31 Jahren doch mal nötig😝). Auf jeden Fall bin ich fast über den Lenker geflogen nachdem ich an der Ampel gebremst habe weil ich nicht erwartet hatte, dass die Bremsen so heftig wirken…. Was so ein paar neue Bremsseile und Bremsklötze für Auswirkungen haben…

        Ich weiß nicht ob das mit der Technik an mir liegt (würde mich allmählich auch nicht mehr wundern) oder an deiner Seite. Oder vielleicht mag mich einfach deine Seite nicht…
        Ich werde dich sicherlich auf dem Laufenden halten – Soweit ich dir natürlich schreiben kann…

      • Zur Not kannst du ja auch an meine E-Mail-Adresse schreiben. Du gerätst also nie in Vergessenheit!
        Also, immer vorsichtig auf dem Rad. Ich fühle mich in der Tat sehr weise, keines zu besitzen wenn ich dir so zu höre beziehungsweise lese.
        Hab noch einen schönen Abend, liebe Grüße, Nellie

      • Naja, du fährst ja schon auch Zweirad… Halt mit Motor. Auch nicht ganz ungefährlich😉. Und du weißt ja – im Alltag gibt es so viele gefährliche Dinge, es gibt Leute die fallen beim Rasenmähen von der Mauer😝…

        Oh so, jetzt muss ich ein paar Betrunkene aus dem Hof verscheuchen – die üben sich im Volkslied singen..

        So eine gute Nacht in den Schwarzwald.

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