Verloren in der Goldwüste

Das nationale Gesundheitssystem ist eine tolle Sache. Zumindest in der Theorie. In der Praxis waren die Wartezeiten in den Notaufnahmen nie länger, die Krankenschwestern und Pfleger nie unzufriedener und die jungen Ärzte streiken für mehr Geld, um zumindest die Inflation ausgleichen zu können. Dazu hat jede Menge Personal im Gesundheitswesen das Land nach dem Brexit verlassen oder verlassen müssen. Die Lage ist also angespannt und ich merke zum ersten Mal ganz direkt, was das bedeutet.

Wir sitzen eines Abends gemütlich auf den Couch. Okay, manche von uns sitzen, andere liegen eher. Ich knabbere Erdnüsse und habe auf einmal so ein komisches Gefühl im Mund. Ich gehe der Sache auf den Grund und stelle fest, dass mir ein Stück Backenzahn abgebrochen ist. Ein kleines Stückchen Rest-Zahn ist noch übrig um die riesige und uralte Amalgam-Füllung. Die eingerissene Ecke hat scharfe Kanten und ist so was von nervig. Ich brauche einen Zahnarzt.

Kann ja nicht so schwer sein, denke ich. Schließlich habe ich ja auch einen Hausarzt hier. Ich muss mich nur bei einem Zahnarzt registrieren und um einen Termin bitte. Ich bin auch bereit zu warten. Kein Problem.

Stellt sich heraus, so einfach ist es natürlich nicht. Eine Zahnarztpraxis hier in der Gegend hat geschlossen, die andere gibt es noch, aber die nimmt keine neuen Patienten an. Also ziehe ich meine Kreise weiter. Ist ja nicht so schlimm, wenn man zum Zahnarzt mal eine Stunde fahren muss. Von mir aus auch zwei Stunden. Ist will das ja nicht regelmäßig machen. Aber auch die Praxen weiter weg nehmen keine Patienten mehr an. Ich schreibe Mails, telefoniere, gehe undurchsichtige Listen im Internet durch.

Der Mann hat sein hab-ich-dir-ja-gleich-gesagt Gesicht aufgesetzt und schweigt wissend. Er kennt das Problem mit den Zahnärzten. Kinder, Rentner und Sozialhilfeempfänger bekommen Termine. Die anderen müssen zu privaten Zahnärzten, was bedeutet, man muss alles bezahlen. Das kann es doch nicht sein, denke ich, und forsche weiter.

Eine Sprechstundenhilfe in einer Praxis in Dingwall rät mir, die Zahnarzt Hotline des NHS anzurufen. Vielleicht können die weiterhelfen, sagt sie. Bei einer Hotline anrufen ist nicht gerade weit oben auf meiner Liste der lustigen Zeitvertreibe, aber ich mache es trotzdem und bin auch gleich auf Warteplatz 1. Das wird mein Tag, ich hab es im Gefühl!

Bald habe ich eine nette Schottin am Ohr, die sich meine Geschichte anhört und mir erklärt, dass ich eigentlich keine Berechtigung für einen Nottermin habe. Dann geht sie die Standard-Frageliste mit mir durch.

Nein, ich habe keine Allergie. Nein, ich bin nicht herzkrank. Nein, mein Blutdruck ist nicht zu hoch … Das geht ein paar Minuten so weiter, dann sagt sie:

„Aber die scharfen Kanten reiben im Mund und das verletzt doch die Zunge, oder? Ich schau mal, was ich machen kann. Ich melde mich in zehn Minuten wieder.“

Als sie meine Adresse aufgenommen hat, hat sie gesagt, sie kommt auch aus der Gegend. Damit habe ich offensichtlich einen Bonus, denn nicht zehn, sondern maximal eine Minute später klingelt das Telefon wieder.

Ich habe einen Termin in der nächstgelegenen Praxis, in der sie mal gearbeitet hat. Das ist eine gute halbe Stunde entfernt. Passt.

Dann gilt es ein paar logistische Problem zu lösen, denn ich kann zu der Zeit das Auto nicht haben, weil der Mann da schon eingeplant ist, den Knirps von der Schule abzuholen und in dessen Haus Babyzusitten. Beide Termine kollidieren und wir müssen einiges schieben. Aber ich schaffe meinen und treffe die Zahnärztin.

Eine Frau Ende fünfzig, klein, untersetzt, jovial und eine Arzthelferin Ende zwanzig warten in einem großen Raum auf mich, in dem etwas verlassen ein Zahnarztstuhl steht. Wände und Decken sind in diesem blassen Gelbton gestrichen, den der NHS überall zu verwenden scheint. Von der ganzen Technik die man sonst in einer deutschen Zahnarztpraxis sieht, den aufgereihten sterilisierten Geräten, dem Licht, dem Spülbecken, ist nicht zu sehen. Nur dieser Stuhl und an der Wand ein paar Regale. Es könnte auch eine große, vergilbte Küche sein. Aber die beiden Frauen sind superfreundlich und sehr sympathisch.

Die Zahnärztin geht mit mir nochmals dieselben Fragen durch wie die Frau am Telefon und erklärt mir, dass die einst ihre Arzthelferin war. Dann besieht sie sich den Schaden und berichtet.

„Die Füllung ist gebrochen, scheint aber noch fest zu sein. Die kommt aber früher oder später auch. Wir können ein Provisorium draufmachen. Mit etwas Glück hält es eine Weile. Mehr kann ich nicht tun, Nellie. Du bist ja nur ein Notfall und keine Patientin.“

Ich verstehe. Eine Übergangslösung ist okay für mich. Ich habe keinerlei Schmerzen und kann gut damit leben. Der erste Versuch scheitert, aber im zweiten bleibt das Provisorium an der Stelle, an der es sein soll.

Sollte ich eines Tages eine Praxis finden, die bereit ist, mich aufzunehmen, dann könnte man das richtig machen lassen, erklärt die Zahnärztin. Kronen gibt es beim NHS, aber nur aus Amalgam. Weiße Kronen kann man nur privat machen lassen. Oder ziehen. Das macht der NHS auch. Wie mir der Mann später berichtet, scheint das die gängige Praxis zu sein, bei Problemen mit den Zähnen. Ziehen geht schnell und ist billig. Zahnreinigung, Pflege oder kosmetische Gesichtspunkte gibt es nicht in einem Gesundheitssystem, das derart zu kämpfen hat, wie das im Vereinigten Königreich.

„Und ich dachte, ich bekomme einen Goldzahn, hier“, scherze ich.

Die Zahnärztin blickt glückselig in meinen Mund und beginnt, von der Schönheit der Goldzähne zu schwärmen, seiner Farbe, die in geringer Konzentration fast schon silbrig scheint und sich geschmeidig und elegant an die anderen Zähne anschmiegt.

Ich glaube, sie würde auch lieber Gold anpassen, als Zähne ziehen, weil es billiger ist. Diese Zahnärztin ist auf Gold-Entzug.

Ich behalte meinen Zahn, das Provisorium hält und ich gehe zufrieden wieder aus der Praxis. Zuerst muss ich aber £6,20 bezahlen, Zuzahlung zur Behandlung.

Am nächsten Abend sitzen der Mann und ich wieder auf der Couch und schauen eine französische Krimiserie. Gedankenlos greife ich zu den Erdnüssen und schwupps – ist das Provisorium wieder raus. Und nun? Es sind noch über drei Monate, bis ich wieder in Deutschland und heraus aus der Dentalwüste bin. Wieder in die Hotline und erneut zur Praxis fahren scheint mir dann doch zu umständlich, solange ich keine Schmerzen haben.

„Das kann man auch selbst machen“, rät der Mann.

Echt? Ich schaue nach und finde Temparin Max Home Dental Repair Kit for repairing lost fillings and loose caps, crowns or inlays – 12+/ 13+ Repairs (package may vary). Klingt doch gut, denke ich und bestelle das. Das ist in zwei Tagen da und kostet mit £4,60 ganze £1,60 weniger als der Besuch bei der Zahnärztin.

Was wäre der nationale Gesundheitsdienst NHS ohne Amazon?

In der Goldwüste verloren!

Von Eiern und Pfannkuchen

Pfannkuchen mit eingemachten Frückten Granola und Ahornsirup

Dinnae teach yer Granny tae suck eggs!

Versuch nicht, den Leuten etwas beizubringen, was sie bereits wissen – mit anderen Worten, sei kein Klugscheißer. Und der Teil mit den Eiern? Der ist ein Hinweis darauf, dass ältere Schotten früher oft wenige gesunde Zähne hatten und nur weiche Nahrung wie Eier essen konnten.

Diese schottische Redewendung bringt mich unweigerlich zu der Pfannkuchen Geschichte. Da spielen zwar auch Eier eine Rolle, aber keine Sorge, niemand hat an rohen Eiern gesaugt. Bäh! Was für eine gruslige Vorstellung!

Wie zuletzt häufig, ist der Enkel des Mannes bei uns. Ich habe bereits im letzten Buch (Abenteuer Highlands 2.0) über den Krümel geschrieben. Inzwischen ist er sechs Jahre alt und natürlich kein Krümel mehr. Ich bekäme einen vorwurfsvollen Blick, wenn ich das behaupten würde. Als er noch ein Krümel war, hat er alles gegessen was man ihm vorgesetzt hat: Obst, Gemüse, alles. Nun, als Steppke, ist er wählerisch geworden. Dies isst er nicht und das auch nicht und Karotten nur roh, aber nicht gekocht. Tomaten dagegen nur auf der Pizza oder im Ketchup, aber nicht roh.

Der Kurze nähert sich immer mehr dem Mann an, der Obst und Gemüse ja nur mit höchster Vorsicht begegnet. Die beiden frühstücken Berge von Würstchen mit Eiern, während ich mein Müsli löffle. Das ist doch doof und ich schlage vor, ob wir nicht alle zusammen Pfannkuchen essen wollen, mit Früchten und Ahornsirup. Der Mann hat nichts dagegen, weil dann nicht er in die Küche muss, sondern ich, um das Frühstück zu machen. Der Kurze überlegt für eine Weile und entscheidet sich dafür.

„Ich habe keine Pfannkuchen am Pfannkuchen Tag bekommen“, sagt er vorwurfsvoll und wohl in der Hoffnung, dass ich wegen der kulinarischen Versäumnisseein ernstes Wörtchen mit seiner Mutter rede.

Der Pfannkuchen Tag wird hier im Vereinigten Königreich begangen, weil sie kein Faschingsdienstag haben und die Fastenzeit hier im öffentlichen Leben keine Rolle spielt. In Deutschland kennt man ja auch die Faschingskrapfen. Wenn auch eher nicht zum Frühstück.

Der Kurze hat also eine Pfannkuchen Unterversorgung und ich machen mich dran, Abhilfe zu schaffen. Schnell mixe ich die Zutaten, hebe das geschlagene Eiweiß unter und gebe den Teig und in die Pfanne. Als die ersten fertig sind, lade ich sie auf zwei Teller, garniere mit Früchten und weise auf den Ahorn Sirup und das Zimt-Zucker-Gemisch hin, das auf dem Tisch steht, um wieder in der Küche zu verschwinden und den Rest auszubacken.

Als ich mit der nächsten Ladung wieder zurück am Tisch bin, starrt der Kurze trotzig auf seinen Teller. Er hat die Pfannkuchen nicht angerührt. Der Mann versucht ihn gerade davon zu überzeugen, dass man sie sehr wohl essen kann und sie sehr lecker sind, aber nein, er isst sie nicht.

„Was stimmt denn nicht, mit meinen Pfannkuchen?“ frage ich. Ich kann keinen Fehler entdecken.

„Sie sind nicht in der richtigen Form“, trotzt der Kleine und ich weiß sofort, was er meint.

Seine Generation kennt Pfannkuchen als perfekte, runde Gebäckstücke, gestapelt und mit Sirup übergossen. Meine sind zwar rund, aber keine perfekten Kreise. Form und Aussehen aber gehen ihm vor Inhalt.

Nichts leichter als das“, sage ich und nehme seinen Teller mit in die Küche. Dort steche ich mit den runden Ausstech-Formen für Hilda Plätzchen die runden Pfannkuchen zu perfekten Kreisen und serviere sie erneut. Der Kurze ist zufrieden und isst. Ich esse die ausgestochenen Ränder. Heimlich. In der Küche.

Hm, lecker!

Wähle deine Worte weise

Sommerzeit

„Oh, Schatz“, sage ich mit Blick auf den Kalender in meinem Telefon. „Das hätte ich fast verpasst. Am Wochenende beginnt die Sommerzeit.“

Der Mann runzelt ebenso misstrauisch wie spöttisch die Stirn.

„Ist März nicht ein bisschen früh für Sommer?“

Ich habe es wieder gemacht! Mal schnell so daher gesagt und nicht nachgedacht. Wenn mir das passiert, ist der Mann sofort mit einer Korrektur am Start.

Sommerzeit ist nicht summertime, sondern daylight saving time. Nur wenige nutzen das Wort summertime. Weiß ich eigentlich. Wieso sage ich es dann nicht? Ich war mit meinen Gedanken schon wieder zwei Ecken weiter.

„Wichtig ist ja nicht, ob die Bezeichnung das Wort Sommer beinhaltet oder nicht. Wichtig ist, dass die Uhren umgestellt werden!“ merke ich an.

Ich, die ich mit Wörtern meinen Unterhalt verdiene als Journalistin und Autorin, sollte etwas feinfühliger in meiner Wortwahl sein. Präziser. Denn hinter den Wörter stecken oft ganze Konzepte, die man mitdenken muss.

Für mich steht weder das Umstellen der Uhr noch der Prozess der Zeitumstellung eine Rolle bei der Sommerzeit. Für mich bedeutet die Umstellung Sommer, Licht und lange Tage. Für den Mann das praktische Umstellen der analogen Uhren, der Energiesparaspekt und die Implikationen, die das für sein Morgenfoto hat, bevor er zur Arbeit fährt. Zwei Konzepte eben.

Noch liegt Schnee auf dem Bergen, deshalb ist mir das Wort Sommer wahrscheinlich so wichtig. Der Winter zieht sich gefühlt ewig hin. Es ist Zeit für Wärme und Licht. Und gerne auch fürs Energiesparen. Horrend, was wir diesen Winter für Strom und Heizung bezahlt haben.

Viellicht ist daylight saving time ja doch kein so seltsames Konzept.

Also gut, ich gebe dem Mann recht. Aber nur hier und ganz leise. Ihr haltet dicht, oder?

Und außerdem: Es ist nie zu früh für Sommer! März hin oder her!

Halloween – Re-Post: Der Zauberer von Gordonstoun

Dies ist eine Geschichte über den Teufel, der eine Seele jagt und sie dann an den heiligen Boden von Birnie Kirkyard verliert. Dies ist ein Ort der Legenden, die Kirche selbst eine der ältesten in Schottland, die noch aktiv ist.

Christen beten hier seit dem 12. Jahrhundert und die Kelten haben noch einige Jahrhunderte zuvor hier ihren Glauben ausgeübt. Birnie war die Kathedrale des Bischofs von Moray, eine der wichtigsten Diözesen des katholischen Schottland unter König David I. Das Bistum endete mit der Reformation.

Aber zurück zum Teufel und zur Geschichte von Sir Robert Gordon, auch bekannt als der Zauberer von Gordonstoun, der hier 1704 starb, angeblich auf diesem Friedhof. Der Teufel war hinter ihm her und Gordon sprang in einer wilden Verfolgungsjagd über die Mauer, um sich zu retten und heiligen Boden zu erreichen. Ein sicherer Ort vor Teufel, der ihn verfolgte. Gordon rettete seine Seele, sein Leben jedoch nicht. Sir Robert Gordon brach sich den Hals, als er über die Kirchhofsmauer fiel.

Der angebliche Zauberer war der 3. Earl of Gordon und ein hochgebildeter Mann. Dies war zu der Zeit ein Grund für Verdacht. Gordon war eher ein Wissenschaftler als ein Spiritist. Er hatte in Italien studiert und fühlte sich den Menschen in Moray wahrscheinlich fremd. Die wiederum beschuldigten ihn, sich mit dem Teufel zu unterhalten, mit nackten Frauen zu tanzen und (am schlimmsten) keinen Schatten zu besitzen. Ein sicheres Zeichen, zu dieser Zeit, ein Zauberer zu sein. Die nackten Frauen schienen da nicht ganz so wesentlich ,aber immerhin nicht zu vernachlässigen.

Zu seinen Lebzeiten war er vor Strafverfolgung geschützt, schließlich war er der Earl und nicht nur einflussreich, sondern auch reich. Manch eine Frau hatte in den Tagen der Hexenjagden nicht so viel Glück wie Gordon.
Sehr wahrscheinlich war er nicht viel mehr als ein nerdiger und etwas seltsamer Wissenschaftler, aber für die Leute von Moray war Sir Robert Gordon ein Zauberer. Und er starb hier auf dem Kirchhof von Birnie im Jahr 1704.

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Zeitreise ohne Steinkreis

Fort George ist wieder einmal Gastgeber der Celebration of the Centuries. Von Samstag, 13. August 2022 bis Sonntag, 14. August 2022 werden Reenactors die mächtige Festung mit einer lebendigen Zeitleiste, die über zweitausend Jahre schottische Geschichte darstellt, zum Leben erwecken.

So die offizielle Ankündigung von Historic Scotland. Mehr Infos gibt es hier.

Aber wie fühlt sich das an? Diese schottische Zeitreise ganz ohne Steinkreis?

Celebration of the Centuries, Fort George (82)

von schottischen Schlachten und anderen schrägen Wochenendveranstaltungen

Sonntag war Zeitreisetag. Der Mann und ich sind früh aufgestanden und nach Norden gefahren, um in die Welt der Pikten, Kelten und Römer einzutauchen, um Mittelalter zu erleben und uns den Ersten und Zweiten Weltkrieg anzusehen. Alles hinter 12 Meter hohen Sandsteinmauern.

Celebration of the Centuries, Fort George (59)

Fort George, ein paar Meilen außerhalb von Inverness, der Hauptstadt der Highlands, gleich neben dem Flughafen. Eine Befestigungsanlage aus dem 18. Jahrhundert, gebaut von den Engländern um das aufrührerische Schottland nach dem gescheiterten jakobitischen Aufstand von 1745 zu befrieden.

Die Anlage dient heute noch als Garnison und beherbergt die Soldaten der sogenannten Black Watch, das 3. Bataillon des Royal Regiment of Scotland. Eine alte und hochdekorierte Einheit. Sie sind so was wie die Superstars der schottischen Militärgeschichte. Allerdings geht auch ihre Zeit in Fort George zu Ende.

Celebration of the Centuries, Fort George (12)

Am Wochenende war hier alles anders: Celebration of the Centuries. Für die Freunde längst vergangener Tage. Ein geschauspielerter Einblick in diverse Volksgruppen und Jahrhunderte – ein wenig wie Braveheart trifft die Ritter der Tafelrunde bevor der mit Indiana Jones dann Zurück in die Zukunft fliegt.

Sie waren alle da, die Schotten, die bei der Schlacht von Bannockburn 1314 einen ihrer wichtigsten Siege über die Engländer feierten.

Die Römer, die Britannien besetzten aber im Norden nach Schottland hin eine Mauer bauen mussten, um vor den wilden Pikten Ruhe zu haben.

Celebration of the Centuries, Fort George (18)

Die wiederum saßen friedlich und blau tätowiert am Feuer.

Celebration of the Centuries, Fort George (120)

Mittelalterliche Ritter pflegten Schwerter und Schilde. Die Frauen bereiteten die traditionellen Bannocks auf offenem Feuer zu.

Und die Soldaten hatte Weltkrieg.

Wir hatten nach drei Stunden und insgesamt 1500 Jahren Geschichte genug gesehen und gingen mit ein paar mittelalterlichen Bauern, einem Pestarzt und Soldaten mit Hellebarden dem Ausgang entgegen.

Celebration of the Centuries, Fort George (2)

Im Auto hab ich sicherheitshalber mal das Smartphone angemacht und den Kalender geprüft. Nur um ganz sicher zu sein, daß wir auch im richtigen Jahrhundert nach Hause fahren.

 

Im deutsch-schottischen Medikations-Limbo

Unterschiede zwischen NHS und deutschem Gesundheitssystem

(Teil 1)

Ich war im Krankenhaus und eigentlich hätte ich darüber gar nicht geschrieben. So ein Krankenhausaufenthalt ist schließlich in den seltensten Fällen lustig, interessant oder gar informativ.

Weil es aber in meinem Fall alle drei Kriterien erfüllt, werde ich euch teilhaben lassen an meinen Erlebnissen im deutsch-schottischen Medikations-Limbo, wobei ich mit Limbo den Schwebezustand des Unwissens und nicht den Tanz unter den Stangen meine.

Gerade habe ich die Entfernung meiner Gallenblase gut überstanden. Sie war auch dringend nötig, denn inzwischen hatten mich vier Gallenkoliken erwischt und die sind überhaupt nicht lustig, sondern SEHR schmerzhaft. Der Mann hat inzwischen jede Menge Übung darin, mich in die Notaufnahme zu fahren.

Bei einer Gallenkolik bekommt man in Schottland Morphium gegen die Schmerzen. Das machte mich zumindest beim ersten Mal recht glücklich. Ab dem zweiten Mal stellten sich starke Nebenwirkungen ein – mir wurde speiübel! Und diese Übelkeit dauert Tage an, wenn man nicht etwas dagegen unternimmt. Aber: Eine Tablette und innerhalb von 1 Minute ist man wieder ein glücklicher Mensch. Ich habe berichtet.

Hach, das Leben kann schön sein ohne Schmerzen und Übelkeit.

Kurz vor der Operation in Deutschland erwischte mich nochmals eine Kolik. Dieses Mal musste selbst in die nächste Notaufnahme fahren. Von Morphium wollte man da aber nichts wissen.

„Morphium? Das verabreichen wir nur Sterbenden“, sagt die Krankenschwester mit hochgezogenen Augenbrauen und großer Rüge im Blick, während sie mir die Infusion legt.

„Tschuldigung!“ nuschle ich und weiß gar nicht, warum ich mich entschuldigte.

Da liege ich nun am Tropf mit Novalgin und später an einem mit Buscopan. Die Schmerztherapie dauert drei Stunden im Gegensatz zu den 30 Sekunden Morphium der schottischen Spritze.

„Lustig“, sagt ich zu der Schwester, um eine Konversation zu beginnen. In schottischen Krankenhäusern unterhält man sich, auch wenn einem wegen der Schmerzen öfter die Luft wegbleibt.

„Ich habe vor Jahren in Schottland mal versucht, Novalgin zubekommen, weil ich die anderen Schmerzmittel wie Paracetamol und Aspirin nicht so gut vertrage mit dem Magen. Die Ärztin dort kannte Novalgin aber gar nicht.“

Wieder hat die Schwester die Rüge im Blick, während sie von oben auf mich herabschaut. Ihr sind wohl schweigende Patientinnen lieber.

„Novalgin ist in Großbritannien verboten“, belehrt sie mich. „Da gab es wohl zwei Todesfälle, dann haben sie es gesperrt.“

Während ich so daliege und dieses in Schottland verbotene Medikament langsam in meinen Blutkreislauf tropft, denke ich über diese etwas verwirrenden Bedingungen nach.

Hoffentlich versteht mein Körper, dass er gerade in Deutschland ist!

Fortsetzung folgt

3 Geistergeschichten von der Isle of Skye

Überall in Schottland, aber besonders in den Highlands, werden Geschichten von übernatürlichen Trauerzügen erzählt. Diese Prozessionen können nur wenige sehen, eigentlich nur Menschen, die für übernatürlich Phänomene empfänglich sind, aber für sie sehen diese Geister-Prozessionen so echt, aus wie eine echte Beerdigung. Nicht jeder weiß, ob er oder sie diese Gabe hat, Vorsicht ist also geboten. Diese Phantom Prozessionen weisen normalerweise auf einen bevorstehenden Todesfall hin, einige auf einen gerade eingetretenen. Sie führen alle zu einem Friedhof.

In Schottland war es in der Vergangenheit üblich, niemals mitten auf der Straße zu gehen, besonders an einsamen Orten und nachts, denn Sie wollten nicht in einem Trauerzug gehen, den Sie nicht sehen konnten, die Geister konnten Menschen zwingen, mit ihnen zu gehen.

Scavaig, Insel Skye

Straße von Heasta

Eine Skye-Frau sah einmal einen Trauerzug mit mehreren Särgen, aber, und das war ungewöhnlich, ging der nicht auf einer Straße, sondern über den Hang und unebenes Gelände. Dies geschah in Scavaig, einer abgelegenen Ecke auf der Isle of Skye. Die Frau starb. Zwei Jahre nach ihrer Vision ertranken drei Männer in Loch Scavaig. Ihre Leichen wurden in Ufernähe begraben und später wieder ausgegraben, um sie auf dem gleichen Weg, den die Frau gezeigt hatte, zum nächsten Friedhof zu tragen.

Strathaird, Insel Skye

Kilmarie Wanderweg

Eine andere übernatürliche Prozession wurde nicht weit davon in Strathaird, in der Nähe des Friedhofs von Kilmarie, gesehen. Die Männer trugen die Leiche eines Mannes in einem grauen Plaid, der im Fluss ertrunken war. Seine Leiche wurde Wochen später gefunden.

Portree, Insel Skye

Portree Friedhof

Ein tatsächlicher Hotspot für übernatürliche Ereignisse rund um Friedhöfe scheint Portree gewesen zu sein. Eines Nachts wachte ein Mann auf, als er einen Anruf von seinem Arbeitskollegen hörte, mit dem er normalerweise von The Braes nach Portree ging. Er stand auf und folgte der Stimme, die ihn, nachdem er immer wieder gerufen hatte, schließlich auf den Friedhof dort führte. Erst jetzt bemerkte er, dass sein Gefährte tot war und er eine Stimme hörte, die nicht von dieser Erde war.

In einer anderen Mondnacht in Portree ging schließlich ein Mann mit der Prozession. Als er fragte, an wessen Beerdigung er teilnehme, wurde ihm geantwortet: „Es ist deine eigene.“

Quelle:

Ronald Black (ed.): The Gaelic Otherworld. John Georgson Campbell’s Superstitions of the Highlands & Islands of Scotland and Witchcraft & Second Sight in the Highlands & Islands. Edinburgh, Birlinn Origin; 2019

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Die Kurzschlacht von Prestonpans

Schottische Schlachten, wie in der Tat viele andere Schlachte auch, brannten sich aus mehreren Gründen in das Gedächtnis ihrer Nation ein:  wegen der vielen Verluste, die auf einer oder beiden Seiten erlitten wurden, wegen der Heldentaten Einzelner oder der Dauer, in der sie wüteten. Prestonpans war eine der kürzesten Schlachten in der Geschichte Schottlands, sie dauerte nur knappe 10 Minuten.

Es war der 21. September 1745. Prince Charles war gekommen, das Land zu regieren und es von der englischen Herrschaft zu befreien. Gerade hatte er die Hauptstadt, Edinburgh, eingenommen, wo man den (so hoffte man) künftigen König der Schotten euphorisch feierte.

Keine guten Nachrichten für die Engländer und ihren General Sir John Cope, denn der führte eine Truppe Soldaten an, die wenig Erfahrung hatte im Kriegsgeschäft. Dennoch musste er eingreifen und marschierte gen Edinburgh.

Küstenlinie East Lothian

Auf dem Weg dorthin lagerten sie in Haddington, was den Jakobiten in Edinburgh nicht verborgen blieb. Am Abend hielt Charles Edward Stuart Kriegsrat. Man wollte Cope und seine Truppen schon auf ihrem Weg nach Edinburgh zur Schlacht zwingen und sie nicht erst in der Hauptstadt erwarten. Die Schotten marschierten los, und als General Cope das vernahm, ging er auf einem Feld, das auf der einen Seite von einem unzugänglichen Moor geschützt war, in Stellung, um den schottischen Rebellenprinzen und dessen Männer zu erwarten. Hier sollte die Schlacht von Prestonpans geschlagen werden.

Prestonpans Friedhof

Cope kommandierte 2000 Männer und verfügte über Artillerie. Die Rebellen bezogen auf einer Erhebung Stellung, von der aus sie das Camp des General Cope gut übersehen konnten. Sie hatten nur wenig Musketen, keine Artillerie, nur ihre Breitschwerter und die dirks, die typischen Messer der Highlander. Es blieb ihnen also keine andere Möglichkeit, als frontal anzugreifen. Der Abend kam, der nächste Morgen würde Sieg, Tod oder Gefangenschaft bringen.

An diesem Abend meldete sich der junge Robert Anderson zu Wort. Er kam aus Whitburgh und kannte sich in der Gegend gut aus. Er wusste, es gab einen Pfad durch das Moor, auf dem man die englischen Truppen würde erreichen können, ohne dass man sie dort erwarten würde. Es war dunkel und vom Meer her zog dichter Nebel über das Moor. Robert Anderson führte die Highlander bei Nacht und Nebel durch das Moor, in kleinen Gruppen auf dem schmalen Pfad, eine potenziell tödliche Route, doch Anderson hielt was er versprochen hatte und führte die Männer sicher ans Ziel.

Wolken über dem Forth of Forth

Als die ersten Sonnenstrahlen den Nebel auflösten, standen die Schotten überraschend an der Ostflanke der englischen Truppen. Die Artillerie blickte direkt in die aufgehende Sonne und war damit ihrer Stärke beraubt. Cope saß in der Falle und mit ihm seine Männer. Nach 10 Minuten waren 150 Mann der Regierungstruppen tot oder verwundet, einige flohen, der Rest wurde gefangengenommen. Die Highlander hatten nicht nur einen großen Sieg für die Moral errungen, sie hatten auch Waffen und Munition erbeutet. Und sie hatten an Ansehen gewonnen, denn nun sah man auch in London, dass die Highlander nicht nur wilde Einzelkämpfer, sondern vielmehr auch kluge Strategen waren.

Cope selbst entkam mit ein paar seiner Männer und brachte seinen Vorgesetzten die Nachricht seiner Niederlage persönlich. In den nachfolgenden Jahrhunderten waren spöttische Gedichte und Lieder über General Cope eine beliebte Art, sich an die Schlacht von Prestonpans zu erinnern.

Hey, Johnnie Cope are ye wauking yet? Hey Johnnie Cope, bist du schon wach? ist bis heute ein sehr beliebtes Lied mit einprägsamer Melodie. So ziemlich jede schottische Band hat das Lied irgendwann einmal aufgenommen, so auch die Corries und die Tannahill Weavers.

Einige der in der Schlacht von Prestonpans gefallenen Soldaten wurden auf dem Friedhof in Prestonpans begraben. Leider sind einige der alten Grabsteine zerstört worden. Eine bleibt jedoch, die von John Stuart von Phisgul, der im Regiment von Generalleutnant Peregrine Lascelles gegen die Jakobiten gekämpft hatte.

Hier liegen die Überreste on John Stuart of Phisgul, ein Galloway Gentleman and Captain in Lassel’sRegiment. Ein Mann von wahrer Tapferkeit, der ehrenhaft starb in Verteidigung seines Königs und seines Landes sowie der heiligen und bürgerlichen Freiheit, bis er gegen Ende der Schlacht auf dem Gebiet von Preston am 21. September 1745 von vier Highlandern barbarisch ermordet wurde.

Bei meinem Besuch auf dem Friedhof traf eich eine ausgesprochen liebenswerte ältere Dame, die mit großer Hingabe säuberte, pflanzte und goss. Ihr Sohn (sehr scheu und verschlossen) half ihr, wenig später kam ihr Mann, um sie abzuholen. Sie führte mich stolz zu dem Grab des gefallenen Captains, stolz, weil der Grabstein ihr persönlicher Bezug zur berühmten schottischen Schlacht war.

„Machen Sie das Tor gut zu.“ sagte sie, bevor sie zu ihrem Mann ins Auto stieg und mich allein lies mit ihrem Friedhof.

„Und bringen Sie das nächste Mal eine Drohne mit, da sieht man alles besser!“ rief der Gatte mir aus dem Auto zu. Er war offensichtlich nicht minder stolz darauf, Teil der schottischen Geschichte zu sein.

So ist das eben mit Friedhöfen in Schottland. Sie lassen einen nicht mehr los, weil sie die Verbindung sind zwischen persönlichem Erfahren und dem Erbe einer ganzen Nation. Egal ob man Schottin ist oder Deutsche.

Bass Rock

Bass Rock

Seitdem ich von Schottland aus voll arbeite und nicht mehr so wie früher in Deutschland viel und in Schottland nichts, ist deutlich weniger Zeit, hier die Dinge zu tun, die ich sonst immer hier getan habe, nämlich Bücher schreiben und Friedhöfe besuchen. Nun aber habe ich ein paar Tage Urlaub und los geht’s nach East Lothian.der Mann kann leider nicht, der hat deutlich weniger Urlaubstage als ich. Der Arme.

Feierabendbier

Ich arbeite ich mich den Tag über durch die Friedhöfe der Region in Richtung des kleinen Inns in einem idyllischen Dörfchen an der Küste, in dem ich übernachten werde. Es waren stolze 8 Friedhöfe, bis ich bei meinem Feierabendbier ankomme.

@nme Nellie Merthe Erkenbach Schottland für stille Stunden
St. Andrew’s Kirk Ports, North Berwick, East Lothian

Sehenswürdigkeiten in East Lothian

Am nächsten Morgen beim Frühstück höre ich wie der junge Man den Fehler begeht, die anderen Gäste zu fragen, was sie den Tag über machen wollen. Da steht er nun mit den dreckigen Geschirr in den Händen, das er gerade von einem anderen Tisch abgeräumt hat und kommt nicht mehr weg von der Redeflut des Engländers. Der zählt sämtliche Sehenswürdigkeiten auf, die es in East Lothian gibt. Ich lächle in stillem Mitleid mit dem Ober in mich hinein. An meinen „Sehenswürdigkeiten“ werde ich die Touristen nicht treffen und den Klassiker habe ich noch am Abend auf dem Rückweg vom letzten Friedhof des Tages fotografiert – ganz von weitem und im Sturm, der an dem Tag über die Ostküste fegte.

Stevenson Leuchtturm, Bass Rock

Leuchtturm und Basstölpel

Der berühmte Bass Rock ist eine kleine Insel, die wie ein monströser Stein etwa 1 Meile vor der Küste East Lothians liegt. Eine Touristenattraktion, zu Beginn des letzten Jahrhunderts nahm man das Dampfschiff, aber nur bei gutem Wetter, war es windig, konnte man an der einzigen Anlegestelle der kleinen Insel nicht festmachen. Dieser steinerne Berg im Meer ist beeindruckend. Bevölkert von tausenden Basstölpeln, die früher noch auf dem schottischen Speiseplan standen. Dazu ein Stevenson Leuchtturm, der an der Steilwand zu kleben scheint, und die Ruinen eines uralten Wohnsitzes mitten im Stein. Hier wächst nichts außer der Einsamkeit.

Lauder of the Bass

Bereits im 6. Jahrhundert weilte hier der Heilige Baldred und tat Wunder. Doch der eigentliche Name, mit dem der Bass verknüpft ist, ist Lauder. Der 1. Lauder of the Bass bekam diesen Titel für seine heldenhafte Unterstützung des Unabhängigkeitskämpfers William Wallace. So ein Stein im Meer wäre an sich nicht unbedingt ein überwältigendes Zeichen der Dankbarkeit gewesen, aber der Stein kam zusammen mit beachtlichen Ländereien auf dem Festland und das war dann schon wieder eine andere Angelegenheit. Die Familie Lauder brachte im Laufe der Jahre viele Botschafter und Kirchenmänner hervor.

Bass Rock

Das schottische Alcatraz

Der Bass Rock ist nicht nur berühmt, er ist auch berüchtigt als das schottische Alcatraz. Hier, auf dem ehemaligen Sommerwohnsitz der Familie Lauder, wurden etwa 40 Covenanter in den Glaubenskriegen gefangen gehalten. Dieses Gefängnis war kalt, feucht und ganz und gar furchtbar. Nach der Revolution von 1688 wendete sich das Schicksal, 4 Gefangene konnten sich befreien und weil eine Flucht unmöglich war, nahmen sie stattdessen ihre Wärter gefangen. Eine echte Gefängnisrevolution.

Der Regierung blieb nichts anderes übrig, als von der Küste aus hilflos zuzuschauen. Alle Versuche, den Bass Rock zurück zu erobern scheiterten. Es dauerte 3 Jahre, bis die Besatzer aufgaben. Das Gefängnis wurde Ende des 18. Jahrhunderts zerstört, bevor Bass Rock verkauft wurde.

stilles Frühstück

Zurück ins Hier und Heute. Der Ober kommt vorsichtig an meinen Tisch und will das Geschirr abräumen. Ich lächle ihm ermunternd zu. Er braucht sich nicht sorgen, dass auch ich ihm eine lange Liste der Sehenswürdigkeiten vorbete, die ich heute besuchen werde. Obwohl meine Liste für ihn sicher mal was Neues gewesen wäre.

Frühstück in East Loathian

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Ein Chief, zwei Musiker und ein Prinz

Kilmarie auf der Isle of Skye war traditionell eine Hochburg der Mackinnons und man muss nicht unbedingt auf dem alten Friedhof hinter Kilmarie House nach ihnen suchen, man findet ihre Spuren überall auf dem Strathaird Estate, der jetzt vom John Muir Trust verwaltet wird. Die Ländereien liegen zwischen Loch Slapin und Loch Scavaig auf Westseite der Isle of Skye. Außerdem besaß der Clan noch Grund auf der Insel Mull und war zumindest zeitweise einer der einflussreichsten in den Highlands.

Während des Aufstands von 1745 stellte sich der Laird  auf die Seite von Bonnie Prince Charlie und half dem Prinzen bei seiner langen und mühsamen Flucht vor den englischen Truppen nach Culloden. Für seine erbrachten Leistungen ging Mackinnon in England ins Gefängnis und wurde später im Juli 1747 aus dem Southwark-Gefängnis befreit.

Der Chief kehrte nach Kilmarie (Kilmaree) zurück und zeugte zwei Söhne und eine Tochter, was per se erst mal keine sehr beeindruckende Tatsache ist, wohl aber wenn man bedenkt, dass der Chief zu diesem Zeitpunkt bereits 71 Jahre alt war. Diese späte Vaterschaft macht entweder ihn außerordentlich viril oder seine Frau außerordentlich lösungsorientiert.

Obwohl man ihn für seinen Anteil an der gelungenen Flucht des schottischen Prinzen nach Frankreich  enteignet hatte, bestand Bedarf an einem Erben (solche Bestrafungen waren immer wieder zurückgenommen worden und die Führungsrolle innerhalb des Clans war von der Enteignung nicht betroffen), und Mackinnon bekam zwei. Irgendwie. Der jüngere Sohn Lachlan starb später in Jamaika, der ältere Charles wurde nach dem Tod seines Vaters der neue Chief.

Von Kilmarie House führt ein hübscher wenn auch matschiger Rundweg zum Dun Ringill, das im Sommer leider so überwuchert ist, dass es schier unmöglich zu entdecken ist. Hier war der uralte Sitz der MacKinnons.

Diese frühe Befestigungsanlage inspirierte Ian Anderson zum gleichnamigen Song. Mit der Musik von Jethro Tull hatte Anderson so gut verdient, dass er sich das Anwesen leistete und ein eigenes Studio in Kilmarie House einrichtete. Ursprünglich kommt der Schotte aus Dunfermline in Fife, inzwischen lebt er in England und der Schweiz.  Das Alter des legendären Mackinnon Chiefs hat er bereits überschritten, seine Kinder, ein Sohn und eine Tochter, sind aber im Gegensatz zu denen des Mackinnon bereits erwachsen. Anderson ist auf andere Weise produktiv, er macht noch immer Musik.

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