Der Scheich von Dubai ist unser Nachbar. So wie man hier oben in den Highlands eben Nachbar ist. Er wohnt in Sichtweite, ca. 1 Meile entfernt auf der anderen Seite des Lochs.
Wobei wohnen wohl nicht das richtige Wort ist. Wir wohnen, er residiert. Sein zweistöckiges Herrenhaus mit 15 Schlafzimmern, einer Suite und einem Bootsanlegesteeg liegt in einer gepflegten Parkanlage, ist letztlich aber nichts weiter als eine Ferienwohnung, denn meist residiert seine Hoheit nicht im schottischen Hochland. Er hat wie ich noch ein anderes Leben.
Ein Leben, das ich ein wenig kenne, denn unsere Wege haben sich schon einmal kurz gekreuzt. Vor Jahren in Dubai. Ich war dort, um einen Film über Distanzreiten zu drehen. Ein Hobby des Herrschers. Ich habe seine makellosen und ausgedehnten Stallungen gesehen, die vielen trainierten Klassepferde, den Reichtum in der Stadt und die Armut in der Wüste. Und die Verschwendung.
Während des Distanzritts durch die Hitze der Wüste wurden die Pferde an Verpflegungsstationen mit eingeflogenem französischen Edelwasser gekühlt. 1,5 Liter Evian über den Pferdekopf, die Plastikflaschen ab in den Sand. Ganze Paletten voll. Nach dem Pferderennen dachte keiner an sammeln oder recyceln.
Naturschutz steht wohl nicht ganz oben auf des Scheichs Maktoums to do Liste. Sport schon.
Viele Male am Tag sehe ich jetzt hinüber zu dem dunklen, grauen Anwesen. Der Ginster blüht in leuchtend gelben Flecken, der Tannenwald dahinter zieht sich dunkelgrün über die steilen Hänge des Berges, an dessen Fuß der Scheich nur selten Gastspiele gibt.
Aber wenn, dann ist was los am Loch.
Der Scheich kommt. Jeder weiß es. Die Mädchen und jungen Frauen der Gegend werden „eingezogen“ und machen drüben Haus und Herd startklar für den Scheich und seine Gäste. Unmengen von Essen werden eingeflogen. Räume werden gelüftet und gereinigt. Im Park ein paar Kieselsteine an der Auffahrt zurechtgerückt.
Dann beginnt das Warten, denn es kann durchaus sein, dass Scheich Maktoum sein Kommen für Montag ankündigt aber erst am Freitag auftaucht.
Weil der Scheich seine Reisezeiten ins Feriendomizil so flexibel handhabt, bekommen viele Familien am Loch das ausgefallenste Obst und Gemüse. Denn das kommt jeden Tag frisch. Kommt aber der Scheich nicht, wird es weggeworfen.
Was wiederum kein Schotte versteht. Hier in der Einsamkeit des Nordens wird nichts verschwendet oder weggeworfen. Schon gar nichts, das nichts kostet. Wenn sich die Ankunft des Scheichs zieht, dann essen viele Menschen gut.
Die Haushaltshilfen dürfen nehmen was sie wollen und kommen nach Hause mit großen Obststeigen voller ausgefallener Dinge: Spargel, Mango und Papaya, Artischoken. Alles Dinge, die es hier oben so gut wie nicht zu kaufen gibt.
Nicht nur das Esen wird per Helikopter eingeflogen. Auch die Gäste. Das Rotorengeräusch der kleinen Luxustransporter stört die Stille für Stunden. Zeitgleich mit dem Helikopterheer zieht die Yacht vom offenen Meer herein. Sie ist zu groß, um direkt am Anwesen anzulegen. Die Gäste müssen per Beiboot an Land gebracht werden. Wobei das Beiboot schon bedeutend größer ist als alle Boote, die es im Umkreis am Loch gibt. Mit Ausnahme des Futterfrachters der Lachsfarm.
Am Abend glitzert das hell erleuchtete Anwesen des Scheichs übers Wasser. Wie der große Gatsby, prunkvoll prächtig in seinem Reichtum. Und mit seiner eigenen Stromversorgung. Die offizielle ist notorisch störungsanfällig.
Am nächsten Morgen dann, so gegen 11 Uhr, knattern die Rotoren wieder über der Stille des Lochs. Ein Helikopter nach dem anderen fliegt zunächst das Haus an und dann hinauf in die Berge von Lochaber und Lochalsh. Der Scheich und seine Gäste gehen jagen. Es wird still am Loch. Erst am Abend kommen die Helikopter wieder. Einer nach dem anderen fliegt die Gäste zu ihrem Dinner, das den ganzen Tag in der Küche zubereitet worden ist.
Zuletzt, als es fast schon dunkel ist und das Anwesen des Scheich herausfordernd über das kalte Wasser glitzert, kommt noch ein Helikopter. Ein schwerer Rotorenton. An einem Seil unter dem Heli hängen die schwere Körper der Hirsche. Langsam lässt der Pilot die tote Last am Maktoumschen Strand herunter. Eine Stunde später, die Gäste sind wohl inzwischen beim Hauptgang angekommen, lodert ein großes Feuer ein Stück vom Anwesen entfernt durch die Nacht. Das erlegte Wild verbrennt am Strand während im Hause die eingeflogenen Früchte zum Nachtisch serviert werden.
Beim letzten Satz könnte ich mich übergeben! Da schmerzt das noch sehr junge Jungjägerherz.
Was verursacht denn die Übelkeit, der Satz, der Nachtisch oder der Scheich? VG