Der Untote von Selkirk

Wohin ich auch gehe, ich stolpere derzeit ständig über schottische Gruselgeschichten. Zuletzt war es noch Sanquhar, nun ist es nach einem Ausflug in Schottlands Süden Selkirk. Geneuer gesagt, der Schuhmacher von Selkirk.

starirs to Selkirk cemetery

Schumacher ist gemeinhin kein Handwerker, bei dem es besonders aufregend oder gruselig zugeht, sieht man einmal von den Preisen ab, die man in Deutschland für das besohlen eines guten Schuhs bezahlen muss. In Schottland sind Schuhmacher heute deutlich billiger als in Deutschland aber früher war das auch anders. Da  trugen die Kinder der Landbevölkerung oder die Armen der Slums von Glasgow oft gar keine Schuhe, das war zu teuer. Ein Schuhmacher hatte gehobenes Klientel im Geschäft und war ein angesehener Bürger, zumindest im frühen 19. Jahrhundert, in dem diese Geschichte spielt.

Der Schuhmacher von Selkirk (Sutor of Selkirk) hat es zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Er trug den lustigen Namen Rabbie Heckspeckle und ein Großteil der Bürger von Selkirk trug Schuhe, die er gefertigt hatte. Rabbie begann gerne früh mit der Arbeit und war in seinem Laden oft lange bevor er öffnete. So hatte er tagsüber mehr Zeit zum Tratschen. Eines Morgens nun, es war Winter und noch stockdunkel draußen, betrat ein Fremder den Laden des Schuhmachers. Er sah durchaus wie ein Edelmann aus, wenn auch etwas vernachlässigt, er roch unangenehm, seine Kleidung wirkte fast schon verwahrlost. Er wollte ein Paar Schuhe und Rabbie war nur zu bereit, ihm ein Paar zu verkaufen. Der Fremde zeigte auf ein Paar, das ihm gefiel aber es hatte nicht die richtige Größe.

Rabbi nahm also Maß und versprach dem Fremden, ihm bis zum nächsten Tag neue Schuhe zu fertigen. Der Fremde nickte und bestand darauf, die Schuhe wieder so früh abzuholen, wie er an diesem Tag in den Laden gekommen war, bevor der Hahn krähte. Der Schuhmacher hatte kein Problem damit. Als die Sonne aufging, war er mit den Schuhen des Fremden schon ein gute Stück voran gekommen, doch es dauerte bis in die Nacht, bis Rabbie Heckspeckle endlich fertig war.

Nach wenigen Stunden Schlaf weckte den Schuhmacher ein lautes Klopfen. Es war der Fremde, der seine Schuhe abholen wollte. Heckspeckle rieb sich den Schlaf aus den Augen, ging hinunter in den Laden, öffnete dem Fremden die Tür und gab ihm seine Bestellung. Der war zufrieden, warf ihm ein paar Silbermünzen aus einem schimmligen Geldbeutel zu, drehte sich um und ging.

Rabbie Heckspeckle wollte es nun genau wissen. Wer war der Fremde und wo wohnte er? Etwas war nicht ganz koscher mit dem Mann. In Selkirk kannte er jeden Edelman, der sich Schuhe leisten konnte. Wer aber war dieser Kunde? Rabbie beschloss ihm zu folgen. Es war noch immer dunkel und er konnte leicht ungesehen bleiben. Er folgte dem Fremden bis zum Friedhof, wo der sich auf ein Grab legte und plötzlich verschwunden war. Entsetzt kam der Schuhmacher näher, das Grab schien unberührt, die Erde war nicht aufgeworfen. Hier hatte keiner gegraben, wie also war der Fremde verschwunden?

Gräber Selkirk

Mit dieser unglaublichen Geschichte rannte der Schuhmacher zurück und erzählte sie im Laden und später auf der Straße und in der Kneipe jedem, der sie hören wollte. Keiner wollte ihm natürlich glauben aber schließlich riefen sie doch den Totengräber, der sollte das Grab ausheben, sonst würde der Schuhmacher nie Ruhe geben.  Keiner glaubte auch nur im Traum daran, dass der Fremde in dem Grab verschwunden war. Doch als der Totengräber vor Zeugen den Sarg öffnete, lag ein Man darin, der genauso aussah, wie ihn der Schuhmacher beschrieben hatte. Der Tote trug nagelneue Schuhe.

Man beschloss den Sarg wieder gut zu verschließen und sicher zu begraben. Die neuen Schuhe nahm der Schuhmacher an sich. Schließlich waren sie viel zu schade, um zu verrotten. Die könnte er ohne Probleme noch einmal verkaufen. Es sollte der größte Fehler in Rabbie Heckspeckles Leben werden.

Am nächsten Morgen wurde die Ehefrau des Schuhmachers von einem seltsamen Lärm im Laden ihres Mannes geweckt. Auch den Nachbarn war der Lärm nicht entgangen. War es ein Streit, den sie da hörten? Oder war es ein Kampf? War das ein verzweifelter Schrei? Keiner traute sich auch nur aus dem Fenster zu sehen. Sie alle versteckten sich, bis die Sonne aufging, dann fanden sie sich vor dem Laden von Rabbie Heckspeckle ein. Der war verschwunden, sein Laden verwüstet. Dreckige Fußspuren führten zu Friedhof und dort genau zu dem Grab, das sie am Vortag ausgehoben und wieder versiegelt hatten.

Der Totengräber wurde gerufen und er grub den Sarg ein weiteres Mal aus. Sie öffneten ihn und der Fremde lag darin. Keine Spur vom Schumacher. Doch dann sahen sie das weiße Hemd, das Rabbie Heckspeckle gestern noch getragen hatte. Der Fremde hielt den blutverschmierten zerrissenen Stoff in seinen bleichen, knöchernen Händen. An seinen Füßen glänzte ein neues Paar Schuhe.

Wer mehr über schottische Geister lesen möchte, dem sei dieses Buch empfohlen:

Lily Seafield: Scottish Ghosts. Lomond Books, Dale House, New Lanark, 1999

zum Untoten von Selkirk speziell auch diesen Blog: creative shadows

 

 

7 Gedanken zu “Der Untote von Selkirk

  1. Guten Morgen Nellie,

    Wow diese Geschichte ist diesmal sehr gruselig. Vielleicht solltest Du mal eine Sammlung davon In einem Buch unterbringen? Eine Kurzsammlung schottischer Gruselgeschichten… Bin gerade am überlegen, ob es sowas überhaupt gibt…

    Übrigens habe ich gesehen, dass Du gar nicht mehr bei Facebook bist? Ich bin zwar eigentlich auch so gut wie nie dort, aber manchmal gibt es interessante Beiträge dort.

    Tja, nachdem heute meine Krankschreibung ausläuft, werde ich wohl nächste Woche wieder etwas fleißig sein müssen… Dabei bin ich noch nicht so fit, nach 7 km joggen geht mir die Puste aus und schwimmen max. 3000 m… ich werde wohl alt…

    Ich hoffe, Du kannst den heutigen letzten heißen Sonnentag auch ein bisschen genießen.

    Liebe Grüße
    Andi

    • Lieber Andi,
      Die ein oder andere Gruselgeschichte kommt tatsächlich ins neue Buch. Schottland ohne Gruselgeschichten geht nicht.

      Ja, FB bin ich raus.

      Also ich finde 7 km joggen und 3 km schwimmen ist schon ziemlich beachtlich. Vor allem bei deiner momentanen körperlichen Situation.

      Weiterhin gute Besserung und gutes Eingewöhnen beim arbeiten!

      Liebe Grüße,

      Nellie

      • Hallo Nellie,

        ich kann es kaum erwarten für dein neues Buch Korrektur zu lesen..

        Körperlich bin ich wieder absolut wiederhergestellt, alles bestens verheilt und auch entsprechend belastbar. Laut Arzt äußerst ungewöhnlich weil sowas ja doch einige Monate in Anspruch nimmt, aber nach den letzten Untersuchungen vor zwei Wochen kann ich wieder alles machen. Das einzige was noch da ist, sind neue Narben und diese dämliche Platte über dem Schlüsselbein. Die nervt mich gewaltig weil ich sie permanent fühle. Aber die kommt ja auch Ende des Jahres wieder raus.

        Trotzdem werde ich nächstes Jahr zweimal Geburtstag feiern… (D.h. ja auch zweimal Geburtstagsgeschenk 😝..)
        So, jetzt möchte ich mal schauen ob ich nicht doch mehr als 3000 m beim Schwimmen schaffe. Gestern hat mich doch glatt eine junge Frau (schätzungsweise 25) mehrfach überrundet. 😡 Mein männliches Ego ist nun etwas angeschlagen und ich muss etwas mehr dafür tun, dass das nicht mehr vorkommt.

        LG
        Andi

    • Lieber Andi,

      Boah, du sollst doch nicht übertreiben, denk dran, alles was du tust, tust du nur für dich und nicht für andere.

      Es ist doch schon erstaunlich wie schnell du dich regeneriert hast, daß freut mich für dich.

      Bei dem sportlichen Pensum das du vorlegst kannst du dich getrost mit den Jungen messen, also übertreib es nicht, auch wenn dich eine Frau überholt hat 😉😉

      Ich wünsche dir morgen einen guten Arbeitsstart und heute noch einen entspannten Sonntag

      Liebe Grüße
      Kar

      • Hallo Kar,

        schön wieder von dir zu lesen.
        Keine Sorge, ich mache ausschließlich alles für mich.

        Es tut mir auch gut und ehrlich gesagt nach dem Unfall und den drei OP’s im letzten Jahr habe ich einfach einen gewissen Nachholbedarf.

        Und wenn ich schon momentan keine Gelegenheit habe nach Schottland zu fahren um mich zu erholen, so versuche ich es wenigstens auf diese Art meinen Kopf frei zu kriegen.

        Ich muss ja feststellen, dass die meisten jungen Leute heutzutage so gut wie gar keine Kondition haben. Da scheint wohl Facebook, Instagram und alles mögliche wichtiger zu sein. Da braucht man sich wohl wirklich nicht messen..
        Für mich ist das Alter bisher nur eine Zahl im Ausweis. Ich bin sicherlich nicht Sportverrückt oder -süchtig, es muss mir einfach Spaß machen. Und wenn es dafür ein bisschen länger jung hält ist das natürlich ein sehr angenehmer Nebeneffekt…

        Lust auf Arbeit habe ich ja wirklich keine, vor allem wenn ich mir überlege, dass ich erst zu Weihnachten wieder Urlaub habe… irgendwie muss ich doch noch mal schauen vorher ein bisschen wegzukommen.

        Dir auch noch einen angenehmen Rest-Sonntag und eine gute Woche.

        Liebe Grüße
        Andi

  2. Liebe Nellie,

    Brrrr, wie gut das ich mich mit einer Tasse black forest tea hier sitze und die Gänsehaut vergraulen kann.

    Auch wenn diese Geschichte gruselig ist,fallen mir gleich 2 ganz wichtige Gründe zu Selkirk ein

    Erstens, wie kann es anders sein, Essen, Selkirk bannock, wobei ich nicht glaube, daß es dort erfunden wurde, denn es gab es schon viel früher in den Highlands.
    Allerdings ist vielleicht die Zutaten, die daraus silkirk bannock macht.😉😉

    Zweitens, für mich fast noch wichtiger, ist die Tatsache, daß Sir Walter Scott dort 30 Jahre der Sheriff war. Also mit auf meiner Tour Liste steht.😎😎😎😎😎😎

    Jetzt noch eine Tasse black forest tea und dann schwelgen.

    Liebe Grüße, auch an den Mann, sag ihm danke danke von mir und an meine Sorcha

    Kar

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