Möge die Macht mit uns sein

Wie fahren schon seit geraumer Zeit durch das Nichts. Rechts und links erheben sich kahle, grüne Hügel, der Himmel ist weitgehend grau und auf der Straße treffen wir außer gelegentlich ein paar Schafen keinen Menschen und schon gar kein Auto. Wir sind im ländlichen Raum der schottischen Borders unterwegs. Wir wollen für das neue Buch recherchieren und der Mann will fotografieren. Außerdem kann ich ihn da noch auf ein paar Friedhöfe mitnehmen, die ich schon lange mal sehen wollte.

„Ziemlich einsam hier“, sagt der Mann. „Fast wie auf dem Mond.“

Ich nicke. „Hab dir doch gesagt, dass es abgelegen ist. Deshalb habe ich auch ein Inn gebucht und kein normales B&B. Wir bekommen sonst nirgendwo ein Abendessen.“

Ettrick Water

Den Tisch habe ich auf 19 Uhr reserviert und Google Maps sagt mir, dass wir gegen 18:30 Uhr ankommen.

Tushielaw Inn

Das Tushilaw Inn ist sehr hübsch, außen in traditionellem schwarz-weiß gehalten und innen genau so eingerichtet, wie man sich ein altmodisches Inn vorstellt. Es ist perfekt und liegt idyllisch am Ufer des Ettrick Water in einem grünen Tal. Der Ort besteht aus insgesamt drei Häusern. Das sollte ein ruhiger Abend werden, denke ich.

Die Sonne scheint und die ersten Gäste sitzen an den Gartentischen im Biergarten.

Ja! Es gibt einen Garten, zwar direkt an der Straße aber da kein Auto kommt, macht das überhaupt nichts. Wir können im Freien essen, meint der Chef. Ein Mann jenseits der Sechzig mit grauem Wuschelkopf und einem Star Wars T-shirt.

Draußen essen? Galaktisch! Ich kann mein Glück nicht fassen. Da ist sonst nie das Wetter dazu, weil es entweder regnet oder einen die Mücken auffressen. Und da sind wir nun und genießen die Abendsonne.

Der Chef bringt der Frau am Tisch neben uns seine Sonnenbrille. Ich fühle mich Lichtjahre entfernt von dem Planeten, auf dem Schottland sonst zu finden ist.

Das Abendessen ist klassische Hausmannskost, die Chefin kocht selbst und wir loben sie gebührend, als sie kommt um sich zu erkundigen, ob alles recht war.

Inzwischen ist die Sonne hinter dem Berg verschwunden und es wird schnell deutlich kühler. Wir ziehen nach drinnen um, an der Bar ist die Hölle los. Ein paar Einheimische haben sich eingefunden, dazu ein paar Engländer die entweder hier leben oder hier hingezogen sind. Die Borders sind schließlich Grenzland, nach England kann man fast laufen.

A pro pos laufen. Wir lernen Ivan kennen, der (und das ist nicht zu überhören) aus Neuseeland kommt. KaminfeuerUrsprünglich aber aus Bulgarien. Er ist sehr groß und sehr schlank und er ist zu Fuß unterwegs. Mit einem Stock und einem kleinen Rucksack. Von Land’s End nach John o’ Groates. Von südlichsten Ende Englands zum nördlichsten Punkt des schottischen Festlands. Ein Klassiker unter den Wanderwegen, runde 1400 – 1900 Kilometer je nach Route.  Ivan ist allein unterwegs aber hat sofort festgestellt: seit er in Schottland ist, reden die Leute mit ihm. Das ist ihm in England nicht passiert. Das trifft natürlich nicht auf alle Engländer zu. gerade setzt sich einer an unseren Tisch, er trägt Hosenträger und lebt ein paar Kilometer weiter die Straße runter.

„Kommt doch Morgen bei mir vorbei“, sagt er. Mein Haus ist leicht zu erkennen, ich habe viele Gartenzwerge und Gnome im Garten. Ich stelle mir das ein bisschen wie die Kantine in Star Wars vor. Und mit Ivan habe ich ja auch eine Art Obi-Wan Kenobi am Tisch. Ein OB Van (sprich obi-wan) ist Englisch für Übertragungswagen und Ivan arbeitet in der Filmbranche, gar nicht so weit weg von dem was ich mache beim Fernsehen.

Der Mann unterhält sich mit dem Gnombändiger über Musik, ich mit dem Langstreckenwanderer über Schnitttechniken im Film.

Und als der Chef mit dem Star Wars T-Shirt last orders ruft, da hätten wir alle vier gerne Bar Weinglasgewusst, wie man durch die Zeit reist oder zumindest einen Planeten findet, auch dem die Ausschankzeiten etwas legerer gehandhabt werden. Als ich dann schließlich ins Bett falle, fühlt sich mein Kopf allerdings an, als würde Luke Skywalker damit Kreise drehen und der Mann schnarcht wie ein intergalaktischer Zerstörer.

Möge die Macht mit uns sein, denke ich und schließe die Augen. Möge die Macht mit uns sein!

 

 

 

 

 

3 Gedanken zu “Möge die Macht mit uns sein

  1. Guten Morgen Nellie,

    Heute genieße ich mal meinen Sonntags-Tee auf der Terrasse bei schottischen Klima. Herrlich…

    Ja, da stimme ich absolut zu. Schon bei meinem ersten Besuch in meinem Lieblingsland vor vielen Jahren ist mir sofort aufgefallen, dass Schotten im Vergleich zu Engländern wesentlich gesprächiger, offener und auch humorvoller sind. Egal ob sie dich kennen oder nicht.
    Ich muss sagen, je mehr du über die Borderlands schreibst, desto größer wird mein Bedürfnis diese Gegend genauer zu erkunden. Ich sehe schon, das neue Buch wird für mich zur absoluten Pflichtlektüre.
    So, jetzt wünsche ich dir wieder einen schönen Rest-Sonntag und eine nicht zu arbeitsreiche Woche. Ich muss ja tatsächlich morgen offiziell jetzt arbeiten anfangen. Ich fühle mich eigentlich mehr urlaubsreif…

    LG
    Andi

    • Lieber Andi,

      Ist das wahr? Bist du schon wieder auf dem Weg zur Arbeit?! Das ging wirklich sehr schnell mit so vielen gebrochenen Rippen.

      Ich hoffe du fühlst dich wieder fit genug, wenn auch der Kopf noch nicht so ganz bei der Sache ist. Das kommt wieder. Das geht mir immer so, wenn ich von Schottland wieder zurück nach Deutschland komme.
      Hab noch einen schönen Tag, du als Schottland Experte weißt ja auch, dass man ihn auch mit Regen genießen kann. 😉
      Liebe Grüße,
      Nellie

      • Vielen Dank für deine aufmunternden Worte. Für mich war das jetzt gefühlt ein halbes Jahr bis ich endlich wieder fit war – auch wenn es nur knapp über zwei Monate waren. Aber wie gesagt – zumindest kann ich seit drei Wochen wieder Sport machen. Aber dieses „so gut wie nichts tun“ ist doch etwas an was man sich gewöhnen könnte. Allerdings lieber in Schottland als hier in München.
        Aber ich habe jetzt wirklich keine Ausreden mehr dem Arzt gegenüber um es noch mal zu verlängern. Vielleicht schmeiß ich mich einfach mal die Treppe runter 😝..
        Wir haben uns aber wenigstens geeinigt, dass diese nervigen Metallplatten über dem Schlüsselbein Anfang Dezember rauskommen. Und zwar unter Vollnarkose, was eigentlich bei so einem Eingriff ungewöhnlich ist. Aber mit örtlicher Betäubung habe ich es wirklich nicht mehr so seit der Lungendrainage.
        LGA

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