Ein ungelöster Mord. Ein düsteres Familiengeheimnis. Ein Sommer auf der Isle of Arran.
Ich freue mich sehr, euch heute mein neues Buch vorzustellen: „Das Grab am Meer“ – Highland Crime Band 4 – ist ab sofort erhältlich! 📚🌊
Eine Insel zwischen Nebel, Meer und Vergangenheit
Die Isle of Arran ist nicht nur Schauplatz dieser Geschichte, sie ist ein eigener Charakter – geheimnisvoll, eindrucksvoll und voller Schatten. Hier, inmitten von Bergen und Küsten, wird die Vergangenheit lebendig.
In „Das Grab am Meer“ treffen zwei Spuren aufeinander:
Ein echter historischer Mordfall, der nie vollständig aufgeklärt wurde.
Und das Verschwinden einer jungen Frau, das eine Familie über Jahrzehnte hinweg geprägt hat.
Worum geht’s im Buch?
DI Robert Campbell reist auf die Insel, um für eine True-Crime-Dokumentation den Goatfell-Mord von 1889 neu zu untersuchen – ein Fall, den kaum jemand außerhalb Schottlands kennt, der aber viele offene Fragen hinterließ.
Isabel Hartmann, deren Schwester vor dreißig Jahren auf Arran verschwand, kehrt zur gleichen Zeit zurück. Ihre Suche nach der Wahrheit wird zu einer gefährlichen Reise in alte, verdrängte Familiengeheimnisse.
Zwei Zeitebenen – eine Wahrheit
„Das Grab am Meer“ verwebt wahre Begebenheiten mit fiktiver Spannung. Der Roman bewegt sich zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Schuld, Erinnerung und dem menschlichen Bedürfnis nach Klarheit.
Atmosphärisch dicht, emotional vielschichtig – und immer wieder überraschend.
Wenn ihr düstere Inselkrimis liebt, gerne tief in Geschichten eintaucht und True Crime euch fasziniert – dann könnte dieses Buch genau das Richtige für euch sein.
Nächste Woche auf dem Blog: True Crime Spezial
🔍 In der kommenden Woche geht es hier um den wahren Mordfall, der dem Roman zugrunde liegt: Der Goatfell-Mord von 1889 – ein ungelöstes Verbrechen mit spektakulären Wendungen.
Ich erzähle euch, was wirklich geschah, was die Presse damals schrieb – und warum dieser Fall bis heute nicht abgeschlossen ist.
Ich freue mich auf euer Feedback!
Wenn ihr das Buch lest, freue ich mich über jede Rückmeldung: Ob Rezension, Kommentar oder Nachricht – euer Feedback macht meine Arbeit lebendig. Lasst mich wissen, wie euch der neue Fall von Campbell & Hartmann gefallen hat!
Wer von euch kennt eigentlich berühmte Ruderinnen? Also, mal ehrlich – wer kann auf Anhieb eine benennen? Keine Sorge, ich auch nicht. Aber sie gibt es! Zum Beispiel Stefani Werremeier, Edith Eckbauer, Martina Schröter und Cornelia Linse aus Deutschland. Noch nie gehört? Nicht schlimm. Dann gibt es da noch Elisabeta Lipă, eine Rumänin mit fünf olympischen Goldmedaillen. Und wenn das noch nicht reicht: Kathrin Marchand, die sich auch im paralympischen Rudersport einen Namen gemacht hat. Na, klingelt’s? Nein? Gut, dann geht es euch wie den meisten von uns.
Die Leidenschaft für das Rudern auf den Inseln
Vielleicht liegt es einfach daran, dass Deutschland keine so brennende Leidenschaft für das Rudern hat. Anders sieht es in England und Schottland aus – die lieben ihre Ruderlegenden! Oxford, Cambridge und das Drumherum. Und die berühmteste von ihnen hat vermutlich nicht einmal an Wettkämpfen teilgenommen: Flora MacDonald! Die gute Flora hat Bonnie Prince Charlie nach der gescheiterten Jakobitenrebellion in einem Boot in Sicherheit gerudert. Und während man sich fragt, warum er nicht selbst zum Ruder griff – schließlich war er doch der Mann an Bord –, wurde sie zur Legende und er zur Hauptfigur einer ziemlich tragischen Geschichte. Aber gut, er war ja auch beschäftigt mit Fliehen und Verkleiden.
Grace Darling – Eine echte Heldin
Und dann gibt es noch eine weitere mutige Ruderin, die der Mann und ich in Northumbria entdecken: Grace Darling. Ja, genau, Darling. Die Tochter eines Leuchtturmwärters, die sich nicht mit Stickerei oder Tee zufrieden gab, sondern sich bei einem tobenden Unwetter ins Boot setzte, um Schiffbrüchige zu retten. Kein Fluchtversuch, keine Politik, einfach pure Menschenrettung.
Ihr Grab liegt in Bamburgh auf dem Friedhof, und als wir dort stehen, wird mir wieder bewusst, wie wichtig es ist, Friedhöfe zu besuchen. Sie erzählen die besten Geschichten. Und manchmal findet man eben auch eine echte Heldin zwischen all den alten Grabsteinen.
Während ich also über Grace Darling nachdenke, frage ich mich, ob wir vielleicht doch mehr Begeisterung für das Rudern entwickeln sollten. Oder zumindest für die Geschichten dahinter. Wer weiß, vielleicht gibt es irgendwo eine moderne Grace Darling, die gerade auf ihren Moment wartet. Aber bitte nicht mitten im Sturm.
Der Mann und ich freuen uns jedes Mal, wenn wir unterwegs sind. Nicht nur wegen der Landschaft, der Geschichte oder der Abenteuer – nein, auch wegen des Essens. Oder besser gesagt, wegen der Herausforderung, etwas zu essen zu finden. Denn die kulinarische Reise in England kann eine ganz eigene Erfahrung sein.
Unterwegs gibt es zwei sichere Häfen für uns: Costa’s für mich und McDonald’s für den Mann. Dieses Mal landen wir bei McDonald’s. Die vegetarischen Optionen sind – sagen wir mal – überschaubar. Also bestelle ich mir ein Porridge. Das gibt es wahlweise mit Zucker, mit Marmelade oder mit Golden Syrup, geschmacklich irgendwo zwischen Honig und Ahornsirup. Sehr fein und mit sehr viel Kalorien. Ich löffle glücklich mein Porridge, aber kurz danach ist mir seltsam. Ob es am Porridge liegt? Ich hatte keine Wahl, es war die einzige Nicht-Fleisch-Option auf der Frühstückskarte ist.
Für den Mann ist Porridge keine Option. Er würde lieber verhungern. Ich hingegen würde lieber verhungern, als diesen Double Sausage Bacon McMuffin zu essen, den er sich mit Genuss einverleibt. Wir haben also einen Konsens gefunden: Ich bleibe bei meinem Haferbrei, er bleibt bei seinen Frühstückswürstchen, und so starten wir gestärkt – oder zumindest gesättigt – in den Tag.
Abendessen – Ein Hoch auf die Pubs
Das Abendessen hingegen ist eine ganz andere Geschichte. Am ersten Abend kehren wir in einen klassischen Pub ein – und ich bin begeistert. Die Auswahl an vegetarischen Gerichten ist fantastisch: vegetarischer Burger, Risotto, Rote-Bete-Bällchen, Salate – alles super. Der Mann ist glücklich mit seinem Steak, ich bin glücklich mit meinem Essen, und wir stoßen zufrieden mit unseren Getränken an. So geht’s doch!
Am zweiten Abend geht es in ein Fischrestaurant. Der Mann liebt Fisch, also bin ich natürlich dabei. Die Speisekarte sieht vielversprechend aus, und ich entdecke ein Zucchini-Pilz-Risotto. Perfekt! Als das Essen kommt, stelle ich allerdings schnell fest: Das ist kein Risotto. Das ist einfach nur Reis mit Zucchini und Pilzen. Risotto lebt von seiner cremigen Konsistenz, von der Geduld, es langsam zu rühren, bis der Reis genau die richtige Bissfestigkeit hat. Das hier ist einfach nur … na ja, Reis.
Später plaudert der Chef und Koch mit uns. Ich frage ihn, ob er Italiener ist, weil ich seinen Akzent nicht genau zuordnen kann. Er lacht und sagt: „Nein, Portugiese.“ Dann frage ich nach dem Risotto. Er winkt ab. „Nee, mach ich nicht. Dauert ja viel zu lange, wenn man es richtig kocht.“ Aha. So kann man es natürlich auch sehen.
Frühstück im Hotel – Voll Englisch und eingedeckt
Wir haben das Zimmer ohne Frühstück gebucht – ganz bewusst, damit wir flexibel bleiben. Doch nun, am Morgen, überkommt uns doch der Hunger, und wir beschließen, im zum Hotel gehörenden Pub nach Frühstück zu fragen.
Als ich eintrete, ist der Raum fast leer. Nur ein Ehepaar sitzt da, begleitet von zwei Hunden, die unter dem Tisch dösen. Der Mann raucht sicherheitshalber draußen. Nicht, dass er noch etwas fragen muss – das wäre ihm viel zu unangenehm.
Die Bedienung begrüßt mich freundlich. Irgendwas Ostdeutsches klingt in ihrem Akzent mit, aber genau deuten kann ich es nicht. Sie ist höflich und fragt, ob sie mir helfen kann. „Gibt es vielleicht Frühstück für uns?“, frage ich vorsichtig. Sie überlegt kurz, nickt dann und weist mich an, mich an den allerersten Tisch neben der Bar zu setzen. Direkt neben das Ehepaar mit den zwei Hunden.
Der Pub ist riesig. Unfassbar viele Tische. Doch aus irgendeinem Grund muss ich genau dort sitzen, als wäre es die letzte verbliebene Sitzgelegenheit. Das Ehepaar sieht nicht begeistert aus. Ich frage mich, warum man Gäste in einem fast leeren Raum zwingend nebeneinandersetzen muss. Vielleicht erfahre ich es noch.
Für das Frühstück im Hotel gönne ich mir dann doch mal ein Full English – vegetarisch natürlich. Gebratene Tomaten, vegetarische Würstchen, weiße Bohnen in Soße, gebratene Riesenpilze und ein Ei. Das Ei gebe ich dem Mann, den Rest esse ich mit braunem Toast und fühle mich tatsächlich ganz und gar zu Hause. Aber auch nach all den Jahren hier gibt es Dinge, an die ich mich nie gewöhnen werde. Und andere, die ich absolut liebe.
Als wir fertig sind, kommt die Bedienung zurück und fragt mit ernstem Blick: „Wollen Sie vielleicht morgen auch wieder hier frühstücken? Nur damit ich es weiß, wegen dem Eindecken.“
Ich blicke mich um. Auf den anderen Tischen steht genau das, was auch bei uns steht: ein Salzstreuer, ein Pfefferstreuer und zwei in Servietten eingewickelte Besteckteile. Ich frage mich, wie groß der logistische Aufwand wohl sein kann, diese gegenstände auf die Tischplatte zu legen. Ich schaue die Bedienung fragend an, sie hebt nur die Schultern und sagt: „Naja, ich muss ja eindecken.“
Ja, natürlich. Ich lächle verständnisvoll und sage: „Morgen nicht. Morgen sind wir unterwegs.“
Gezeiteninseln – ein harmloser Begriff für eine potenzielle Todesfalle, wenn man nicht aufpasst. Also, für alle, die sich nicht täglich mit maritimen Begriffen befassen: Eine Gezeiteninsel ist eine Insel, die bei Ebbe mit dem Festland verbunden ist und bei Flut plötzlich – schwupps – wieder im Meer verschwindet. Klingt spannend, oder? Oder eher gruselig. Denn genau das ist mein Problem mit diesen Inseln.
Mir fallen sofort all die Horrorgeschichten von Kollegen ein, die sich nur knapp vor der Flut auf der Passage du Gois in Frankreich retten konnten. Die Passage du Gois verbindet das französische Festland mit der Île de Noirmoutier und ist nur bei Ebbe befahrbar. Das Problem? Die Straße verschwindet bei Flut vollständig unter Wasser – und das schneller, als man denkt. Es gibt genug Berichte von Autos, die mitten auf der Strecke einfach stehen bleiben und dann von der aufkommenden Flut eingeschlossen werden. Keine schöne Vorstellung! Es gibt sogar Rettungstürme, auf die sich Fußgänger retten können, falls sie sich mit der Zeit verschätzt haben.
Ich erinnere mich auch vage an einen Urlaub in Irland, gefühlt vor 200 Jahren, als wir eine Gezeiteninsel besucht haben, deren Name mir partout nicht mehr einfallen will. Aber was ich noch weiß: Wir sind rübergefahren – nicht gelaufen – und haben unterwegs die letzten Spaziergänger eingesammelt, während das Wasser langsam, aber bedrohlich zurückkam. Gruselig.
Lindisfarne – Die heilige Insel
Nun also Lindisfarne. Der Mann ist tapfer und organisiert. Er checkt die Gezeitenliste. Ich hätte sie garantiert wieder falsch gelesen und wäre auf der Insel geblieben – mit einem langsam versinkenden Auto und einer panischen Sprachnachricht an die Küstenwache. Aber dank des Mannes wissen wir: Um 8:15 Uhr können wir rüber, müssen aber spätestens um 13:15 Uhr zurück. Sonst ist es vorbei mit dem trockenen Heimweg.
Dementsprechend angespannt beginnen wir unsere Reise und stehen früh morgens um 8:15 Uhr tatsächlich am Causeway, der die Insel mit dem Festland verbindet. Noch liegt ein bisschen Wasser auf der Straße – nur Pfützen, aber für mich natürlich das ultimative Katastrophensignal. Der Mann fährt gelassen los, während ich aufgeregt filme und innerlich feiere, dass ich diese tödliche Überquerung überlebt habe. Natürlich nur dank des Mannes.
Ein Friedhof mit Geschichte
Kaum angekommen, erwartet uns direkt das nächste Abenteuer: der Parkplatz. Ich zahle für vier Stunden, länger geht nicht, wegen der Flut. Dass alle außerhalb des Dorfes parken sollen ist verständlich, schließlich werden die armen Insulaner der Holy Isle von Touristen überrannt. Da will man sie nicht auch noch mit parkenden Autos im Dorf belästigen. Außerdem ist die Heilige Insel so klein, dass man wirklich alles zu Fuß machen kann.
Und wo führt unser erster Weg hin? Natürlich auf den Friedhof der Abtei. Für mich nichts Ungewöhnliches, und auch für den Mann ein bekanntes Spiel. Hat hat sich über die Jahre mit meiner Friedhofsbegeisterung arrangiert.
Der Friedhof ist schön – wenn auch leider so touristisch, dass man gezwungen wird, auf den vorgegebenen Wegen zu bleiben. Kein freies Herumstreifen. Die Abtei selbst ist noch geschlossen. Sie scheint sich nicht groß für die Gezeiten oder unsere Besuchszeiten zu interessieren. Aber vom Tor aus sieht man eigentlich alles, was man sehen will.
Lindisfarne, auch als Holy Island bekannt, ist einer der wichtigsten spirituellen Orte Englands. Die Abtei wurde im Jahr 635 von dem irischen Mönch Aidan gegründet, der von Iona aus kam, um das Christentum in Northumbria zu verbreiten. Die Insel wurde zu einem der bedeutendsten Klöster der angelsächsischen Welt und brachte eine der berühmtesten mittelalterlichen Handschriften hervor: die Lindisfarne-Evangelien. Doch die Idylle hielt nicht lange. Im Jahr 793 wurde die Abtei Ziel eines der ersten dokumentierten Wikingerräuberzüge. Die plündernden Nordmänner metzelten die Mönche nieder, raubten Schätze und machten damit den Auftakt zur Wikingerzeit in England.
Trotz aller Zerstörung wurde das Kloster mehrfach wieder aufgebaut, bevor es schließlich im Zuge der Auflösung der Klöster durch Heinrich VIII. im 16. Jahrhundert endgültig verfiel. Heute sind die Ruinen ein beeindruckendes Zeugnis dieser bewegten Geschichte – und der perfekte Ort für ein bisschen Friedhofsromantik. Also tauchen wir ein in die Geschichte von Lindisfarne und lassen den mystischen Zauber der Insel auf uns wirken.
Der Hadrianswall ist eine der beeindruckendsten Hinterlassenschaften des Römischen Reiches in Großbritannien. Im Jahr 122 n. Chr. beschließt Kaiser Hadrian, dass es jetzt reicht mit den wilden Barbaren aus dem Norden. Also lässt er eine Mauer bauen. Eine große Mauer. Eine sehr lange Mauer. Ganze 117 Kilometer erstreckt sie sich von der Ostküste bei Newcastle bis zur Westküste bei Bowness-on-Solway.
Und warum? Wegen der Pikten. Die Pikten sind die Urbewohner Schottlands – furchtlose Krieger, die sich mit blauer Farbe bemalen, mit Vorliebe nachts angreifen und sich in den Wäldern verstecken, wenn die Römer zurückschlagen wollen. Guerillakrieg, bevor es überhaupt ein Wort dafür gibt. Das Problem für die Römer: Sie lieben ordentliche, planbare Kriege mit geraden Schlachtreihen. Die Pikten halten sich nicht an diese Regeln. Also bleibt den Römern nur eine Möglichkeit: Sie mauern sich ein.
Und was für eine Mauer das ist! Bis zu sechs Meter hoch, fast drei Meter dick und gespickt mit Wachtürmen, Meilenkastellen und großen Garnisonen. Sie ist ein militärisches Bollwerk, aber auch eine Art antike Zollstation. Wer aus dem Norden nach Süden will, braucht eine Genehmigung. Klingt mühsam, aber für die Römer ist es besser als ständig plündernde Pikten in den Grenzstädten.
Der Hadrianswall bleibt für Jahrhunderte in Betrieb, bis die Römer irgendwann einsehen, dass sie Britannien ohnehin nicht halten können. Danach verfällt er langsam, die Steine werden für Bauernhäuser und Straßen verbaut, und irgendwann sieht er mehr nach Ruine als nach Grenzfestung aus. Aber heute ist er noch erstaunlich gut erhalten.
Der Mann und ich haben beide noch nie viel davon gesehen, also erkunden wir ihn. Oder versuchen es zumindest. Ein Spaziergang entlang der Mauer klingt in der Theorie fantastisch, aber in der Praxis ist es gar nicht so einfach. Parkplätze? Nur an den offiziellen, kostenpflichtigen Bereichen. Einfach irgendwo anhalten? Fehlanzeige. Also suchen wir eine Stelle, wo wir endlich ein Stück laufen können. Und was soll ich sagen? Diese Mauer ist beeindruckend. Breit, stabil und unfassbar präzise gebaut – und das alles ohne Maschinen. Ich stehe fassungslos davor und frage mich, wie viele Legionäre und Sklaven wohl geflucht haben, als sie die Steine schleppten. Wahrscheinlich alle.
Die Borders – Umkämpftes Grenzland
Während der Hadrianswall eine militärische Grenze war, haben die Borders– das Grenzgebiet zwischen Schottland und England – eine ganz andere Geschichte. Über Jahrhunderte hinweg ist diese Region ein einziger Spielplatz für Kriege, Überfälle und Plünderungen. Hier verschiebt sich die Grenze ständig, je nachdem, wer gerade die Oberhand hat. Die Schotten? Die Engländer? Die Clans, die mal für die eine, mal für die andere Seite kämpfen? Niemand weiß es genau. Klar ist nur: Leben möchte man hier in der Vergangenheit lieber nicht.
Warum ist dieses Gebiet so umkämpft? Ganz einfach: Es ist fruchtbares Land, reich an Bodenschätzen und Handelsrouten. Wer die Borders kontrolliert, ist mächtig.
Im Mittelalter treiben hier die berüchtigten Border Reivers ihr Unwesen – Reiterbanden, die für niemanden außer sich selbst kämpfen. Heute würde man sie wohl als mittelalterliche Gangster bezeichnen. Sie stehlen Vieh, brennen Dörfer nieder und verschwinden wieder in den Hügeln. Namen wie Armstrong, Elliot oder Scott sind hier legendär – entweder als Helden oder als gefürchtete Banditen.
Erst mit der Vereinigung Schottlands und Englands 1707 beruhigt sich die Lage, aber bis dahin ist es ein wilder Ritt. Heute ist die Landschaft friedlich, grün und wunderschön – kein Vergleich zu früher. Während wir entlang des Hadrianswalls laufen, stelle ich mir vor, wie hier einst römische Soldaten Wache hielten, Pikten lauerten und Jahrhunderte später schottische und englische Krieger um dasselbe Stück Land kämpften. Heute sind es nur wir, ein paar Wanderer und eine beeindruckende Mauer, die noch immer standhaft die Geschichte bewacht.
Ein Roadtrip entlang der alten Grenze
Der Mann und ich fahren mit dem Auto quer an der alten Grenzlinie entlang, die uns mal nach England, mal nach Schottland bringt. Es ist eine witzige Erfahrung, denn es gibt nicht immer ein Schild, das uns mitteilt, wo wir gerade sind. Während auf den großen Straßen selbstverständlich riesige Schilder prangen – „Welcome to Scotland“ hier, „Welcome to England“ dort – verschwinden sie auf den kleinen Straßen oft völlig. Ich frage mich, ob wir uns gerade in England oder Schottland befinden, während der Mann nur trocken meint: „Ist doch egal, solange wir nicht zurück in den römischen Grenzbereich kommen.“ Sehr witzig.
Ein Winterwochenende voller Abenteuer und Geschichte – genau das erwartete uns auf unserer Reise nach Northumbria. Anlass ist mein Geburtstag, und der Mann und ich haben beschlossen, mit dem Auto nach Bamburgh (spricht sich bamborra) zu fahren. Während er die Burg sehen will, die eine Rolle in den schottischen Unabhängigkeitskriegen spielte, habe ich einfach Lust, einmal eine andere Ecke Großbritanniens zu erkunden. Schließlich liegt die englisch-schottische Grenze nur wenige Kilometer weiter nördlich.
Eine Fahrt durch wechselnde Landschaften
Obwohl Winter, strahlt die Sonne am Himmel, und bei knapp 3°C ist es erstaunlich angenehm. Die Straßen sind ruhig, und wir genießen die Fahrt. Über Spean Bridge und Dalwhinnie geht es zur A9, dann um Edinburgh herum und entlang der Küste nach England. Mit jeder Stunde wandelt sich die Landschaft – von den schroffen Highlands mit schneebedeckten Gipfeln über sanfte Lowland-Hügel bis hin zur offenen Weite der Küstenregion Northumbrias.
Northumbria hat eine bewegte Geschichte. Einst eines der mächtigsten angelsächsischen Königreiche, war es ein Zentrum von Kunst und Gelehrsamkeit. Die berühmten Lindisfarne-Evangelien entstanden hier, bevor das Kloster von Lindisfarne von Wikingern überfallen wurde. Die Region wurde zudem immer wieder Schauplatz der Konflikte zwischen England und Schottland – und Burgen wie Bamburgh Castle spielten dabei eine Schlüsselrolle.
Bamburgh Castle – imposant, aber nicht ganz authentisch
Nach einer ausgedehnten Autofahrt erreichten wir schließlich Bamburgh Castle. Die Burg thront spektakulär auf einem Felsen mit Blick aufs Meer – ein beeindruckender Anblick. Doch drinnen machte sich eine leicht angestaubte Atmosphäre breit. Vieles wirkte rekonstruiert, was uns unweigerlich zur Frage brachte: Warum zahlen wir dem aktuellen Burgherrn eigentlich so viel Eintritt und Parkgebühren? Stolze Preise für ein Stück Geschichte!
Trotzdem machen wir das Beste daraus, gönnen uns einen Kaffee und einen sündhaft guten Brownie im Burg-Café und tauchen ein wenig in die Historie des Ortes ein.
Die Skelette von Bamburgh
Richtig spannend wird es aber in der Krypta von St. Aidan’s Church. Dort erfahren wir von den „Bamburgh Bodies“ – über 110 Skelette, die zwischen 1998 und 2007 südlich der Burg entdeckt wurden. Diese Menschen lebten im 7. und 8. Jahrhundert und stammten aus verschiedenen Regionen der Britischen Inseln und darüber hinaus. Ein faszinierender Beweis dafür, dass Bamburgh einst ein bedeutendes Zentrum für Handel und kulturellen Austausch war.
„Schon verrückt, dass sie das alles aus Knochen herauslesen können“, murmele der Mann, während er auf eine Stele mit Gesichtsrekonstruktionen einiger Skelette zeigt. Die Überreste sind heute in einem kunstvoll gestalteten Ossuarium beigesetzt, das wir durch ein kunstvoll geschmiedetes Gitter bewundern. Der lokale Schmied Stephen Lunn hatte es mit keltischen Knotenmustern und stilisierten Tiersymbolen verziert – ein Symbol für die Mischung aus angelsächsischer und keltischer Kunst. Die Atmosphäre ist ruhig, fast meditativ, und wir fühlten uns für einen Moment mit der Vergangenheit verbunden.
„Irgendwie krass“, meine ich. „Diese Menschen haben hier vor über tausend Jahren gelebt. Und jetzt stehen wir hier und schauen uns ihre Gebeine an.“
Ein perfekter Abschluss am Meer
Zurück in der Sonne lassen wir den Blick über das endlose Meer schweifen. Der Strand von Bamburgh erstreckte sich kilometerweit mit feinem Sand und Dünengras – ein krasser Kontrast zu den felsigen Buchten Schottlands. Diese Weite und Ruhe fühlten sich wie die perfekte Abrundung unseres ersten Tages in Northumbria an.
Fazit: Bamburgh Castle ist sehenswert, aber noch spannender ist das, was darunter verborgen war.
Fünf Tage in Aberdeen reichen aus, um zu erkennen, dass diese Stadt voller Kontraste steckt. Auf den ersten Blick wirkt sie durch ihren grauen Granit und das oft düstere Wetter eintönig und kühl, fast steril. Doch wer genauer hinsieht, entdeckt eine lebendige Café-, Restaurant- und Shopping-Szene, die dem Stadtbild eine überraschende Dynamik verleiht. Es ist eine Stadt im Wandel, eine, die nicht ganz weiß, wo sie hingehört – zwischen vergangenem Reichtum und einer ungewissen Zukunft.
Marishall College
Früher war Aberdeen das pulsierende Zentrum des Ölbooms. Man erzählte mir, dass man keine Straße entlanggehen konnte, ohne alle paar Meter jemandem im Anzug zu begegnen. Heute ist das anders. Die Industrie zieht sich zurück, und mit ihr verschwindet auch der sichtbare Wohlstand. Das merkt man nicht nur an der Atmosphäre, sondern auch an den Immobilienpreisen – laut einer aktuellen Studie sind die Hauspreise hier die niedrigsten in ganz Schottland. Ein Glücksfall für Käufer, aber eben auch ein deutliches Zeichen dafür, dass der Markt sich woandershin verlagert.
Grey Granite
Gleichzeitig gibt es in Aberdeen eine tief verwurzelte Tradition des Wissens. Die Universität, gegründet im 15. Jahrhundert, gehört zu den ältesten des Landes. Besonders spannend finde ich, dass hier Kriminologie studiert werden kann – eine Disziplin, die einen faszinierenden Einblick in reale Verbrechen gewährt. Viele Professoren engagieren sich aktiv im True-Crime-Spektrum, was Aberdeen einen modernen, intellektuellen Anstrich gibt.
Old Aberdeen, University District
Architektonisch hat die Stadt einige beeindruckende Gebäude zu bieten: die Cowdray Hall, das Marischal College, die Music Hall – alle aus massivem Granit. An sonnigen Tagen reflektiert der Stein das Licht auf eine fast silbrige Weise, aber an trüben Tagen verstärkt er nur die monotone Farbgebung der Stadt. Es gibt wenig Farbe, weder im Stadtbild noch oft im Wetter. Umso spannender sind die Street-Art-Murals im Banksy-Stil, die plötzlich aus dem Grau herausstechen und Aberdeen einen Hauch von Subkultur verleihen.
Street Art
Aberdeen ist ein Ort, den man erlebt haben muss. Ihre Gegensätze machen sie faszinierend – eine Mischung aus reicher Geschichte, intellektuellem Anspruch und einem Hauch von Melancholie. Ob ich hier leben wollte, weiß ich nicht. Aber als Reiseziel? Absolut. Ein Ort, der überrascht und irritiert – aber genau das macht ihn spannend.
Schottland ist ein Land mit einer dunklen und faszinierenden Kriminalgeschichte. Ich war an der Ostküste und habe mir eines der bekanntesten und berüchtigtsten Gefängnisse des Landes angesehen: das Peterhead Prison, oft als Scotland’s Alcatraz oder Scotland’s Gulag bezeichnet. Teil meiner Recherche für das neue Buch in der Highland Crime Serie.
Ein Ort voller Geschichten
Das Gefängnis liegt direkt an der Küste von Peterhead, einer Stadt mit langer Seefahrtsgeschichte. Ursprünglich wurde es gebaut, um billige Arbeitskräfte für den nahegelegenen Admiralty Yard zu haben, ein strategischer Stützpunkt der Royal Navy. Die Häftlinge wurden jedoch nicht – wie oft angenommen – für den Hafenbau eingesetzt, sondern ausschließlich für Zwangsarbeit im Steinbruch.
Zwischen 1890 und 1956 wurde das Gefängnis gebaut, doch durch Kriege und die Weltwirtschaftskrise zog sich die Fertigstellung über Jahrzehnte hin. Es war das einzige schottische Convict Prison, ein Hochsicherheitsgefängnis für die härtesten Fälle, und es sah mehrere Aufstände, darunter den berühmten Rooftop Riot von 1987, der erst nach fünf Tagen durch das Special Air Service (SAS) beendet wurde.
Düstere Einblicke in die Vergangenheit
Schon der Rundgang durch das Gefängnis war beklemmend. Mit einem Audioguide konnte ich mich frei bewegen – eine bittere Ironie in einem Ort, der genau das den Insassen verwehrte. Die winzigen Zellen, die Gänge mit den rostigen Gittern, der kahle Innenhof mit einem aufgemalten Fußballtor – als ob das hier jemals ein echtes Spielfeld gewesen wäre. Das Wort Strafraum bekam für mich eine ganz neue Bedeutung.
Besonders bedrückend empfand ich die Außenkäfige für den Freigang. Karge, ummauerte Flächen, von Stacheldraht umgeben. Hier konnten sich die Insassen „an der frischen Luft“ bewegen – allerdings unter maximaler Kontrolle.
Ich entdeckte Zellen mit künstlichem Blut, die an vergangene Verbrechen erinnerten, sah selbstgebastelte Waffen und originale Dokumente, die die Geschichte dieses Ortes erzählten. Die Strafen waren brutal: Gefangene wurden mit einer speziellen Peitsche ausgepeitscht, die das Fleisch aufriss. Das Gerüst, an das sie dafür gebunden wurden, existiert noch immer.
Und dann stand da ein Klavier. Ein Relikt aus einer Zeit, in der Musik vielleicht die einzige Möglichkeit war, dem monotonen, erbarmungslosen Gefängnisalltag zu entfliehen. Ein surrealer Anblick zwischen all der Kälte und Gewalt.
Kein Ort zum Verweilen
Am Ende meines Rundgangs kam ich in ein modernes, gemütliches Café. Der Kontrast hätte nicht größer sein können – aber ich hatte keinerlei Lust, mich hinzusetzen, einen Kuchen zu essen oder Kaffee zu trinken.
Krimis ziehen uns in ihren Bann – wir raten mit, fiebern mit und versuchen, die Täter zu entlarven. Aber wie sieht die Realität hinter der gelben Absperrung wirklich aus? Granite Noir bot mit der Veranstaltung Behind the Crime Scene Tape – Interactive Forensic Science Experiment die perfekte Gelegenheit, genau das herauszufinden. Zusammen mit Kriminologie-Studierenden der Universität Aberdeen konnten wir in die Welt der Spurensicherung eintauchen – inklusive Beweisanalyse und realitätsnaher Fallbearbeitung. Das Ganze fand in den Anatomy Rooms in Aberdeen statt, einem ehemaligen Seziersaal, in dem einst Leichen obduziert wurden. Heute ist es ein kreatives Zentrum für Kunst, Vorträge und Bildungsangebote – aber die Atmosphäre hat immer noch einen leicht morbiden Charme.
Wendy Deegan – Eine Forensikerin mit Witz und Erfahrung
Unsere Gastgeberin war Wendy Deegan, eine Forensikerin mit jahrzehntelanger Erfahrung bei der Polizei. Klein, drahtig, mit grau melierten Haaren und einer Hornbrille, die sie immer wieder auf der Nase zurechtrückte. Sie hatte eine beeindruckende Präsenz – selbstbewusst, schlagfertig und mit einem trockenen Humor, der den Raum füllte. Sie war die perfekte Frau für harte Realität der Forensik jenseits der glamourösen Hollywood-Version.
Drei Dinge, die du garantiert nicht aus Krimiserien weißt
Tatorte sind Teamwork – einsame Ermittler gibt es nur im Fernsehen.
Jeder Schritt wird dokumentiert, nichts wird dem Zufall überlassen. Und wer glaubt, er könne nachts heimlich in einen Tatort schleichen und Beweise sichern, hat zu viele Krimis gesehen.
Luminol ist keine Zauberei.
Klar, im Fernsehen leuchtet es blau und enthüllt perfekte Blutspuren. In der Realität? Nur, wenn der Raum stockdunkel ist. Außerdem sollte man es nicht einatmen.
Fingerabdrücke sind nicht immer die ultimative Spur.
Sie sind oft verschmiert oder unvollständig. Deshalb müssen in Schottland immer zwei Experten unabhängig voneinander Abdrücke auswerten. Ein Skandal führte zu dieser Regel – eine Polizistin wurde fälschlicherweise eines Verbrechens beschuldigt, weil ihre Abdrücke falsch interpretiert wurden.
Teste dein Forensik-Wissen – Wahr oder Falsch?
Jetzt bist du dran! Was ist Fakt, was ist Fiktion?
1. Ermittler am Tatort tragen keine Masken, weil das nicht nötig ist.
Wahr oder falsch?
2. Ein Fingerabdruck auf einer Bierflasche bedeutet, dass die Person am Tatort war.
Wahr oder falsch?
3. Blutspuren kann man mit normaler Wandfarbe einfach überstreichen.
Wahr oder falsch?
(Antworten am Ende des Blogposts!)
Fazit – Wenn die Realität spannender ist als Fiktion
Nach diesem Workshop sehe ich Krimis mit ganz anderen Augen. Spurensicherung ist eine Wissenschaft für sich – oft akribisch, manchmal unspektakulär, aber immer entscheidend. Was uns Serien verschweigen? Die Geduld und Präzision, die es braucht, um echte Beweise zu sichern.
Antworten:
Falsch – Masken sind unerlässlich, um Beweise nicht zu kontaminieren und sich selbt nicht zu gefährden.
Falsch – Der Fingerabdruck könnte schon vor Tagen oder Wochen, z.B. im Laden auf die Flasche gelangt sein.
Falsch – Nur eine komplett deckende Lackfarbe kann Blutspuren wirklich unsichtbar machen.
Tag 2 beim Granite Noir Crime Festival in Aberdeen
Am Abend besuche ich eine weitere Veranstaltung. Paula Hawkins betritt die Bühne mit einer ruhigen, aber bestimmten Ausstrahlung. Man merkt sofort, dass sie an solche Veranstaltungen gewöhnt ist – sie spricht klar, nimmt ihr Publikum mit und vermittelt den Eindruck, als habe sie schon unzählige Male über ihre Bücher referiert. The Girl on the Train war ihr großer Durchbruch, ein psychologischer Thriller, der weltweit über 23 Millionen Mal verkauft wurde. Der Roman, in dem eine unzuverlässige Erzählerin im Mittelpunkt steht, begeisterte Millionen und wurde 2016 mit Emily Blunt in der Hauptrolle verfilmt.
Hawkins spricht über die Verfilmung mit einer Mischung aus Stolz und Distanz. Sie hatte keinen Einfluss auf die Umsetzung, was sie bedauert. Die Verfilmung war erfolgreich, doch sie hätte sich vielleicht mehr Kontrolle gewünscht. Emily Blunt, die die Hauptrolle der Rachel Watson spielte, wurde für ihre Darstellung gelobt – eine gebrochene, verzweifelte Frau, die sich an die Bruchstücke ihres Gedächtnisses klammert. Blunts Leistung machte den Film noch intensiver, doch Hawkins selbst scheint sich mit dem Medium Film nicht allzu sehr identifizieren zu wollen.
Die Macht des unzuverlässigen Erzählers und die Faszination der Außenseiterfiguren
In der Spannungsliteratur spielt der unzuverlässige Erzähler eine zentrale Rolle, um Unsicherheit und Nervenkitzel zu erzeugen. Wenn Leserinnen und Leser nicht wissen, ob sie der Perspektive der Hauptfigur trauen können, entsteht ein Gefühl der Ungewissheit, das die Geschichte umso fesselnder macht. Diese Technik erlaubt es, Informationen bewusst zurückzuhalten oder zu verzerren, wodurch eine vielschichtige Erzählstruktur entsteht, die das Publikum herausfordert, sagt Hawkins.
Besonders Außenseiterfiguren bieten eine tiefe emotionale Dimension. Menschen, die sich am Rande der Gesellschaft bewegen, haben oft eine einzigartige Perspektive auf die Welt – eine Perspektive, die von Einsamkeit, Schmerz, aber auch unerwarteter Stärke geprägt sein kann. Ihre Isolation macht sie zu idealen Protagonisten für Geschichten, die mit psychologischer Tiefe arbeiten und existenzielle Fragen berühren.
Ein weiteres klassisches Motiv ist der Erinnerungsverlust – insbesondere das Unvermögen, sich an die Ereignisse der vergangenen Nacht zu erinnern. Dieses Element sorgt für Unbehagen und Spannung: Was ist wirklich passiert? Wem kann man trauen? Und was, wenn die größte Gefahr in einem selbst liegt? Die Unsicherheit über die eigene Wahrnehmung führt zu einem ständigen Wechselspiel zwischen Wahrheit und Täuschung.
Schande und Verletzlichkeit ziehen sich als zentrale Themen durch viele Romane, denn sie verleihen Figuren eine besondere Tiefe. Wenn Protagonisten mit ihrer Vergangenheit oder ihren eigenen Fehlern ringen, entsteht eine emotionale Bindung zum Publikum, das ihre inneren Kämpfe mitverfolgt. Diese Motive treiben nicht nur die Handlung voran, sondern machen die Geschichten authentisch und nachvollziehbar.
Durch den Einsatz wechselnder Erzählperspektiven gelingt es, dasselbe Ereignis aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Dies ermöglicht nicht nur eine facettenreiche Darstellung der Handlung, sondern auch das bewusste Zurückhalten von Informationen, um Spannung zu erzeugen. So kann das Publikum nach und nach selbst die Puzzleteile zusammensetzen – oder sich von unerwarteten Wendungen überraschen lassen.
Paula Hawkins nutzt all diese Elemente meisterhaft in ihren Romanen und erschafft so packende, psychologische Thriller, die bis zur letzten Seite fesseln.
Ich frage mich, ob ich ähnliche Techniken in meiner Highland Crime Serie bereits nutze. Haben Issy und Robert genug gemeinsame Szenen? Oder sind die eine verpasste Chance für wechselnde Perspektiven? Wären mehrere Erzählperspektiven gut für den fünften Fall?
Nach der Veranstaltung denke ich darüber nach, warum ich eigentlich schreibe. Will ich Bestsellerautorin werden? Oder reicht es mir, Freude am Schreiben zu haben? Paula Hawkins ist vier Jahre jünger als ich – eine Autorin mit internationalem Erfolg. Ich bewundere ihren Weg, aber ich muss meinen eigenen finden.
Ich freue mich auf morgen – und darauf, meine Gedanken weiterzuentwickeln.