
Hadrianswall – Eine Mauer gegen die Pikten
Der Hadrianswall ist eine der beeindruckendsten Hinterlassenschaften des Römischen Reiches in Großbritannien. Im Jahr 122 n. Chr. beschließt Kaiser Hadrian, dass es jetzt reicht mit den wilden Barbaren aus dem Norden. Also lässt er eine Mauer bauen. Eine große Mauer. Eine sehr lange Mauer. Ganze 117 Kilometer erstreckt sie sich von der Ostküste bei Newcastle bis zur Westküste bei Bowness-on-Solway.
Und warum? Wegen der Pikten. Die Pikten sind die Urbewohner Schottlands – furchtlose Krieger, die sich mit blauer Farbe bemalen, mit Vorliebe nachts angreifen und sich in den Wäldern verstecken, wenn die Römer zurückschlagen wollen. Guerillakrieg, bevor es überhaupt ein Wort dafür gibt. Das Problem für die Römer: Sie lieben ordentliche, planbare Kriege mit geraden Schlachtreihen. Die Pikten halten sich nicht an diese Regeln. Also bleibt den Römern nur eine Möglichkeit: Sie mauern sich ein.

Und was für eine Mauer das ist! Bis zu sechs Meter hoch, fast drei Meter dick und gespickt mit Wachtürmen, Meilenkastellen und großen Garnisonen. Sie ist ein militärisches Bollwerk, aber auch eine Art antike Zollstation. Wer aus dem Norden nach Süden will, braucht eine Genehmigung. Klingt mühsam, aber für die Römer ist es besser als ständig plündernde Pikten in den Grenzstädten.
Der Hadrianswall bleibt für Jahrhunderte in Betrieb, bis die Römer irgendwann einsehen, dass sie Britannien ohnehin nicht halten können. Danach verfällt er langsam, die Steine werden für Bauernhäuser und Straßen verbaut, und irgendwann sieht er mehr nach Ruine als nach Grenzfestung aus. Aber heute ist er noch erstaunlich gut erhalten.

Der Mann und ich haben beide noch nie viel davon gesehen, also erkunden wir ihn. Oder versuchen es zumindest. Ein Spaziergang entlang der Mauer klingt in der Theorie fantastisch, aber in der Praxis ist es gar nicht so einfach. Parkplätze? Nur an den offiziellen, kostenpflichtigen Bereichen. Einfach irgendwo anhalten? Fehlanzeige. Also suchen wir eine Stelle, wo wir endlich ein Stück laufen können. Und was soll ich sagen? Diese Mauer ist beeindruckend. Breit, stabil und unfassbar präzise gebaut – und das alles ohne Maschinen. Ich stehe fassungslos davor und frage mich, wie viele Legionäre und Sklaven wohl geflucht haben, als sie die Steine schleppten. Wahrscheinlich alle.
Die Borders – Umkämpftes Grenzland
Während der Hadrianswall eine militärische Grenze war, haben die Borders – das Grenzgebiet zwischen Schottland und England – eine ganz andere Geschichte. Über Jahrhunderte hinweg ist diese Region ein einziger Spielplatz für Kriege, Überfälle und Plünderungen. Hier verschiebt sich die Grenze ständig, je nachdem, wer gerade die Oberhand hat. Die Schotten? Die Engländer? Die Clans, die mal für die eine, mal für die andere Seite kämpfen? Niemand weiß es genau. Klar ist nur: Leben möchte man hier in der Vergangenheit lieber nicht.
Warum ist dieses Gebiet so umkämpft? Ganz einfach: Es ist fruchtbares Land, reich an Bodenschätzen und Handelsrouten. Wer die Borders kontrolliert, ist mächtig.

Im Mittelalter treiben hier die berüchtigten Border Reivers ihr Unwesen – Reiterbanden, die für niemanden außer sich selbst kämpfen. Heute würde man sie wohl als mittelalterliche Gangster bezeichnen. Sie stehlen Vieh, brennen Dörfer nieder und verschwinden wieder in den Hügeln. Namen wie Armstrong, Elliot oder Scott sind hier legendär – entweder als Helden oder als gefürchtete Banditen.
Erst mit der Vereinigung Schottlands und Englands 1707 beruhigt sich die Lage, aber bis dahin ist es ein wilder Ritt. Heute ist die Landschaft friedlich, grün und wunderschön – kein Vergleich zu früher. Während wir entlang des Hadrianswalls laufen, stelle ich mir vor, wie hier einst römische Soldaten Wache hielten, Pikten lauerten und Jahrhunderte später schottische und englische Krieger um dasselbe Stück Land kämpften. Heute sind es nur wir, ein paar Wanderer und eine beeindruckende Mauer, die noch immer standhaft die Geschichte bewacht.

Ein Roadtrip entlang der alten Grenze
Der Mann und ich fahren mit dem Auto quer an der alten Grenzlinie entlang, die uns mal nach England, mal nach Schottland bringt. Es ist eine witzige Erfahrung, denn es gibt nicht immer ein Schild, das uns mitteilt, wo wir gerade sind. Während auf den großen Straßen selbstverständlich riesige Schilder prangen – „Welcome to Scotland“ hier, „Welcome to England“ dort – verschwinden sie auf den kleinen Straßen oft völlig. Ich frage mich, ob wir uns gerade in England oder Schottland befinden, während der Mann nur trocken meint: „Ist doch egal, solange wir nicht zurück in den römischen Grenzbereich kommen.“ Sehr witzig.