The Blue Hour – Paula Hawkins’ Buchvorstellung

Tag 2 beim Granite Noir Crime Festival in Aberdeen

Am Abend besuche ich eine weitere Veranstaltung. Paula Hawkins betritt die Bühne mit einer ruhigen, aber bestimmten Ausstrahlung. Man merkt sofort, dass sie an solche Veranstaltungen gewöhnt ist – sie spricht klar, nimmt ihr Publikum mit und vermittelt den Eindruck, als habe sie schon unzählige Male über ihre Bücher referiert. The Girl on the Train war ihr großer Durchbruch, ein psychologischer Thriller, der weltweit über 23 Millionen Mal verkauft wurde. Der Roman, in dem eine unzuverlässige Erzählerin im Mittelpunkt steht, begeisterte Millionen und wurde 2016 mit Emily Blunt in der Hauptrolle verfilmt.

Hawkins spricht über die Verfilmung mit einer Mischung aus Stolz und Distanz. Sie hatte keinen Einfluss auf die Umsetzung, was sie bedauert. Die Verfilmung war erfolgreich, doch sie hätte sich vielleicht mehr Kontrolle gewünscht. Emily Blunt, die die Hauptrolle der Rachel Watson spielte, wurde für ihre Darstellung gelobt – eine gebrochene, verzweifelte Frau, die sich an die Bruchstücke ihres Gedächtnisses klammert. Blunts Leistung machte den Film noch intensiver, doch Hawkins selbst scheint sich mit dem Medium Film nicht allzu sehr identifizieren zu wollen.

Die Macht des unzuverlässigen Erzählers und die Faszination der Außenseiterfiguren

In der Spannungsliteratur spielt der unzuverlässige Erzähler eine zentrale Rolle, um Unsicherheit und Nervenkitzel zu erzeugen. Wenn Leserinnen und Leser nicht wissen, ob sie der Perspektive der Hauptfigur trauen können, entsteht ein Gefühl der Ungewissheit, das die Geschichte umso fesselnder macht. Diese Technik erlaubt es, Informationen bewusst zurückzuhalten oder zu verzerren, wodurch eine vielschichtige Erzählstruktur entsteht, die das Publikum herausfordert, sagt Hawkins.

Besonders Außenseiterfiguren bieten eine tiefe emotionale Dimension. Menschen, die sich am Rande der Gesellschaft bewegen, haben oft eine einzigartige Perspektive auf die Welt – eine Perspektive, die von Einsamkeit, Schmerz, aber auch unerwarteter Stärke geprägt sein kann. Ihre Isolation macht sie zu idealen Protagonisten für Geschichten, die mit psychologischer Tiefe arbeiten und existenzielle Fragen berühren.

Ein weiteres klassisches Motiv ist der Erinnerungsverlust – insbesondere das Unvermögen, sich an die Ereignisse der vergangenen Nacht zu erinnern. Dieses Element sorgt für Unbehagen und Spannung: Was ist wirklich passiert? Wem kann man trauen? Und was, wenn die größte Gefahr in einem selbst liegt? Die Unsicherheit über die eigene Wahrnehmung führt zu einem ständigen Wechselspiel zwischen Wahrheit und Täuschung.

Schande und Verletzlichkeit ziehen sich als zentrale Themen durch viele Romane, denn sie verleihen Figuren eine besondere Tiefe. Wenn Protagonisten mit ihrer Vergangenheit oder ihren eigenen Fehlern ringen, entsteht eine emotionale Bindung zum Publikum, das ihre inneren Kämpfe mitverfolgt. Diese Motive treiben nicht nur die Handlung voran, sondern machen die Geschichten authentisch und nachvollziehbar.

Durch den Einsatz wechselnder Erzählperspektiven gelingt es, dasselbe Ereignis aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Dies ermöglicht nicht nur eine facettenreiche Darstellung der Handlung, sondern auch das bewusste Zurückhalten von Informationen, um Spannung zu erzeugen. So kann das Publikum nach und nach selbst die Puzzleteile zusammensetzen – oder sich von unerwarteten Wendungen überraschen lassen.

Paula Hawkins nutzt all diese Elemente meisterhaft in ihren Romanen und erschafft so packende, psychologische Thriller, die bis zur letzten Seite fesseln.

Ich frage mich, ob ich ähnliche Techniken in meiner Highland Crime Serie bereits nutze. Haben Issy und Robert genug gemeinsame Szenen? Oder sind die eine verpasste Chance für wechselnde Perspektiven? Wären mehrere Erzählperspektiven gut für den fünften Fall?

Nach der Veranstaltung denke ich darüber nach, warum ich eigentlich schreibe. Will ich Bestsellerautorin werden? Oder reicht es mir, Freude am Schreiben zu haben? Paula Hawkins ist vier Jahre jünger als ich – eine Autorin mit internationalem Erfolg. Ich bewundere ihren Weg, aber ich muss meinen eigenen finden.

Ich freue mich auf morgen – und darauf, meine Gedanken weiterzuentwickeln.

Der Mörder in mir

Es ist schon eine Weile her, dass ich die Idee hatte, einen Krimi zu schreiben. Gehört unter Journalisten inzwischen fast schon zum guten Ton. Außerdem hab ich schon so viel über mein Leben und die Geschichte Schottlands geschrieben, es war Zeit für was Neues, Zeit für Fiktion.

Natürlich sollte es ein Schottland Krimi sein, ich habe eines Tages einfach angefangen und losgeschrieben. Die Angst for dem Anfang, vor einer leeren Seite, hatte ich noch nie. Doch diese war eine andere Art des Schreibens, die mich natürlich sofort zu der Frage brachte – was für ein Typ Krimiautor bin ich eigentlich? Einer, der lange und wohüberlegt ein komplexes Plot entwickelt und strukturiert Passagen entwirft? Oder einer, der sich treiben lässt von Ideen und Charakteren seiner Geschichte? Thomas Mann hätte es den dionysischen und den apollinischen Ansatz genannt.

Welche Sorte Krimiautor bin ich?

Ich stelle fest, ich bin beides. Was die sortierte Herangehensweise und die Arbeitsdisziplin anbelangt, bin ich definitiv appolonisch, man könnte auch sagen sehr deutsch. Ich stehe auf, mache Sport und schreibe mit Disziplinfür ein paar Stunden. Da ich noch berufstätig bin, eben an den Wochenenden. Aber beim Schreiben selbst hört die Ordnung auf und zu meiner eigenen Überraschung übernehmen die Figuren im Buch das Kommando. Der Krimi schrieb sich ganz von selbst und ich schaute nicht nur gebannt zu, ich dokumentierte, was ich sah.

Ich hatte den Anfang gemacht, der Mord, der Mörder, alles war klar und das Buch auf einem guten Weg. Dann schoben sich andere Projekte in den Vordergrund und ich legte den Krimi erst mal auf Eis.

Was braucht man, um einen Krimi zu schreiben?

Und dann ging ich es richtig an: Ich entwarf ein crime board an meiner Schreibüttenwand, klebte bunte Post-its drauf, hing eine Landkarte auf, wo ich Tatort und Fundort der Leiche markierte. Jetzt tauchte ich tief ein in die Mordgeschichte. Meine Schreibhütte mit dem traumhaften Blick auf Meer und Berge der schottischen Highlands gab mit die Abgeschiedenheit und Ruhe, die ich für den Prozess brauchte und gleichzeitig die Inspiration für das Setting der Handlung.

Nun begann ich ernsthaft zu schreiben und wenige Kapitel später wurde mir klar: Das Motiv meines Möders überzeugte mich nicht wirklich und eigentlich fand ich ihn viel zu sympathisch, um ihn zu einem Killer zu machen. Und nun? Ich musste umschreiben.

Wenn der Krimi ein Eigenleben entwickelt

Ich machte einen anderen meiner Charaktere zum Mörder. Doch damit änderte sich auch die Mordwaffe, denn die ist etwas sehr persönliches. Und damit war klar, ich musste noch einmal komplett durch die bisherigen Kapitel und umschreiben, denn wenn sich die Todesursache ändert, ändert sich so Vieles ebenfalls: Erkenntnisse des Pathologen, Entsorgung der Waffe, Verfügbarkeit der Waffe, Zeugen, Verdächtige …

Nun floss die Geschichte förmlich aus mir heraus. In dem Moment, in dem ich mich an dem Schreibtisch setzte und den Laptop aufklappte, lebten meine Protagonisten und ich schrieb auf, was sie dachten und durchmachten. Ich war mittendrin.

Demnächst: Der Tatort

In Arbeit: Reiseinspirationsbuch Schottland

Liebe Leser,

wie manche von euch schon wissen schreibe ich gerade an einem weiteren Buch und natürlich spielt Schottland wieder die Hauptrolle. Ich habe über die Jahre in Schottland so viele Geschichten und spannende Hintergründe zusammengetragen, dass ich gar nicht anders kann, als sie zu einem Buch zusammenzufügen.

Und nun hätte ich von euch gern so viel wie möglich Feedback zu allem was euch gefällt oder nicht: Schreibstil, Themenauswahl, Inhalt, Struktur, Bilder usw. 

Die Fotos liefert der Mann zu, es wird also ein schottisch-deutsches Gesamtwerk und macht schon deshalb sehr große Freude. 

In den nächsten sechs Wochen werde ich immer sonntags Teile des ersten Kapitels hier vorveröffentlichen und hoffe sehr, dass von euch viele Rückmeldungen kommen. Seid kritisch!  Bringt euch ein! Danke. 

Nellie

 ©derMann Reiseinspirationsbuch Schottland

Klappentext und Buchrücken

Das Reiseinspirationsbuch Schottland ist ein Reiseführer zum Schmökern und Genießen. Er führt an unbekannte Orte und erzählt Geschichten, weit weg von den klassischen Reiseführern aber viel näher dran am wahren schottischen Leben, Orte, die es möglich machen ein Land so zu erleben, wie es wirklich ist. Mit dem Reiseinspirationsbuch kann man Schottland bei einem Besuch ganz anders erfahren oder sich einfach zu Hause auf dem Sofa hinträumen.

Mit dem Reiseinspirationsbuch Schottland eintauchen in die aufregende Geschichte des Landes, in wunderbarer Natur schwelgen und fast vergessene Orte entdecken, wo die Geschichte Schottlands wahrhaft lebt, abseits der Touristenströme in Edinburgh, Loch Ness oder Glencoe und dennoch mitten im Herzen Schottlands.

Die 35 Kapitel entsprechen den alten und klangvollen Grafschaften und Sheriffdoms, die traditionellen Regionen statt der modernen Verwaltungsbezirke, weil die für die Schotten noch immer das Maß der geographischen Dinge sind und weil schottische Geschichte für die Autorin eine ganz große Rolle spielt, sie hat schottische Geschichte und schottische Literatur an der University of Glasgow studiert,

Geschichte, Geschichten und Geheimnisse – oft sind die drei nicht exakt voneinander zu trennen; Schauriges, Schönes, Wahres, Lustiges und oft auch Grausames.  Das macht dieses Land so wunderbar und einzigartig.

Die Bilder zu den Texten von Nellie Merthe Erkenbach stammen von  Ewan Roy MacGregor. Er fotografiert seine Heimat Schottland seit vielen Jahrzehnten, Momente und Orte, deren Schönheit einem ein ums andere Mal den Atem nimmt. Nach einer erfolgreichen Karriere als Musiker in Glasgow lebt er nun in den schottischen Highlands, die ihn immer wieder aufs Neue inspirieren.

Der Feenhügel in Inverness, ein Salpetermord auf Shetland, Wölfe gestern und heute, der unvermeidliche Bonnie Prince Charlie, die geheime Bucht des Schriftstellers Gavin Maxwell, ein Hotelgeist, ein mordender Dichter und natürlich auch Whisky, Schafe und Tartan. Nur eben ganz anders.

Machen sie es sich in ihrem Lieblingslesesessel gemütlich und kommen sie mit auf die Reise in die Seele Schottlands.