Abschiede sind Teil meines Lebens geworden, seit ich eine zweite Existenz in Schottland habe. In der Regel bin ich zweimal im Jahr für längere Zeit in Schottland und der Mann für kürzere Zeit zwei Mal im Jahr in Deutschland. Ich kann mir meine berufliche Zeit etwas freier einteilen als er und arbeite in der Zeit in Deutschland meist durch. Damit habe ich in Schottland nicht nur Urlaub, sondern auch die Wochenenden, die ich in Deutschland nicht hatte.
Diese Reisen zwischen den Welten sind für uns nach all den Jahren fast schon selbstverständlich geworden. Die häufigen Abschiede lassen mich die Gegenwart mehr schätzen. Ich schätze auch die schönen Dinge viel mehr als ohne Abschiede. Insofern sind Abschiede etwas Gutes. Abschiede von Schottland sind allerdings nie schön und der wehmütige Blick auf Meer ist nun schon ein vertrauter Bestandteil meines Lebens geworden.
Weil aber das Leben oben im schönen Norden weiter geht, auch wenn ich nicht da bin, kommen über die Jahre noch Abschiede aus der Ferne hinzu.
Unsere Nachbarn Carol und Tam zogen fort zu ihren Kindern, Jane und ihr dementer Mann, dessen Hund mich einst biss, sind beide gestorben. Erst er, dann kurz darauf sie.
Nun sagt mir der Mann, dass John die Post in Rente gegangen ist. Er hat es keinem gesagt aber sich bei seiner letzten Tour verabschiedet. Ich glaube nicht, dass es mich in Deutschland treffen würde, wenn mein Postbote in Rente geht. Er ist ein netter Mensch und alles aber John die Post ist eben nicht nur ein Postbote. Er ist die Seele, die die Menschen am Loch verbindet. Wenn John nicht mehr vorbeikommt, dann wird uns allen etwas fehlen.
Mir wird er ganz besonders fehlen. Er war so stolz, dass er in meine in Buch vorkam und hat es sich prompt vom netten Schwaben im nächsten Dorf übersetzen lassen. Also die Teile, in denen er vorkam. „Da hast du mich ja gut aussehen lassen.“ hat er gesagt. Warum auch nicht, alle mochten ihn. Selbst meine Mutter backt ihm zu Weihnachten immer eine Linzertorte. John wiederum gibt mir immer ein kleines Präsent für sie mit und fragt regelmäßig nach, wie es meinen Eltern geht. John und meine Eltern haben sich im Übrigen nie getroffen. Sie halten trotz dem Kontakt.
Und nun geht er in Rente und genießt das Leben. Und ich sitze im Schwarzwald und schau auf die Frühlingsblüten statt die Wellen und kann nicht einmal auf Wiedersehen sagen. Das ist ein Abschied, den ich sehr ungern verpasse. So ist das, wenn man zwei Leben hat. Manchmal ist man eben nicht da, wo man gerne wäre. So schön es auch ist, wo man ist.
Liebe Nellie,
Vielen Dank für diesen zweiten Beitrag in dieser Woche. Ich hatte schon befürchtet, dass es diesen Sonntag keinen gibt. Man könnte sich an zwei Geschichten je Woche gewöhnen😉.
Diesmal macht mich Deine Geschichte ein wenig nachdenklich – und auch fast ein wenig sentimental.
Ich denke gerade darüber nach, von wie vielen Menschen ich so die letzten 50 Jahre Abschied nehmen musste. Oft leider endgültig. Auch wenn es zum Leben natürlich dazu gehört, macht es einen doch manchmal traurig.
Deswegen ist es umso wichtiger, dass man sie nicht vergisst. In der Erinnerung leben sie weiter.
Ich wünsche Euch, dass der Nachfolger von John sich als würdig erweist.
LGA
Schluchz! Ein wirklich bewegender Eintrag. Auch mir wird John fehlen.
Desgleichen meine eigene kernige Postbotin, wenn sie denn mal in Rente geht. Solche Alltagsbegegnungen sind einfach auch sehr wertvoll, auch wenn man diese Unikate erst so richtig wertschätzt, wenn sie nicht mehr da sind …
Ich glaube John ist schon jetzt der meist vermisste Postbote jenseits des Mississippi 😢
liebe nellie,
neeeiiiin, ich dachte ich schaffe es noch mich von post john aus dem kreisverkehr
retten zu lassen. zu spät, jetzt bin ich traurig.
ob ihr wieder so eine seele von mensch bekommen werdet, ich hoffe es sehr, er ist
einem so sehr ans herz gewachsen.
liebe grüße
kar
Ja, ist das nicht schrecklich. Meine Mutter ist auch schon ganz deprimiert, wegen der Linzertorte. Sein Nachfolger ist wohl eine Frau. Ich werde berichten, sobald ich sie kennengelernt habe. LGN
ja, bitte, berichte. aber er fehlt schon jetzt. kann man nicht herausbekommen, wo er wohnt,
damit man ihm zeigen kann, er ist nie vergessen?!
ich weiß, daß schottische dedektive hervorragende arbeit leisten 😉
liebe grüße
kar
Ich werde ihn schon finden. Schließlich will ich ihm ja auch sagen, wie sehr er auch in Deutschland fehlt. Er ist ja schon ein wenig stolz auf seinen Part in meinem Buch und wird sich sicher freuen zu hören, dass ihn so viele Menschen schätzen.