Betrüger-Brüder

Im Gälischen nennt man das Jahr 1745 bliadhna Theàrlaich (sprich: blijanna tscherllich), Charlie’s Jahr. Das bezieht sich auf Charles Edward Stuart und dessen Versuch, 1745 des schottischen Thron zu erobern, den seine Linie verloren hatte. Ein Mann, der Geschichte geschrieben hat, romantische wie tragische. Der gescheiterte Versuch hate brutale Folgen für die gälisch sprechende Bevölkerung der Highlands.  

St Mary's Chapel Eskadale graveyard @nme Nellie Merthe Erkenbach

In Strathglass, einer katholischen Gegend in der die Unterstützung für Bonnie Prince Charlie groß war, findet sich das Grab zweier Brüder, beide vermeintliche Stuarts. Ein stolzes Steinkreuz markiert das Grab von John Sobieski Stuart, auch bekannt als „The Chevalier“, beide Namen sind nicht echt, man könnte sie tatsächlich als seine Künstlernamen bezeichnen, weil er ins Rampenlicht trat, um das zu sein, was jeder schottische Romantiker sehen wollte – ein verlorener Nachkomme des letzten und tragischen schottischen Prinzen. Er war ein Betrüger, genau wie sein Bruder.

Grab des Sobieski Stuart Eskadale @nme Nellie Merhe Erkenbach

John Carter Allen (1795–1872) und Charles Manning Allen (1802–1880) beschlossen eines Tages, sich als Enkel von Bonnie Prince Charlie zu etablieren, und zu behaupteten, der Prinz habe mit seiner deutschen Frau Prinzessin Louise von Stolberg-Gedern in Italien einen heimlichen Sohn gezeugt. Er sei damals 51 und sie 19 gewesen. Dann seien das Kind, der jakobitische Erbe, auf das Schiff des Großvaters gebracht worden. Der Großvater habe daraufhin diesen königlichen Flüchtling adoptiert und ihn als seinen eigenen aufgezogen. Als Söhne dieses Vaters behaupteten die beiden Brüder, verlorene Enkel von Charles Edward Stuart zu sein.

Das Grab der vermeintlichen Stuarts

Dies war natürlich eine komplette Erfindung, aber die Brüder lebten ihre Rolle. In Kilt und Tartan gekleidet durchstreiften sie die Highlands, konvertierten zum Katholizismus und lebten unter dem Schutz jakobitischer Clans wie den Frasers. Der 14. Lord Lovat baute sogar eine Jagdhütte auf einer Insel im Fluss Beauly für die beiden und gewährte ihnen eine letzte Ruhestätte im Kirchhof von St. Mary’s in Eskadale. Ob er ihnen geglaubt hat? Wer weiß, aber er hat sie sicherlich gut behandelt.

Diejenigen, die behaupteten, Charlies Enkel zu sein, gaben bis zum Ende vor, das zu sein, was sie nicht waren – von königlichem Blut. Sie hatten natürlich einen gewissen Einfluss auf ihre Zeit. Die Niederlage von Culloden und die anschließende Unterdrückung der Highlander, hatten blutige Narben in den Herzen aller schottischen Clanmitglieder hinterlassen. Was die Brüder gaben, war Hoffnung. Die Erfüllung der Sehnsucht, dass es noch nicht vorbei war. Nicht für immer verloren. Dass es eines Tages wieder einen Stuart auf dem schottischen Thron geben würde und, was die beiden „Stuarts“ anging, natürlich auch auf dem englischen.

Beide Brüder starben Ende des 19. Jahrhunderts und wurden in Eskadale begraben. Sie hatten mit ihren romantischen Geschichten aus der Vergangenheit ein Tartan-Revival ausgelöst. Nun rühmten sich gar die Grenzclans plötzlich mit einem eigenen Tartan, den sie zuvor nie besessen hatten. Ihnen und dem Vestiarium Scoticum (1842) sind viele der heute existierenden Clan-Tartans ist es zu verdanken.

Nellie Merthe Erkenbach: St Mary’s cemetery Eskadale

Diese und andere Geschichten findet ihr in Schottland für stille Stunden. Das Taschenbuch und auch das eBook gibt es bei Amazon.

Director’s Cut

Ich brauche einen Friseurtermin war vor der Pandemie nur ein problematischer Satz, wenn man einen schnellen oder einen beim Star Coiffeur wollte. Vor der Pandemie war ja bekanntlich vieles anders.

Weil ich während des Lockdowns in den Highlands festsaß und natürlich auch hier keine Friseure aufhatten, waren Alternativen gefragt. In meinem Fall ging es weniger ums Schneiden als ums Färben. Der Haaransatz wird grau, da muss Farbe ran. Für graue Haar bin ich noch lange nicht bereit.

Also prüfe ich die Alternativen und kaufe Farbe. Als ich die Chemischen Zusätze und Gesundheitswarnungen auf der Packung lese, lass ich das lieber und schicke das Produkt zurück. Stattdessen ordere ich Henna, wie früher zu Studentenzeiten. Der Ton ist zwar dann deutlich rötlicher als mein Farbton, aber immer noch besser als grau. Wenn die Welt wieder normal ist, kann es entweder mein Friseur in Deutschland oder einer in Schottland richten. Es muss doch auch in den Highlands einen Friseur geben!

Ich höre mich um und höre von einer Frau, die sich das Handwerk selbst beigebracht hat und zuhause vorbeikommt. Eher nicht, denke ich.

Dann höre ich vom Barber Bothy. Ein Barber ist ja ein Herrenfriseur, aber vielleicht ist er oder sie ja nicht so frauenfeindlich und erbarmt sich. Wo ist der? Einmal über den Berg, zwanzig Minuten von hier? Wäre ideal.

barber bothy @nme Abenteuer Highlands

Beim nächsten Spaziergang schaue ich es mir von außen an. In einem ehemaligen Schafstall steht eine Topfpflanze im Fenster. Über der Tür leuchtet eine Lichterkette. Drinnen ein Holzstuhl und ein Tisch. Vielleicht auch ein Spiegel und ein Wasserkocher. Und nicht, dass wir uns falsch verstehen. Es sieht immer noch aus wie ein Schafstall und nicht wie ein schön umgebauter Schafstall, ein Bothy eben, eine verschrammelte Hütte, keine Designerhütte, mehr als nur ein Touch von basic. Vor der Tür tummelt sich eine Herde Hochlandkühe und hinterlässt frische Spuren.

Eher nicht, denke ich.

Inverness, denke ich. Die Hauptstadt der Highlands. Wenn es irgendwo einen Friseur gibt, der dem von mir gewünschten Standard entspricht, dann da. Ich google und finde einige. Nach Ansicht der Fotos kommt über die Hälfte nicht in Frage. Ich finde zwei, die mir ganz gut gefallen. Die Preise sind saftig, aber sehen wir es mal so, ich habe während der Pandemie ja einige Termine ausfallen lassen. Das Geld habe ich sozusagen gespart und kann es nun wieder ausgeben.

Bei meinem ersten Versuch antwortet eine genervte Stimme. Ja, ich soll einfach vorbei kommen.

„Ich wohne knapp zwei Stunden weg von Inverness. Ich hätte gerne einen Termin. Was, wenn ich komme, und sie haben keine Zeit?“

Ich höre sie förmlich mit den Schultern zucken. Sie antwortet nicht. Ich bedanke mich und lege auf.

Eher nicht, denke ich.

Bleibt meine letzte Chance. Eine hochpreisige Kette mit Salons überall im Vereinigten Königreich. Sehr gut, denke ich. Da gibt es einen Standard. Ich werfe einen Blick auf die Preise, die sich in drei Kategorien gruppieren, Azubi, gelernte Fachkraft und Chef. Letzterer ist natürlich der teuerste. Das sollte er sicherste Weg, sein, denke ich. Es hat gedauert, bis meine Haare die Länge hatten, die sie jetzt haben. Das will ich mir nicht durch einen billigen, aber fatalen Friseurbesuch zunichte machen lassen.

Ich wähle, was ich sonst von aus überlangen Kinofilmen von Steven Spielberg kenne: Director‘s Cut. Sie haben eine Emailadresse auf der Webseite und ich schreibe mein Anliegen mit einem Terminwunsch an einem Samstag. Ich arbeite remote und bei der Fahrzeit kann ich das unter der Woche nicht möglich machen. Ich hoffe, schottische Friseure arbeiten an Samstagen.

Es antwortet eine freundliche Frau, die mir erklärt, dass ich nicht so einfach einen Termin zum Färben machen könne, wenn ich keine Kundin sei.

„Warum nicht?“ schreibe ich verwundert zurück.

„Sie müssen zuerst einen patch test machen. Es geht nicht ohne. Das sind die Vorschriften“, antwortet sie, erklärend, nicht entschuldigend.

Health & safety nehmen sie hier sehr ernst und man darf keinen Ansatz färben, ohne zuerst an einer kleinen Stelle (patch) ausprobiert zu haben (test), ob man möglicherweise allergisch auf einen der Inhaltsstoffe reagiert. Diesen patch test muss man mindestens eine Woche vor dem eigentlichen Termin gemacht haben.

„Ich wohne zwei Stunden entfernt“, schreibe ich. „Ist es nicht möglich, den Test und den Termin an einem Tag zu machen.“

„Tut mir leid, das ist nicht möglich. Wollen Sie dennoch einen Termin?“

Ich will nicht, aber es ist ja nicht so, dass ich jede Menge anderer Optionen hätte. Deshalb sage ich zu, am Samstag vorbeizukommen. So kann ich wenigstens vorher prüfen, wie der Laden wirklich aussieht und wie dort gearbeitet wird. Genau mit den Vorschriften scheinen sie es ja schon mal zu nehmen. Und mit großer Wahrscheinlichkeit steht auch keinen Herde Hochlandrinder vor der Tür.

Der Laden ist schräg gegenüber von Inverness Castle. Gute Lage, Parkplätze sind vorhanden. Damit bin ich schon mal zufrieden. Als ich reinkomme, werde ich freundlich begrüßt, ich schildere mein Anliegen und ein fülliger Mann mit Habitus stellt sich mir vor. Der Chef hält ein kleines Schälchen in der Hand, in dem er die Farbe angerührt hat. Ich soll mich umdrehen und die Haare hochnehmen. Dann tupft er mir mit dem Pinsel etwas davon auf den unteren Haaransatz.

„Das war’s!“

„Das war’s?“

„Das war’s.“

Und schon stehe ich wieder draußen und muss lachen. Für die dreißig Sekunden bin ich den weiten Weg gefahren. Ich beschließe, das mit ein wenig Shopping zu feiern. Außerdem habe ich jetzt einen Termin für den Ansatz.

Vierzehn Tage später bin ich wieder in Inverness und bei „meinem Friseur“. Er begrüßt mich wie eine alte Bekannte. Jetzt, wo ich den Initiationsritus absolviert habe, gehöre ich offensichtlich dazu und stelle fest, dass ein Friseurbesuch in Inverness sich nicht von einem im Schwarzwald unterscheidet. Man bekommt einen Kaffee und jede Menge Tratsch, doch das Wichtigste, man bekommt die Haare gemacht.

Was für ein Unterschied. Der Salon nutzt hochklassige Haarprodukte und ich bin sehr zufrieden. Allerdings kostet das auch eine ziemliche Stange Geld. £145 bin ich los. Um die Haare „auszuführen“, gönne ich mir Lunch in einem Hotel unten am Fluss. Die Sonne scheint und obwohl es Januar ist, ist warm genug, um draußen zu sitzen.

lunch in Inverness @nme Abenteuer Highlands

Ich setze mich an einen Tisch mit Blick aufs Wasser und das River Ness Ufer und bestelle und bezahle über den QR-Code auf dem Tisch mit dem Telefon. Wenig später erreichen mich ein Club Sandwich und ein Lager.

Leben. Bei Steven Spielberg sieht das wahrscheinlich auch nicht viel anders aus.

Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf!

Nach den ersten Erfahrungen mit den Highlands habe ich das erste Buch geschrieben: Abenteuer Highlands – mein etwas anderes Leben im schottischen Hochland. Damals noch ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass es vielleicht mehrere geben könnte. 

Die Jahre gingen ins Land und die Abenteuer wurden nicht weniger. Deshalb, und weil ich immer wieder gefragt wurde, ob es nicht bald einen zweiten Teil von Abenteuer Highlands gäbe, habe ich ihn geschrieben. Abenteuer Highlands 2.0 – zwischen Schwarzwald und Schottland – alles, was ein Doppelleben in zwei Ländern aufregend und erzählenswert macht. 

Nun ist Abenteuer Highlands offiziell eine Serie und der nächste Band Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf! seit Oktober 2023 als Taschenbuch und eBook bei Amazon verfügbar. 

Nellie Merthe Erkenbach

Die Toten der Abtei von Lindores

Lindores Abbey ist heute nicht mehr als ein paar bröckelnde Mauern. Doch Einiges in der romantischen Ruine weist auf eine dunklere Vergangenheit hin. Hier ist schon mancher tragische Todesfall eingetreten. Viele Leichen wurden an diesen Ort gebracht. Die Abtei war einst ein Friedhof für die Reichen, Berühmten und Unglücklichen.

David, Earl of Huntingdon, gründete Lindores Abbey im späten 12. Jahrhundert. Französische Mönche machten es zu einem blühenden Machtzentrum, nach der Reformation wurde die Abtei nicht mehr genutzt. Ein Schicksal, das sie mit vielen katholischen religiösen Stätten in Europa teilte. David war der Enkel von David I, dem frommen schottischen Monarchen und anerkannten Heiligen. Zwei seiner kleinen Söhne, Robert und Henry, liegen ebenfalls in Lindores begraben.

Alexander, Erbe des schottischen Throns, starb im Januar 1283 in Lindores, wo er höchstwahrscheinlich von den Mönchen wegen einer unbekannten Krankheit behandelt wurde. Als die Nacht hereinbrach und sein Tod nahte, soll er gesagt haben: „Vor dem morgigen Sonnenaufgang wird die Sonne Schottlands untergegangen sein.“ Was folgte, war Krieg mit England und schließlich die Schlacht von Bannockburn.

Ein weiterer Thronfolger, David Stewart, Duke of Rothesay, starb unter schrecklichen Umständen im Falkland Palace und wurde in der Abtei von Lindores begraben. David hatte als Leutnant von Schottland gehandelt, während sein Vater nicht regierungsfähig war und der Konflikt mit England und zivile Unruhen das Land destabilisierten. Robert Stewart, Herzog von Albany, hatte vor ihm den Titel Stewart von Schottland getragen und selbst Ambitionen auf den Thron. Er ließ ihn verhaften und im Falkland Palace einsperren, wo er seinen Neffen verhungern ließ.

Das Sprichwort sagt, dass der Weg zwischen einem königlichen Gefängnis und einem königlichen Grabmal kurz ist. Die Tradition hat sein Scheiden dem Hungertod zugeschrieben; und während es Sir William Lindsay von Rossie und Sir John von Ramornie als Urheber seiner Verhaftung und zwei minderwertige Agenten, Selkirk und Wright von Falkland, als die unmittelbaren Täter des Mordes nennt, seinen Onkel Albany und Archibald Tyneman, den Sohn des grimmigen Earl of Douglas sollen sein Schwiegervater und der Ehemann seiner Schwester Anstifter gewesen sein. Die Geschichte von der Frau, die ihn mit Milch aus ihrer Brust ein wenig am Leben erhielt, die durch ein Rohr in seinen Kerker eingeführt wurde, und von einer anderen, die ihn mit einer mageren Hafermahlzeit versorgte, wie er sich von seinem eigenen Fleisch ernährte und welche Wunder vollbracht wurden bei seiner Leiche in Lindores, wo vielleicht noch sein leerer Steinsarg zu sehen ist, waren fiktive Ergänzungen, um die Düsterkeit der dunklen Geschichte zu verstärken. (John M. Leighton: Geschichte der Grafschaft Fife. Swan, Glasgow, 1840)

Die Wunder, die der Leichnam vollbrachte, waren Legende und sein Grab wurde zu einem Wallfahrtsort. Lindores war der „Ort der Wunder“.

1218 ereignete sich in der Abtei ein schrecklicher Unfall und der Prior von Durham verlor sein Leben. Er war von Aberdeen nach Süden reiste und hatte in Lindores übernachtet. Ein Feuer war ausgebrochen, verursacht durch die Unachtsamkeit der Bediensteten. Der Prior muss eine schwere Rauchvergiftung erlitten haben und starb wenige Wochen später.

James, 9. Earl of Douglas, war der letzte der berühmten, manche würden sagen, berüchtigten Black Douglas. Nach der Ermordung seines Bruders durch König James II und seiner Anhänger griff James Stirling in offener Rebellion gegen den König an. Er heiratete die Schwester seines Bruders und intrigierte aus England weiterhin gegen James II. 1484 wurde er gefangen genommen und in die Abtei von Lindores geschickt. Er soll gemurmelt haben: „Wer nicht besser sein kann, muss Mönch sein.“ Er sollte bis zu seinem Tod sieben Jahre später bei den Mönchen bleiben.

Viele der Schlüsselfiguren, mutige und rücksichtslose Männer, die die schottische Nation aufgebaut haben, haben Lindores Abbey besucht oder sind sogar in Lindores Abbey gestorben. William Wallace, der legendäre Kämpfer für die schottische Freiheit, pausierte ebenfalls hier, um Wasser für seine Verwundeten in den Wäldern zu sammeln.

Im Jahr 1306 schworen Sir Gilbert Hay of Errol, Sir Neil Campbell of Lochaw und Sir Alexander Seton, auch bekannt als die drei mächtigen Ritter, feierlich, „König Robert Bruce und seine Krone bis zum letzten Blut und Vermögen zu verteidigen“. In Lindores wurde ein Gelübde abgelegt, den König zu beschützen, der Schottland gemacht hat.

Auf der anderen Straßenseite steht eine Whisky Destillerie. Der Destillierapparat der Mönche wurde in einem Dokument aus dem 12. Jahrhundert erwähnt und ist damit einer der ältesten in Schottland. Heute ist schottischer Whisky nicht nur ein modernes, es ist auch ein internationales Geschäft. Die Gewinne gehen an drei russische Geschäftsleute.

Highland Crime Band 2: Im Dunkel von Skye

Ich habe ein Leben lang leidenschaftlich gerne Krimis gelesen und 2021 meinen ersten geschrieben: Schatten über Skiary, Band 1 der Highland Crime Serie um DI Robert Campbell und die deutschen Übersetzerin Isabel Hartmann. Der Krimi spielt in Glenelg und an einem der abgelegensten Orte Lochabers – Skiary.

In Band 2 finden die Ermittlungen auf der Isle of Skye statt.

DI Robert Campbell genießt seinen Motorrad-Urlaub an der schottischen Westküste. Übersetzerin Isabel, Issy, Hartmann ist auf der Insel Skye, um Gälisch zu lernen. Am Sabhal Mòr Ostaig College stößt sie unvermittelt auf einen ungeklärten Todesfall.

Starb die Studentin wirklich eines natürlichen Todes? Issy hat ihre Zweifel und stellt Nachforschungen an. Wer im Sprachkurs könnte ein Motiv gehabt haben? Und wie war es gelungen, die Tat zu verschleiern?

Weil Isabel Hartmann ihn um Hilfe bittet, nimmt sich DI Robert Hartmann inoffiziell des Falls an. Doch dann gibt es einen weiteren Toten, der offensichtlich mit den ursprünglichen Ermittlungen in Verbindung steht. Unvermittelt wird Isabel von der Hobbydetektivin zu einer Verdächtigen.

Hogmanay im Dorf

Die letzten Jahre war Hogmanay, das schottische Silvester, sehr ruhig gewesen hier am Loch. Die meisten sind für sich geblieben oder haben im kleinen Kreis mit der Familie gefeiert. Ich erinnere mich gerne an das erste, das der Mann und ich gemeinsam begangen haben. Im Nachbarort, der im Westen von uns liegt, wurde eine Strandparty gefeiert und wir waren mittendrin. So viel ist passiert seit diesen Tagen.

2022 auf 2023 war es dann wieder soweit beach party zu Hogmanay, dieses Mal in einem anderen kleinen Dorf in unserer Nähe. Leider war die andere Nellie über die Feiertage zurück nach Deutschland gefahren, wir hätten gerne gemeinsam gefeiert. Aber es werden auch so jede Menge Menschen da sein, die man kennt.

Der Silvestertag bricht an und es ist furchtbar kalt. In der Nacht sollen die Temperaturen auf bis zu minus fünf Grad fallen. Nur falls hier gerade jemand an Hawaii-Hemden und Flip-Flops gedacht hat. Nicht mal Caipirinhas scheinen sonderlich erstrebenswert bei solchen Temperaturen – zu viel Eis!

Winterlandschaft im schottischen Hochland @nme Abenteuer Highlands

Ich mache Glühwein und fülle ihn in die Thermoskanne. Außerdem packen wir noch unsere Thermo-Tassen in den Rucksack. Dazu ein paar Knabbersachen und Taschenlampen. Wir müssen eine halbe Stunde hinlaufen, gibt kein Licht unterwegs. Dann hole ich die Skiunterwäsche aus dem Schrank und ziehe die dicke Hose samt Strickpulli an. Drüber ein langer Daunenmantel, Handschuhe, Mütze. Ich sehe aus wie der Yeti, aber mir ist warm. Der Mann reicht mir eine Kopflampe. Ich bin bereit. Der Yeti kann im Dunkeln sehen.

Wenigstens liegt kein Schnee, denke ich, als der Mann und ich mit unseren schweren Boots durch die Nacht stapfen. Er hält die große Taschenlampe und leuchtet den Weg. Ich komme mir vor wie auf einer Höhlenexpedition. Es ist stockdunkel, wegen der geschlossenen Wolkendecke ist kein Stern zu sehen, nur von der anderen Seite des Lochs glitzern die Lichter der vereinzelten Häuser herüber. Die letzten Stunden des Tages sind kalt und still. Ich bin nachdenklich und rede nicht viel, sortiere das Jahr in meinem Kopf, das so viel Neues gebracht hat. Der Man redet auch nicht viel und so schweigen wir gemeinsam.

Das ändert sich schnell, als wie das Dorf erreichen. Schon von weitem sieht man die Flammen in den Himmel lodern. WOW, was ein bonfire, ein wirklich beeindruckendes Lagerfeuer. DieMänner haben die ganze Woche Holz gesammelt und gestapelt. Nun werfen sie ganze Äste in die Flammen. Aus Lautsprechern dröhnt Partymusik. Wir stehen oberhalb der Flutmarke, direkt an der Straße, dahinter die Häuser. Ich beobachten den Funkenflug. Mutig, denke ich. Und auf der Straße kann auch keiner mehr fahren, so nah am Feuer. Aber fahren wird hier ohnehin keiner mehr. Wir gießen uns Glühwein ein und mischen uns unter die Leute.

Direkt um das Feuer, da wo es am heißesten ist, stehen viele, die ich nicht kenne. Alle so Ende Zwanzig, Anfang dreißig, die Männer im T-Shirt, die Frauen haben die Haare gemacht und tragen Glitzer auf den Wangen. Ich rücke meine Wollmütze zurecht und plaudere mit Harriet. Sie ist zweiundachtzig und Billy hat extra für sie einen Gartenstuhl mit Tisch hingestellt. Da sitzt sie wie auf einem Thron und blickt auf das Treiben. Harriet ist vor vielen Jahren aus England hierhergekommen und hat lange ein B&B betrieben. Nun lebt sie allein in ihrem großen Haus und genießt den Blick. Obwohl, den hat man ihr genommen, seit Sue und Jim aus Somerset auf dem Grundstück vor ihr gebaut haben. Das war jahrzehntelang einfach nur weine Wiese gewesen. Nun steht ein holzverkleidetes Haus darauf und Harriet hat keine Aussicht mehr.

„Und? Wie sind die?“ frage ich neugierig.

„Nett“, sagt Harriet und lächelt schelmisch. „Leider.“

„Du meinst, du kannst ihnen deshalb nicht böse sein?“

„Genau“, sagt Harriet und sieht ins Feuer.

Das muss frustrierend sein, schließlich hatte Harriet einen großartigen Blick auf Meer und Berge von ihrem Wintergarten. Der ist nun futsch. Der Blick, nicht der Wintergarten.Sie hat nur noch einen kleinen Spalt zwischen den Häusern, durch den sie das Wasser sieht. Wenige Tage nach Hogmanay werden die neuen Nachbarn dort eine Gartenhütte hinstellen und dann ist der auch futsch.

Harriet trägt es mit all der Fassung ihrer Jahre. Sie ist trotz allen froh, hier zu sein. Wer weiß, wie lange sie das noch kann. Der Sohn lebt im Süden und hat wenig Lust, immer wieder den weiten Weg zu seiner Mutter zu machen. Mit der Schwiegertochter versteht sie sich nicht. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum sie nicht zu ihrem Sohn ziehen will. Harriet will nicht weg und liebt den Gemeinschaftssinn im Dorf.

So schaut zum Beispiel der pensionierte Schwabe jeden Morgen bei ihr auf einen Kaffee vorbei und schaut, ob sie etwas braucht. Er ist ebenfalls alleinstehend und freut sich über Gesellschaft. Und die Musiklehrerin, die mit ihrem Mann hergezogen ist, hat sie neulich auf einen Kaffee ausgeführt. Ganz spontan. Die andere Nellie bringt sie sogar zum Arzt und kontrolliert ihren Blutdruck.

Diese Nähe und Gemeinschaft hat viel für sich. Hier stürzt keiner und wird tagelang nicht gefunden. Aber es ist eben auch nicht möglich, ein Privatleben zu haben. Jeder weiß alles über die anderen. Geheimnisse gibt es nicht und Privatsphäre wird vernachlässigt.

Von der Kälte spüre ich nichts. Ich bin ja wirklich sehr warm eingepackt und der Glühwein tut sein Übriges. Vom Feuer strömen Wärme und vor allem Rauch in unsere Richtung. Die ersten überlegen schon, ob sie über das Feuer springen sollen. Ich hoffe der Verstand siegt über die Promille.

Die Tochter der Künstlerin verteilt Glitzeraufkleber an die Frauen, ihr Vater fischt im Loch.

Muscheln am Strand @nme Abenteuer Highlands

„Mögt ihr Muscheln?“ fragt er.

Der Mann nickt eifrig. Ich halte mich lächelnd zurück, weil mir klar ist, was frische gefangene Muscheln für eine Arbeit machen, wenn man sie putzen muss. Aber natürlich ist das total nett von ihm und sehr großzügig. Wenige Tage später bringt er auch tatsächlich welche vorbei, Mit einem kleinen Stückchen Schiefer, auf dem steht: Enjoy!

„Hab ich dich nicht heute Morgen hier am Wasser stehen sehen?“ frage ich ihn.

„Ja, wir waren schwimmen. Es war großartig.“

Ich nehme noch einen Schluck Glühwein und schüttle mich. Aber nur innerlich. Aus mir wird keine Wildwasserschwimmerin mehr werden.

Kurz darauf lerne ich einen jungen Dänen kennen. Er ist in die dreißig Minuten entfernte Kleinstadt gezogen und sucht nach einem Job. Irgendwas mit Computern sagt er. Ich halte nach dem Mann Ausschau, der ist dafür der richtige Ansprechpartner. Doch den kann ich im Getümmel nirgendwo finden. Ich lasse mir die Nummer des Dänen geben und verspreche, dass sich der Mann mit ihm in Verbindung setzt. Wir trinken gemeinsam jeder eine Dose Martini mit Passionsfrucht, was nach all dem Glühwein jetzt auch egal ist.

Es ist ein tolles Silvester und um Mitternacht wird geherzt und geküsst. Dann ertönen die bewegenden Klänge eines Dudelsacks aus dem Lautsprechern. Wie schön wäre es, wenn wir einen hätten, der live spielt. Aber auch aus der Konserve ist es ergreifend und ich gehe mit einer kleinen Träne im Auge ins neue Jahr. Es ist so schön.

Und was wünscht man sich so in Schottland at the bells, also wenn die Glocken läuten, um Mitternacht?

Lang may yer lum reek!

Möge dein Kamin lange rauchen. Das bedeutet im Grunde „Mögest du ein langes Leben in Wohlstand führen“, wahrscheinlich ist der Spruch der Grund, warum die Schotten an Silvester traditionell ein Stück Kohle zu den Nachbarhäusern mitnehmen. Damit dort die Kamine lange rauchen können.

Schatten über Skiary, patrone und Wisky @nme Abenteuer Highlands

Zwei Tage danach treffe ich Harriet bei einem Spaziergang. Sie sieht ein wenig blass um die Nase aus und ich bitte sie, sich bei mir einzuhaken, damit ich sie die paar Meter nach Hause bringen kann. Es liegt Schnee auf der Straße und dem Stück Gehweg vor ihrem Haus und ich habe Sorge, dass sie ausrutscht. Harriet dagegen treiben ganz andere Gedanken um.

„Mit so frischem Schnee haben wir früher immer eine Schneeballschlacht gemacht“, sagt sie wehmütig.

Ich schaue sie an und nicke. Dann gehe ich in die Knie und forme mit dem Schnee, den ich greifen kann einen wunderschönen Schneeball.

„Hier, bitte schön, Harriet. Den kannst du sehr gerne nach mir werfen.“

Sekunden später haben ich den Schneeball im Gesicht.

Und so eröffnet eine wilde Schneeballschlacht mit einer Zweiundachtzigjährigen das Jahr 2023.

Santa Claus is comin‘ to town

Weihnachten in den Highlands @nme Abenteuer Highlands

Die Person Santa Claus lässt mich nach all den Jahren hier in den Highlands noch immer mit einer gewissen Verwirrung zurück. Er ist so einer Art Disney-Variante eines Nikolaus-Sankt Martin Klons. Ho ho ho! Ich kann Herrn Claus, seinen Rentieren und den Elfen nicht so wirklich etwas abgewinnen, aber er ist so ziemlich das Weihnachtlichste, was Schottland zu bieten hat.

Am Samstag kommt Santa nach Kyle. Schreibt die Tochter des Manns in einer WhatsApp.

Könnt ihr den Kleinen hinbringen? Er muss auch noch seinen Brief schreiben.

Der Kleine ist sich der Bedeutung seiner Aufgabe bewusst und hat auch schon einen genauen Plan, was er in den Brief packen will. Nur leider geht das mit dem Schreiben noch recht mühselig und am Ende steht nicht viel mehr als „Lieber Santa“ und „LEGO-Piratenschiff“ darauf. Aber mit ein paar Tannenbäumen und dem gewünschte Schiff, gemalt in verschiedenen Farben, ist es ein sehr schöner Brief. Nun noch zukleben und Santa draufschreiben. Fertig!

Den Brief müssen wir in Kyle in den Weihnachts-Briefkasten werfen. Um 14 Uhr kommt Santa Claus und wir haben nicht mehr viel Zeit. Die Ausarbeitung des Briefs hat länger gedauert als gedacht.

Auf der Fahrt bekomme die ganze Zeit dieses doofe Lied nicht aus dem Kopf. Saaanta Claus is …

Eilean Donan Castle zur Weihnachtszeit @nme Abenteuer Highlands

Wir parken uns sind mehr oder weniger die ersten. Deshalb schauen wir uns drin schon mal drin. Drinnen, das sind die Räumlichkeiten der Seewacht, der RNLI, die von hier das Rettungsboot betreuen. Die haben das Event organisiert. In einem dekorierten Zimmer gibt es jede Menge offiziellen Merchandise, Boote als Schlüsselanhänger, Spielzeugboote, Boote auf Blöcken und so weiter zu erstehen, aber auch Selbstgestricktes von Frauen aus dem Ort. Vielleicht ist auch ein strickender Mann darunter. Ich weiß es nicht. Bislang habe ich noch kein derart wokes Exemplar der Spezies entdeckt.

Saaanta claus is …

Gleich ist 14 Uhr und wir gehen wieder nach draußen. Der Mann hat ein Spielzeugboot gekauft, ich wollte nichts Gestricktes. Es ist windig, aber trocken und die Sonne scheint. Eltern mit Kindern säumen die Straße. Erinnert mich eher an einen Faschingsumzug als an Weihnachten und der Kleine zappelt aufgeregt.

Saaanta claus is …

Dann erklingt ein paar Straßen weiter ein Warnton, wenig später kommt ein Polizeiauto mit Blaulicht und Sirene um die Ecke, dahinter ein spärlich mit Lametta dekorierter Quad, auf dem ein großer Mann mit gelben Gummistiefeln, Bart und einem roten Santa Kostüm sitzt. Geschmeidig fährt er vor und hält an. Nicht ohne allen Kinder zuzuwinken und ein fröhliches Ho ho ho zu rufen. Der Quad stinkt nach Benzin.

Saaanta Claus ist da!

Was für ein Auftritt! Die beiden Polizisten steigen aus und sichern die Straße. Kaum dreht sich Santa um, rennen ihm die Kinder hinterher. Drinnen im Gebäude ist seine Grotte. Ein mit roten Tüchern abgedeckter Bereich mit einer Sitzbank. Da können die Kinder ihrem Santa in Gummistiefeln erzählen, was sie sich zu Weihnachten wünschen. Und natürlich den Brief abgeben.

Der Mann und ich stehen in einer ewig langen Schlange und versuchen nonchalant auszusehen, während der Knirps probiert, sich unauffällig vorzudrängeln. Nach einer kleinen Ewigkeit sind wir endlich dran. Der Kleine soll zu Santa sitzen und ihm etwas erzählen, eine Frau steht, Handy im Anschlag, bereit für die Fotos. Der Mann zückt ebenfalls sein Handy und macht einen Schritt zurück, während der Kleine in plötzlicher Panik nach meiner Hand greift.

Sekunden später sitze ich mit dem Santa in Gummistiefeln auf der Bank und erkläre das Piratenschiff. Der freche Bengel von eben ist zu einem scheuen Reh mutiert und sitz stumm und mit gesenkten Augen da. Er starrt auf Santas Gummistiefel und sagt kein Wort. Der Mann macht derweil Fotos von mir und Santa Claus, während meine Blicke ihn in dem Augenblick ermorden. Er hat genau im richtigen Moment den taktischen Rückzug angetreten.

Aber so habe ich auch mal Santa Claus getroffen, ein sehr netter Mann. Die Schuhwahl ist landestypisch, das muss kalt sein da am Pol mit den dünnen Gummistiefeln.

Endlich bin ich erlöst. Wir werfen noch den Brief in den Briefkasten und stehen kurz darauf wieder auf der Straße. Die Polizei hat sich leise verabschiedet, nur der Quad steht noch vor der Eingangstür. Während der Kleine aufgekratzt wie ein Gummiball den Gehweg entlanghüpft genieße ich das Panorama von Meer, Wolken und der Insel Skye.

Wenn Santa Claus mich gefragt hätte, was ich mir zu Weihnachten wünsche, ich hätte nichts gesagt. Was soll ich mir wünschen, denke ich und sehe mich um. Ich hab‘ doch alles!

Druiden und Menschenopfer

ice cream parlour Pittenweem @nme Abenteuer Highlands

Der Mann und ich sind unterwegs nach Fife, dem ehemaligen eingeständigen Königreich im Osten Schottlands, oberhalb von Edinburgh gelegen. Es gibt viel zu sehen hier und an der Küste schmiegen sich idyllische Dörfchen an die See: Pittenweem, Anstruther, Crail. Die Sonne scheint und am Hafen gibt es Eiskrem. Doch hinter dem touristischen Glanz gibt es aucxh eine dunkle Seite, etwas weiter im Landesinneren.

vanilla ice cream cone @nme Abenteuer Highlands

Dunino ist ein Weiler in Fife, etwa fünf Meilen außerhalb von St. Andrews. Viele Besucher machen den Weg hierher, aber es ist nicht der alte Friedhof, nicht der uralte Stein mit der Sonnenuhr oder einer der anderen Grabsteine, die sie anlocken. Sie kommen wegen dem, was ein paar hundert Meter bergab der Kirche im Wald liegt.

Dunino church @nme Abenteuer Highlands

Die Kirche von Dunino ist alt und war ein früher Ort der Anbetung. In den längst vergangenen Tagen des alten keltischen Glaubens markierte ein Steinkreis vergessene Riten. Der Kreis wurde, wie viele keltische Kultstätten, in die Kirche integriert. Aber es gibt Spuren der Vergangenheit, die man noch sehen kann, faszinierendere noch dazu.

Sonnenuhr @nme Abenteuer Highlands

Der Weg führt vorbei an einem Wunschstein. Auf dem Friedhof der Kirche von Dunino haben New-Age-Jünger einen alten, kultischen Stein zu einem Wunschstein gemacht. Überall liegen Münzen verstreut. Jemand hat ihn einer Sonnenuhr umgewandelt.

„Es wird angenommen, dass der Stein, auf dem die Sonnenuhr steht, um 800 n. Chr. gemeißelt wurde, was ihn zu einem der ältesten Steine des schottischen Christentums macht.“ (Ann Lindsay: Verborgenes Schottland, Birlinn, 2010)

Devotionalien Dunino Schlucht @nme Abenteuer Highlands

Doch das wirklich spannende liegt verborgen in der dunklen Schlucht unterhalb von Kirche und Kultstein. Der Mann geht voraus, ich folge in den kahlen Winterwald, gespannt auf das, was uns erwartet. Wir sind nicht die einzigen. Zwei junge Paare drücken sich zwischen den Bäumen herum, machen den Eindruck, nicht gesehen werden zu wollen. Dann haben wir die Kultstätte erreicht.

Dunino Den Kultstätte

Gläubige haben viele Andenken unter den Bäumen neben dem Dunino Burn hinterlassen, bunte Bänder, Schilder, Schmuck, Fotos, Plaketten, die an Verstorbene erinnern. Dies ist ein Ort der heidnischen Anbetung, Kraftort einer vergessenen Religion. Zwischen den felsigen Klippen fanden blutige Rituale statt. Wenn man vom Friedhof hinuntergeht, erreicht man den Altarfelsen, auf dem ein gehauenes Wasserbecken ein wesentlicher Bestandteil alter, blutiger Rituale war. Hier reinigte der druidische Priester seine nackten Füße, bevor er Menschen den heute unbekannten Göttern opferte. Das Blut wurde gesammelt und die Leichen zur Verbrennung nach unten geworfen wurden.

rituelle Felsschale @nme Abenteuer Highlands

Die Kulisse ist spektakulär, gesäumt von einem dramatischen Felstheater für eine grausame Show. Man kann fast den Gesang der Menschen hören, die Zeuge der Opfer waren, die die Druiden hier einst ihren Göttern darbrachten. Der Weg zurück zur Kirche ist steil und fühlt sich nach der dunklen Felsschlucht wie ein Weg zurück ins Licht an.

Dunino Schlucht @nme Abenteuer Highlands

Highland Crime Band 2: Im Dunkel von Skye

Ich habe ein Leben lang leidenschaftlich gerne Krimis gelesen und 2021 meinen ersten geschrieben: Schatten über Skiary, Band 1 der Highland Crime Serie um DI Robert Campbell und die deutschen Übersetzerin Isabel Hartmann. Der Krimi spielt in Glenelg und an einem der abgelegensten Orte Lochabers – Skiary.

In Band 2 finden die Ermittlungen auf der Isle of Skye statt.

DI Robert Campbell genießt seinen Motorrad-Urlaub an der schottischen Westküste. Übersetzerin Isabel, Issy, Hartmann ist auf der Insel Skye, um Gälisch zu lernen. Am Sabhal Mòr Ostaig College stößt sie unvermittelt auf einen ungeklärten Todesfall.

Starb die Studentin wirklich eines natürlichen Todes? Issy hat ihre Zweifel und stellt Nachforschungen an. Wer im Sprachkurs könnte ein Motiv gehabt haben? Und wie war es gelungen, die Tat zu verschleiern?

Weil Isabel Hartmann ihn um Hilfe bittet, nimmt sich DI Robert Hartmann inoffiziell des Falls an. Doch dann gibt es einen weiteren Toten, der offensichtlich mit den ursprünglichen Ermittlungen in Verbindung steht. Unvermittelt wird Isabel von der Hobbydetektivin zu einer Verdächtigen.

Die Löwenkönigin

Die Abtei von Balmerino wurde von einer Frau gegründet: Königin Ermengarde de Beaumont, keine „normale“ Frau nach allen Maßstäben. Ihre Abtei ist in einem schlechten Zustand und von ihrer ursprünglichen Kraft und von der beeindruckenden Architektur ist in der Ruine nicht mehr viel übrig, nur die schwache Erinnerung an ihre Menschen und ihre Geschichten in einer längst vergangenen Zeit.

Balmerino Abbey @nme Abenteuer Highlands

Ermengarde wurde 1170 geboren und starb in ihren frühen Sechzigern, ein langes Leben im 12. Jahrhundert. Sie wurde im Alter von sechzehn Jahren mit König Wilhelm I von Schottland, William the lion, verheiratet. Die Trauung fand in England statt, Heinrich II war zu dieser Zeit Herrscher von Schottland. Ihr Mann, vor seiner Heirat ein notorischer Frauenheld, soll ab dem Eheversprechen seiner außergewöhnlichen Frau treu gewesen sein. Auch er gründete eine Abtei in Arbroath, wo er vierzehn Jahre später beigesetzt wurde.

Ermengarde, die ihren Mann um zwanzig Jahre überlebte, wurde nicht neben ihm begraben, sondern, in ihrer Abtei, in Balmerino, vor dem Hochaltar.

Balmerino Abbey @nme Abenteuer Highlands

Ende 1229 kamen zwölf Mönche aus Melrose Abbey nach Balmerino. Sie kamen zu Fuß und bauten die Abtei. Hier lebten, arbeiteten und beteten sie, sie bauten Getreide an, hielten Schafe für Wolle und fischten. Sie waren Zisterzienser und glaubten an gemeinschaftliches Leben, körperliche Arbeit und Genügsamkeit. Sie schliefen sogar angezogen.

Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf!

Nach den ersten Erfahrungen mit den Highlands habe ich das erste Buch geschrieben: Abenteuer Highlands – mein etwas anderes Leben im schottischen Hochland. Damals noch ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass es vielleicht mehrere geben könnte. 

Die Jahre gingen ins Land und die Abenteuer wurden nicht weniger. Deshalb, und weil ich immer wieder gefragt wurde, ob es nicht bald einen zweiten Teil von Abenteuer Highlands gäbe, habe ich ihn geschrieben. Abenteuer Highlands 2.0 – zwischen Schwarzwald und Schottland – alles, was ein Doppelleben in zwei Ländern aufregend und erzählenswert macht. 

Nun ist Abenteuer Highlands offiziell eine Serie und der nächste Band Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf! seit Oktober 2023 als Taschenbuch und eBook bei Amazon verfügbar. 

Nellie Merthe Erkenbach

Panda-Rettung

„Sollen wir einen Prosecco aufmachen und das neue Auto feiern?“

Der Mann scheint mir ein wenig nachdenklich, vielleicht heitert ihn das auf. Er reagiert gar nicht, weil er so tief in Gedanken versunken ist, dass er mich nicht hört.

„Vielleicht war das doch keine so gute Idee mit dem Parkplatz im Industriegebiet“, sagt er in nachdenklichem Ton. 

Meine Rede, denke ich und schweige.

„Die haben bestimmt Überwachungskameras. Wenn da ein fremdes Auto steht, rufen die vielleicht die Polizei“, überlegt er weiter.

„An einem Sonntag? Das denke ich nicht“, versuche ich ihn zu beruhigen. Doch der Panda auf dem Parkplatz lässt ihm keine Ruhe und er tigert nervös durchs Haus.

Beim Abendessen erklärt er dann, das er am Sonntag mit dem Bus nach Inverness fährt und das Auto umparkt. Sogar bei Kwickfit will er vorbei, weil die sonntags aufhaben und vielleicht einen gebrauchten Reifen draufmachen können.

Ich wollte eigentlich wandern gehen, bringe es aber nicht über mich, den Mann mit dem Bus nach Inverness fahren zu lassen. Ich würde das problemlos machen, er kann es nicht. Ich beschließe, das nicht verstehen zu müssen und ihn hinzzukutschieren. Ich kann ja auch rund um Inverness wandern, während er Reifen aufpumpt, Auto umparkt und Gebrauchtreifen aufziehen lässt.

Sonntagmorgen fahren wir zuerst zu MacDonalds. Ich für Kaffee, er für Kaffee und Frühstücksburger. Dann fahre ich ins Industriegebiet. Der Panda ist noch da, eine Möwe hat einen riesigen weißen Schiss auf dem Dach hinterlassen.

Splash, denke ich und grinse innerlich. Dann winke ich ihm zu und fahre wieder aus der Stadt raus, die an einem Sonntagmorgen sehr verlassen wirkt. Ganz in die Wildnis will ich nicht, weil ich dann keinen Empfang habe und er mich nicht erreichen kann. Deshalb wandere ich einfach die am Berg gelegene Straße nach Abriachan entlang. Am Loch Ness ist der Empfang gut, das sollte kein Problem sein.

Abriachan Loch Ness @nme Abenteuer Highlands

Es ist ein ziemlich windiger und kalter Tag. Obwohl ich an einer Straße entlang laufe, fühlt es sich einsam und abgelegen an. Erstaunlich, wo doch Luftlinie eine Handvoll Kilometer weiter unten die Autos auf der A82 Stoßstange an Stoßstange unterwegs sind. Ich genieße es, mich in der kühlen Luft zu bewegen, Tannenwälder wechseln sich mit Heideflächen ab, ein paar vereinzelte Häuser hier und da. Immer wieder checke ich mein Handy. Was der Mann wohl macht?

Abriachan Loch Ness @nme Abenteuer Highlands

Nach drei Stunden bin ich wieder zurück an meinem Auto. Der Mann hat sich noch immer nicht gemeldet. Ich schicke ihm eine Nachricht und fahre los.

Bin auf dem Weg zurück nach Inverness. Wo steckst du?

Die Antwort kommt umgehend.

Bin gerade auf den Parkplatz des Autohändlers gefahren.

Das hätte wir auch gestern machen können, aber dann hätte ich nicht diesen schönen Spaziergang oberhalb von Loch Ness gemacht.

Der Mann sieht erschöpft aus. Er hat zwei Stunden bei dem Reifenladen verbracht. Anscheinend in einer irrsinnig langen Warteschlange. Was die Schotten sonntags so machen! Jetzt steht der Panda unschuldig auf dem Parkplatz des Händlers und der Mann fühlt sich besser, weil er am Vorabend das Geld für den Gebrauchtwagen überwiesen hat. Der Deal ist somit gemacht.

Auf dem Heimweg erkläre ich, dass wir definitiv heute Prosecco trinken müssen. Er nickt und grinst.

Mittwochs ist es dann so weit. Wir holen das neue Auto ab und begeben uns zum dritten Mal innerhalb von fünf Tagen in die Hauptstadt der Highlands. Der Mann macht früher Schluss und ist am Nachmittag abfahrbereit. Dreimal in die Hauptstadt, das hätte man auch effektiver lösen können grummle ich. So richtig viel Zeit zum Ausspannen hatte ich weder 2021 noch 2022, sonst würde ich jetzt nicht noch meinen Resturlaub nehmen. Ich beschließ, es positiv zu sehen. Ein Großteil der Strecke ist landschaftlich wunderschön und mein Auto hat nun wirklich allen Schnickschnack, mit dem man längere Fahrten angenehm machen kann. Dazu lockt der Ausblick auf einen Barista Kaffee. Happy Holidays!

Auf dem Parkplatz werfe ich den Panda einen letzten wehmütigen Blick zu. Er hat mich begleitet in all meinen Jahren in den Highlands. Jetzt hat ein neuer Abschnitt begonnen.

Abschied vom Panda

Ich habe zwar Urlaub, aber der Mann nicht. Doof, aber ich musste meinen alten abnehmen und er konnte nicht, weil ein Kollege von ihm bereits frei hatte. Deshalb mussten wir bis zum Wochenende warten, um in Inverness konnten den neuen Wagen zu kaufen.

„Wir fahren dann mit zwei Autos?“ sage ich und es ist eher keine Frage.

„Wieso?“ antwortet der Mann. „Vielleicht kaufe ich ja keinen.“

„Weil ich nicht glaube, dass wir mehr als eine Chance haben, den Panda nach Inverness zu fahren und ich bin mit meinem Auto nur noch zwei Monate da. Willst du die Aktion allein und per Bus machen?“ erwidere ich.

Der Mann hasst nichts mehr als Bus fahren, warum auch immer. Er schweigt Zustimmung und ich plane die Logistik. Schließlich hat er im Internet ein Auto gesehen, das ihm gefällt. Wenn er es nimmt, können wir damit sofort vom Hof fahren.

Bis zum Autohändler sind es knapp zwei Stunden. Das bräuchte man auch von Köln nach Frankfurt. Da würde man doch auch nicht einfach mal nur zum Schauen hinfahren, oder?

Abschied vom Panda @nme Abenteuer Highlands

Am Samstag früh fährt der Mann um sieben Uhr los. Ich dagegen steige erst mal unter die Dusche. Er wird länger brauchen, nicht mal so sehr, weil mein Auto deutlich mehr PS hat. Der Panda ist platt, also der rechte Hinterreifen, man muss ihn spätestens nach einer halben Stunde wieder aufpumpen. Der Mann hat den Kompressor eingepackt und versprochen, dass er sich meldet, sollten größere Probleme auftauchen. Falls nicht, treffen wir uns um halb zehn beim Händler seines Vertrauens.

Und dort sitzen wir nun und klären das Vertragliche. Die Probefahrt war erfolgreich, der Wagen ist in einem sehr guten Zustand, nur der Preis ist etwas hoch. Aber im Moment ist die Nachfrage größer als das Angebot. Viel machen wird man da nicht können. Er bietet allerdings einen guten Preis für den Panda, obwohl der ein direkter Schrottplatz-Kandidat ist. Scheint ihm egal zu sein, das ist Teil der Preisstrategie. Der Mann hat wohl ein schlechtes Gewissen, so viel für den Panda zu bekommen und erzählt fröhlich, was alles nicht damit in Ordnung ist.

Ich mime die doofe Frau und tippe scheinbar unbeteiligt auf dem Handy rum. Derweil schicke ich ihm unauffällig eine Nachricht.

Mach den Panda nicht so schlecht. Du willst doch, dass sie ihn nehmen!

Er sieht meine Nachricht als der Verkäufer ans Telefon geht und nickt unmerklich. Er würde nie jemanden über den Tisch ziehen. Der Mann ist zu ehrlich für das Gebrauchtwagen-Geschäft.

Dan sind sich die beiden einig. Super, denke ich. Das ging ja viel geschmeidiger als ich gedacht habe. So können wir uns einen Kaffee bei Costas gönnen und haben noch was vom Samstag. Vielleicht machen wir ja noch eine kleine Spritztour mit dem Neuen, der blau ist und aus Osteuropa kommt. Bis auf meinen ersten, ein gelber Renault R4, waren alle meine Auto schwarz. Blau passt zur Nationalflagge, denke ich. Das ist gut.

Vertieft in meine Gedanken bin ich der Konversation nicht mehr wirklich gefolgt, um nun abrupt aus meinen Träumen gerissen zu werden. Der Autohändler will eine Anzahlung bevor wird mit dem Fahrzeug von dannen fahren. Natürlich will er das. Ich sehe den Mann an und mir schwant schreckliches. Er hat nie Bargeld dabei und er nutzt keine Banking App, weil er ihnen misstraut.

„Ich werde es überweisen“, sagt er. Doch das bedeutet, dass wir wieder herkommen müssen.

„Können wir nicht hier in Inverness schnell zu einer Filiale deiner Bank fahren? Dann kannst du den Betrag von da überweisen“, schlage ich vor.

Die beiden Männer schütteln den Kopf. Samstags haben keine Filialen auf.

Ich sehe mit Schrecken die Konsequenzen. Der Mann will wieder zurückfahren. Mit beiden Autos. Dann machen wir diese Tour ein zweites Mal.

„Okay“, sage ich zu beiden. „Dann lassen wir den Panda da, überweisen den Betrag und kommen nächste Woche wieder.“ Schließlich habe ich ja ein Auto und der Mann den Dienstwagen.

Der Autoverkäufer laviert ein wenig. Offensichtlich will er ein Auto, das er noch nicht gekauft hat, nicht über das Wochenende auf seinen Parkplatz stehen haben. Hat bestimmt Versicherungsgründe. Aber das hat massive Konsequenzen für uns und mal ehrlich: Wer klaut diese Schrottlaube? Außerdem hat er einen unterzeichneten Vertrag. Da muss er ein wenig nachgeben. Wir machen doch diese Fahrt nicht ein zweites Mal! Was, wenn der Panda es nicht mehr schafft?

Mitten in diese Überlegungen stimmt der Mann zu. Druck machen ist wohl eher ein deutscher Zug, den Schotten ist das viel zu peinlich!

Draußen vor der Tür murmle ich aufgeregt.

„Warum stellen wir den Panda nicht auf die Parkplätze entlang der Straße? Da können wir ihn zur Not aufs Gelände schieben, wenn wir müssen. Ich habe das Gefühl, dass nicht mehr viel Leben übrig ist im Panda.“

Abschied vom Panda @nme Abenteuer Highlands

Das mag aber der Mann nicht, wegen Polizei und so. Ich sehe nicht, warum das ein Problem ist, solange er noch Steuer und Versicherung hat und nicht offensichtlich Schrott, aber ich gebe nach. Ist schließlich sein Auto. Er will es im Industriegebiet abstellen, er hat auch schon eine Idee wo, auf einem Betriebsgelände, das er kennt. Es ist nur ein paar Kilometer vom Autohändler entfernt.

Als wir ankommen, muss der Mann nochmal die Reifen aufpumpen. Dann lassen wir den Panda alleine auf einem riesigen Parkplatz in einem am Wochenende verlassen wirkenden Industriegebiet. Für mich fühlt sich das viel unsicherer an als die Straße beim Autohändler, aber ich schweige und fahre. Jetzt brauchen wir erst mal einen Kaffee!

To be continued….

Der Panda auf der Intensivstation

Der Panda liegt in seinen letzten Zügen. Damit ist kein knuffiges Tier gemeint, der Satz bezieht sich auf das Auto. Der Mann hat einen Dienstwagen und benutzt den kleinen nur, wenn er muss. Ich gurke die meiste Zeit mit der Rostlaube durch die Gegend, außer ich habe meinen eigenen Wagen aus Deutschland mitgebracht.

An einem sonnigen Tag im April bin ich unterwegs nach Glen Strathfarrar. Ich will den Großteil des Tages dort verbringen, etwas Wandern, Friedhöfe erkunden, eine Fahrt durch die Natur genießen. Der Panda lebt noch, sozusagen, keucht aber ziemlich. Mehrere Warnleuchten erzählen mir von diversen Problemen, doch der Mann will mit einem neuen Auto noch warten und den Panda fahren, bis er tot ist. Eine Entscheidung, die viele hier treffen, man sieht die Autoleichen oft in den verwilderten Gärten vor sich hin rosten. Fortbewegungsmittle jener, die zu hoch gepokert haben und es nicht mehr rechtzeitig zum Autohändler geschafft haben. Der Mann ist zuversichtlich, dass es uns nicht so geht und wir noch viel Zeit haben.

Ich fahre also los und kümmere mich nicht um die Leuchten. Ein entspannter Tag liegt vor mir, ich habe Urlaub und in der letzten Zeit viel gearbeitet. Tag für Tag merke ich, wie der Stress immer mehr von mir abfällt und ich ein wenig ruhiger werde, mehr Natur und andere Gedanken aufnehmen kann, weil der Kopf freier ist.

Rhododendron und Schmetterling @nme Abenteuer Highlands

Gerade fahre ich den letzten Anstieg hinauf, bevor mich die Straße nach Strathglass führt, von wo aus Glen Strathfarrar abzweigt. Als ein seltsames rotes Lämpchen aufleuchtet, das mir erst mal nichts sagt. Bei der nächsten Gelegenheit halte ich an und erkunde seine Bedeutung im Bordhandbuch. Es ist das ABS. Nicht gut. Ales, was mit bremsen zu tun hat, sollte funktionieren. Ich fahre wieder ein paar Meter und teste die Bremsen. Alles fein.

Okay, denke ich, Vielleicht einfach nur ein Fall von nervösen Lampen. Dan erreiche ich den Kamm des Hügels und die gut ausgebaute Straße geht bergab. An der nächsten Kurve sieht die Lage schon anders aus. Ich bremse leicht und das Auto klingt, als würde jemand mit einem Vorschlaghammer gegen die Radkappen hauen.

der alte Pamnda @ERM

In einer Haltebucht bringe ich den Wagen zum Stehen und überlege. Zuhause ist knapp zwei Stunden entfernt. Da komme ich so nicht mehr hin. Die nächste Werkstatt ist vermutlich in Dingwall. Auch das ist ein gute Stück weg. Ich rufe am besten den ADAC. Prüfend sehe ich mich um. Ich habe alles, was ich brauche. Die ADAC-Karte, eine Thermoskanne Kaffee, Sandwiches, Müsliriegel, eine Flasche Wasser und ein Telefon mit vollem Akku. Fein!

Der ADAC nimmt den Fall auf und sagt mir, dass sie den Fall an die schottischen Kollegen weitergeben werden. Von denen wird mich dann jemand kontaktieren. Ich soll das Telefon anlassen und in der Nähe des Autos bleiben. Allerdings dauert es eine ganze Weile, bis mein Telefon wieder klingelt. Die Frau am anderen Ende der Leitung klingt nicht schottisch. Freundlich nimmt sie alle meine Daten auf. Das Kennzeichen? Puh. Ich muss aussteigen. Das kann ich nicht auswendig. Sie sagt, es kann ein bis zwei Stunden dauern, bis Hilfe kommt.

Kein Problem, sage ich. Ich habe wirklich alles, was ich brauche. Dazu bin ich im Wald, was es einfacher macht, wenn man den Kaffee, den man getrunken hat, wieder loswerden möchte.

Nach zwei Stunden ist noch immer keiner in Sicht. Ich rufe die Nummer zurück, unter der mich die Frau vom AA angerufen hatte. Es gibt einen Fehler im System, weil das Kennzeichen nicht stimmt. Was ich für ein großes I gehalten habe, ist offensichtlich eine 1, aber die schreibt man im Vereinigten Königreich ja nur als Strich.

Hab ich auch Schokolade dabei? Ich könnte jetzt Zucker vertragen.

Eine Stunde später, ich höre gerade der True Crime Podcast Sprechen wir über Mord, da sehe ich einen gelben Transporter den Anstieg zu mir hochfahren. Das muss er sein! Und ja, er biegt auf den Parkplatz ab, auf dem ich stehe und lässt kurz die orangefarbene Warnleuchte aufblinken.

Es steigt ein junger Mann aus, der in seinem Leben wohl etwas zu viel Schokolade gegessen hat. Er ist sehr freundlich und sehr gesprächig. Um diese Jahreszeit bleiben nicht viele liegen. Da ist er froh, wenn es etwas zu tun gibt. Dann vertieft er sich in das Handbuch und holt diverse Analysegeräte aus deinem Auto. Er lässt sich die Symptome beschrieben und kommt nach einer gewissen Zeit zu den schottischsten aller Lösungen: alles in Ordnung, das System hat einen Hau. Es meldet einen Fehler im ABS und das Auto reagiert, obwohl es nicht müsste. Wenn er das ABS ganz ausstellt, passiert das nicht mehr. Dazu zieht er den Stecker und ich soll demnächst in die Werkstatt, um es richten zu lassen.

Ich nicke. Es in der Werkstatt richten zu lassen war nicht Teil des Plans, den Panda sterben zu lassen. Nun soll ich das Ergebnis testen. Ich starte den Wagen und bremse den Berg runter und wieder raus.

Alles fein.

„Kaffee?“ frage ich. Ich habe noch was in der Thermoskanne.

„Nein danke“, sagt er. „Habe gerade zu Mittag gegessen.“

Dann plaudern wir noch ein wenig über das Wetter und die Pannen, die er während der Saison so hat. Klingt sehr international und abwechslungsreich. Er macht jedenfalls den Eindruck eines Mannes, der mit sich und der Welt zufrieden ist. Das ist bei mir nicht anders. In Deutschland hätte mich eine Panne gestresst. Aber hier, mit Zeit, Verpflegung und einem netten Retter ist das einfach ein weiteres Abenteuer Highlands, das zu einem guten Ende gefunden hat.

Mit einem Blick auf die Zeit beschließe ich, den Ausflug abzubrechen und direkt wieder nach Hause zu fahren. Der Tag neigt sich dem Ende entgegen, ich habe beim Abendessen viel zu erzählen.

Ein Jahr später lebt der Panda immer noch, ist aber auf der Intensivstation. Das fällt nur nicht so auf, weil ich dieses Mal mit meinem deutschen Wagen nach Schottland gefahren und nicht geflogen bin. Der Panda wird nicht genutzt. Will man ihn benutzen, zum Beispiel weil man die Auffahrt braucht, dann sitzen die Bremsen fest. Die lösen sich irgendwann, oft aber braucht es Gewalt. Der Mann beschließt, es braucht ein neues Auto und sieht sich im Internet nach Gebrauchten um. Er entscheidet sich für einen Dacia, weil er hofft, beim Händler einen guten Preis für den sterbenden Panda zu bekommen.

Mir ist alles recht, solange der Panda nur vom Hof kommt, denn meine Angst ist, dass er für immer bleibt, wenn er erst gar nicht mehr fährt. Im Nachbarort hat einer vier tote Autos vor dem Haus und der Mann findet das gar nicht komisch. Ich habe also Grund, mir Sorgen zu machen.