Die Putzfrau

Ich war natürlich vorbereitet!

Nach wochenlanger Abwesenheit war mir eines sonnenklar – das Haus in Schottland würde einer gründlichen Reinigung bedürfen. Der Mann und ich haben unterschiedliche Vorstellungen von aufgeräumt und dem Zeitpunkt, ab dem man das Putzen nicht mehr aufschieben kann. Und dann hatte sich auch noch mehr oder minder zeitgleich mit meiner Rückkehr Besuch angekündigt.

Für dieses Problem gab es nur eine Lösung: Putzfrau.

Ich wollte vorbereitet sein.

Ich googelte und fand eine Agentur in der Nähe, zwei Mails später hatten wir eine Putzfrau, die am Morgen nach meine Heimkehr mit mir gemeinsam das Haus auf Vordermann bringen sollte………

„Wow!“ denke ich, als Mhairi am nächsten Tag auftaucht, ein ganzes Auto voll mit Putz – Utensilien, Wannen, Eimern, Wischlappen und diversen Reinigungsmitteln.

„Gut.“ denke ich. Dann muß ich unsere Putzmittel (letzten Sommer vom deutschen ALDI mit dem Auto hergefahren) schon nicht übersetzen.

Was heißt nochmal Duschkabinenreiniger???

Egal, wir machen eine Tasse Tee und Lagebesprechung. Also ich mache Lagebesprechung, sie macht Konversation. Ich zeige ihr die Zimmer und alles, was man einer Putzfrau so zeigen muß. Sie scheint autark und effizient. Kein Wunder, die Agentur organisiert ja auch Putzfrauen für die vielen Ferienhäuser in der Gegend. Da kostet die Stunde aber doppelt so viel wie für uns. Das gilt auch für sämtliche Handwerker.

In der Küche kremple ich die imaginären Hausfrauen-Ärmel hoch und fange an; Kühlschrank zuerst dann Gefriertruhe. Daß Verfallsdatum mit Entsorgung zu tun hat, ist nicht allen Mitgliedern des Haushalts gleich offensichtlich. Ich werke also fröhlich Musik hörend vor mich hin. „Meine Putzfrau“ putzt sich geschäftig von Zimmer zu Zimmer. Wir machen nur eine kleine Mittagspause mit Gemüsesuppe und Käsemuffins (aus der inzwischen wieder sortierten Gefriertruhe) und putzen dann weiter. Jetzt machen wir beide Konversation und ich beginne meine Putzfrau richtig zu mögen,

Irgendwann, als die Küche schon so aussieht als könnte sie auch eine ausgebrochene Herde zotteliger Hochlandrinder nicht vom Glänzen mehr abhalten, schaue ich nach den Fortschritten in den anderen Zimmern.

Das Bad ist nicht gewischt, die Zimmer nicht gesaugt und auf Fernseher und Musikanlage liegt still der Staub.

Was hat sie die ganze Zeit gemacht???

Die Fenster blitzen. Und?

In diesem Moment der germanischen Ratlosigkeit kommt der Mann nach Hause und sieht sofort die schottischen Bemühungen, die mir noch immer entgehen.

Fussleiste

„Fußleisten!“ sagt er und nickt vielsagend. „Früher im Schulcamp mussten wir die Zimmer auch immer ganz ordentlich putzen. Da gab es Inspektionen und wenn die Fußleisten oder die Türleisten nicht blitzblank waren, dann gab es Ärger.“

TürknaufIch sehe ihn vor meinem geistigen Auge vor meinem geistigen Auge in einer Art kurze Hosen/lange Haare Version von Full Metal Jacket, versäume aber nicht die Türleisten zu kontrollieren. Sowas von sauber. Und die Steckdosen, die Lichtschalter, die Lampen, die Türknäufe aus Messing sind poliert. Alles glänzt.

SteckdoseDa hätte ich nie hin geschaut. Die Einheimischen schon. Aber jetzt sah unser Haus aus, wie ein sauberes Haus in den Highlands aussehen soll.

Ich bedanke mich herzlich bei unserer Putzfrau, gebe Trinkgeld und winke ihr nach 8 Stunden zum Abschied hinterher. Dann sauge ich und denke über Fußleisten und Männer in kurzen Hosen nach. Mein Blick schweift nach oben.

In der Ecke des Wohnzimmers hängen noch ein paar Messingrohre vom alten Boiler aus Decke und Wand. Die sollte der Heizungsinstallateur schon längst entfernt haben. Der kam aber noch nicht dazu.

Das sollte er dann am Tag nach der Putzfrau machen, dachte der Mann.

Auf keinen Fall hatte ich gesagt. Dann ist wieder alles dreckig und ich muß das ganze Haus saugen.

Ich sauge das Haus und betrachte unsere neue Wandkunst. Die Rohrreste blitzen wie neu, Mhairi hat sie poliert.

Restrohrkunst

Darauf war ich natürlich nicht vorbereitet.