Schottischer Spitzen-Sommelier

Ich bin in einer Weingegend aufgewachsen, in der sehr gute weiße und akzeptable Rotweine angebaut werden.

Frankreich ist nah und damit noch mehr qualitativ hochwertiger Wein.

Wir sind hier, wie der alte Werbespruch so wahr sagt, von der Sonne verwöhnt.  Und natürlich vom Wein.

 

Der Mann ist in Glasgow aufgewachsen. Per se eher kein Weinanbaugebiet, zu seiner Zeit galt die Liebfrauenmilch als edles Getränk und Buckfast, der ultrasüße Likeurwein, als akzeptable Alternative zur Abendbelustigung.

Wir kommen also von einem recht unterschiedlichen Hintergrund und das zeigt sich ganz eindeutig, wenn es ums Wein kaufen geht. Wenn ich in Schottland Wein einkaufe, dann durchforste ich das Angebot nach italienischem Pinot Grigio oder französischem Roten was nicht ganz so leicht ist, denn das Standardangebot in den Regalen kommt aus Chile, Australien oder Neuseeland. Während ich also mit einem Ländersystem arbeite, pflegt der Mann ganz andere Standards, er differenziert nach Alkoholgehalt.

I had to lower my standards. sagt er mir letzte Woche auf Skype. Er war einkaufen und wie das so ist in Zeiten von Corona, hat nicht nur für sich sondern beim Großeinkauf auch für andere mit eingekauft. Man hatte ihn gebeten, eine Flasche Rosé mitzubringen. Eine Flasche? Meine innere Frage während ich ihm zuhöre wie er erklärt, dass es im Aldi in Inverness nur 12,5%igen Rosé gab. Ich kaufe eigentlich nie nur eine Flasche. Noch schaue ich auf die Etikett-Rückseite. Ich genieße Rosé an sonnigen Frühsommerabenden mit Eis auf der Terrasse. Mein Eis hat dabei 100% Frostgehalt. Dem schottische Weinkenner aber fehlen 0,5% zum Weinglück.

Du bist mir ein Sommelier! sage ich und lache.

Sommelier? fragt er und lacht noch mehr.

In Glasgow we call them winies.

schottische Küche

Die Welt braucht mehr Kochsendungen! Ja, ganz im Ernst. Obwohl sie so inflationär sind im deutschen Fernsehen. Für mich jedenfalls gilt: Lieber Kochesendungen als Dokumentationen.

foto by the man

foto by the man

Wenn wir den Dokumentationen im deutschen Fernsehen glauben dürfen, dann ist Schottland voller einsamer, felsiger Berge, wo zwischen purpurnen Heideflächen glückliche Schafe und majestätische Hochlandrinder weiden. Die Schotten produzieren den ganzen Tag entweder Whisky oder scheren ihre Schafe, die Alten sitzen vor ihren weiß gekalten Steinhäusern und singen traurige gälische Lieder, die Jungen stehen mit Kilt und Dudelsack an jeder größeren Straßenecke. Dann gibt es noch ein Unterwassermonster (Loch Ness) samt Experten, einen glücklosen Möchtegernkönig (Bonnie Prince Charlie) sowie einen ebenso tragischen Revolutionär (Braveheart) und für die Intellektuellen vielleicht noch einen Schriftsteller (George Orwell zum Beispiel, die Auswahl ist groß), der sich zu Inspirationszwecken auf irgend eine Hebriden-Insel zurückgezogen hat. Im Herbst röhrt der Hirsch, springt der Lachs und balzt der Auerhahn. Der Rest ist Runrig.

Und natürlich ist das Essen schlecht und der Wein kommt von der Mosel, die Restaurants sind sonntags geschlossen, haben häßliche Gardinen und draußen regnets.

Ja, das kann tatsächlich alles ganz genau so sein. Kann sein, muß aber nicht!

Die Alten, die ich kenne, haben Ipads und bestellen ihre Einkäufe online. Vor den weißgekalkten Häusern sitzen allenfalls die Touristen, die haben sie nämlich für viel Geld gemietet. Karierte Röcke tragen vornehmlich Teenager aus Japan. Und wer sich aus Inspirationszwecken in die schottische Einsamkeit zurückzieht, ist zumeist eine malende oder töpfernde englische Ehefrau aus der oberen Mittelklasse. Und ja, es gibt sie noch die fetttriefenden Würste und Pommes im Brötchen.

Aber es geht auch ganz anders.

Lecker, mit gutem Wein und so herrlich frischem Fisch, dass man nie mehr weg möchte aus diesem Land der unendliche Köstlichkeiten.

Zuletzt erlebt im Café Fish in Tobermory auf der Isle of Mull. Man sollte aber unbedingt einen Tisch reservieren, der Andrang ist vor allem in der Saison sehr groß. Und mit typisch schottischem Humor werben sie mit dem Slogan:

Das Einzige was bei uns tiefgefroren ist, ist der Fischer, nicht der Fisch.

Vielleicht sollte man statt Dokumentationen lieber Kochsendungen über Schottland produzieren. Solche wie die Hairy Bikers (BBC): Zwei langhaarige Motorradfahrer röhren durch die Lande und kochen.

In den Dokumentationen röhrt immer nur der Hirsch!

http://www.thecafefish.com/

http://www.hairybikers.com/