Im Schilder- statt im Pinienwald

Glen Affric – eine der letzten ursprünglichen Regionen Schottlands. Der Caledonian Pine Forest ist legendär und geschützt. Ein einsames Tal, in dem die Natur bewahrt wird, so, wie sie über Jahrtausende war. Das wahre, das alte Schottland. Und, so heißt es oft, das wohl schönste Tal des Landes.

Scots Pines Glen Affric

Ich bin unterwegs zu diesem legendären Waldschutzgebiet. Es ist noch nicht Frühling, aber ein Hoch beschenkt uns mit ein paar klaren, sonnigen Tagen, die Sorte Wetter, bei dem man auf gar keinen Fall im Haus oder in der Schreibhütte bleiben kann. Man muss raus und wohin, wenn nicht in die letzte Wildnis Schottlands: Glen Affric.

Glen Affric @nme

Bei Visitscotland klingt das so: Glen Affric ist eine magische Mischung aus einheimischen Wäldern, glitzernden Seen und geheimnisvollen Moorlandschaften. Zahllose Meilen alter Pinien, der größte alte kaledonische Pinienwald in Schottland. Beim Wandern zwischen uralten Bäumen begleitet das zwitschernde Rufen der Waldvögel. Fischadler, Otter oder Prachttaucher warten darauf, beobachtet zu werden. Der Herbst kleidet Glen Affric in ein Farbenmosaik, in dem das Röhren der Rothirsche widerhallt.

Nicht schlecht, denke ich. Es ist schon viele Jahre her, dass ich das letzte Mal da war. Damals auf einem Motorradausflug, was das Wandern deutlich eingeschränkt hatte. Nun habe ich das richtige Schuhwerk und die Sonne, die einen Tag in einer so wunderbaren Gegend erst besonders macht. Auch wenn ich auf das Röhren der Rothirsche verzichten muss, es ist Winter, da röhrt nichts.

Es ist ein wahres Fest, durch den Sonnenschein zu fahren. Wir hatten ziemliche usseliges Wetter zuletzt und der Körper saugt die Sonne förmlich auf. Doch – was ist das? Ich erreiche Loch Ness und sehe vereinzelte Wolken am Himmel. Wolken? Alle Wetterapps haben überall grenzenlosen Sonnenschein in Schottland versprochen. In Drumnadrochit ziehen sich die vereinzelten Wolken zu einer farblosen Decke zusammen und als ich endlich Glen Affric erreiche ist es kalt und trüb wie immer in den letzten Tagen. Überall drumherum ist Sonnenschein und ich beschließe, ausgerechnet hier zu wandern.

dead tree Glen Affric @nme

Die Sonne setzt sich bestimmt auch hier bald durch, denke ich, und setze meinen Weg fort. Ich muss ja schon auf das Röhren der Rothirsche verzichten, da brauche ich wenigstens Sonne! Der Anblick der atemberaubenden Scots Pines entschädigt für Vieles. Was für majestätische Bäume!

Nach eineinhalb Stunden bin ich endlich da. Der Dog Falls Parkplatz, von dem aus mehrere Wanderrouten abgehen. Es sieht aus, als würde es jeden Moment regnen. Vor mir erstreckt sich … leider nicht die große Natur, sondern ein Schilderwald. Achtung Bauarbeiten. Vorsicht, schweres Gerät. Achten sie auf ihre Sicherheit. Was ist denn hier los?

Es ist Winter und der Parkplatz wird neu hergerichtet und die sensiblen Grasflächen geschützt. Der Parkautomat hält Winterschlaf, aber überall sind Bagger und LKW geparkt. Es sieht aus wie auf einer Großbaustelle. Einen uralten Wald habe ich mir anders vorgestellt. Aber hey, denke ich mir, sei mal nicht zu voreilig, du bist ja erst am Parkplatz. Ein Schild weist die unterschiedlichen Pfade aus und es gibt sogar eine Karte zum Mitnehmen. Sehr organisiert! Eine kleine Hütte ist auch da. Wohl für den Ranger. Aber der hat auch Winterpause. Alles zu. Ich mache mich auf den roten Pfad. Der führt keine zehn Meter parallel zur Straße, auf der mit viel Lärm die Baustellenfahrzeuge entlangbrettern. Der Pfad selbst ist geteert. Ich nehme mal an, dass von April bis Oktober hier die Hölle los ist und die Waldwege den Ansturm nicht bewältigen. Aber das Gefühl von wilder Ursprünglichkeit will sich auf deinem solchen Pad natürlich nicht einstellen. Dann wieder ein Schild: Achtung. Straße. Ja, denke ich. Habe ich gehört.

Nach einer Weile führt ein Pfad, ich bin inzwischen auf dem gelben unterwegs, von der Straße weg und es wird ruhiger. Jetzt ist er auch nicht mehr geteert, sondern schmal und natürlich. In der Saison wird man hier bei Gegenverkehr sicher oft warten und ausweichen müssen. Haben die von der Forestry Commission deshalb die Pfade mit Farben markiert und die Richtung angegeben. Damit alle wie Lemminge in dieselbe Richtung laufen. Wobei, Lemminge gibt es nur in der Arktischen Tundra und ich bin ja im ursprünglichen kaledonischen Pinienwald.

Bald komme ich zu einem einsamen kleinen Wildsee namens Coire Loch, sehr schön gelegen und offensichtlich ein Paradies für Insekten. So erklärt mir das eine der vielen Tafeln, die hier hinter jedem zweiten Baum stehen hinter jedem dritten Stelen für die Kinder-Bespassung, hölzerne Otter zum aufklappen und so. Ich bin froh, dass ich jahreszeitenbedingt das Insektenparadies verpasse und versuche all die anderen Bemühungen, mich zu informieren und zu erziehen zu ignorieren, weil ich ja in der ursprünglichen Wildnis des kaledonischen Pinienwalds unterwegs bin und ich das wahre, alte Schottland erfahren möchte. Im Moment hat es mehr dem Charme von Waldlehrpfad beim Schulausflug. An steilen Stellen hat man hier sogar Steintreppen angelegt. Wie im Kurpark!

Plötzlich mehr Schilder. Vorsicht, Waldarbeiten! Das kenne ich nun aus dem Schwarzwald zur Genüge. Doch dort handelt es sich in der Regel um Baumfällarbeiten. Hier stoße ich zunächst auf einen Haufen geparkte Transporter, und dann auf eine Gruppe junger Männer, die mit Baggern, Rüttlern und Teermaschinen die wilde Natur von Glen Affric zähmen. Sie tragen Leuchtwesten und Ohrschutz und schreien sich Kommandos entgegen. Sie sind ja auf einer Baustelle. Ich glaub, mich knutscht mein Elch!

Endlich wieder zurück im Auto genieße ich die Ruhe und den Blick auf noch mehr Schilder.

Glen Affric – eine der letzten ursprünglichen Regionen Schottlands? Das wahre, das alte Schottland? Wo die Hirsche röhren und uralte Pinien von lange vergangenen Zeiten erzählen?

Schnell fahre ich wieder Richtung Loch Ness und zurück in die Sonne. Für heute habe ich genug ursprüngliche Wildnis.

Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf!

Nach den ersten Erfahrungen mit den Highlands habe ich das erste Buch geschrieben: Abenteuer Highlands – mein etwas anderes Leben im schottischen Hochland. Damals noch ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass es vielleicht mehrere geben könnte. 

Die Jahre gingen ins Land und die Abenteuer wurden nicht weniger. Deshalb, und weil ich immer wieder gefragt wurde, ob es nicht bald einen zweiten Teil von Abenteuer Highlands gäbe, habe ich ihn geschrieben. Abenteuer Highlands 2.0 – zwischen Schwarzwald und Schottland – alles, was ein Doppelleben in zwei Ländern aufregend und erzählenswert macht. 

Nun ist Abenteuer Highlands offiziell eine Serie und der nächste Band in Arbeit: Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf! Ende 2023 als Taschenbuch und eBook bei Amazon verfügbar. 

Nellie Merthe Erkenbach

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