Been there, done it!

Been there, done it! Das ist in der Regel ein Prozess, den Touristen überall auf der Welt, aber natürlich auch in Schottland durchlaufen: Eilean Donan Castle, Loch Ness, Royal Mile, Highland Games … Been there, done it. Gesehen und erledigt. Haken dran.

In einem etwas feineren Sinn bedeutet der Ausdruck aber auch, dass man selbst an diesem inneren Punkt gewesen ist und genau dasselbe getan hat, also zum Beispiel eine Hochzeit absagen, eine Schönheits-OP machen lassen, seine Frau betrogen, den Job verlieren. Been there, done it. Letztendlich ist der Ausdruck die tröstliche Gewissheit, dass der andere genau die gleichen Erfahrungen gemacht hat, wie man selbst.

Die andere Nellie ist mein been there, done it und das hat etwas sehr Schönes, denn es verbindet uns nicht nur auf eine besondere Art, es kann einen in den eigenen Entscheidungen bestärken und unterstützen, denn da gibt es jemand, dem es oft ganz genauso geht wie mir.  

Wie ich in der Anfangszeit bringt sie jede Menge Dinge mit, die in ihrem deutschen Leben eine Rolle spielen, wenn sie zwischen beiden Ländern hin und her fährt: ein Fondue Set, Bier, Raclette Käse.

Nellie fährt Motorrad, ich eine Harley, sie eine Triumph. Das ist etwas Gemeinsames und ein Faktor, der uns unterscheidet. Ich gehöre zur Chopper-Fraktion, sie kommt aus der Racer-Ecke. Und was erzählt sie mir als eines ihrer ersten Erlebnisse hier in den Highlands? Sie hat ihr Nummernschild verloren. Ist das nicht kurios? Ich hätte mit der SR 500 schon fast das Schild verloren, am Ende hing es in Teilen in der Halterung. Mit der LS 650 war es dann ganz weg. Nur das Intruder Schild hat gehalten. Und für alle, die jetzt gönnerhaft lächeln – wir sind beide durchaus in der Lage, Schrauben festzuziehen. Die Straßen hier sind Hölle und wenn man nicht regelmäßig kontrolliert, ist es wegvibriert. Das Problem: M muss es ja auch wieder in Deutschland beim TÜV vorstellen, aber wie kommt man über die Grenze ohne Nummernschild?

Been there, done it! Vielleicht ein wenig tröstlich für beide Nellies. Die Quelle einer gewissen Frustration für mich ist allerdings, dass sie das Moped in den Highlands hat und meines in Deutschland steht. Meine Maschine fehlt mir! Ich schaue nach draußen, während ich das schreibe und relativiere. Es stürmt und der Wind treibt die Wellen mit Macht an den Strand. Der Regen kommt waagrecht. Jetzt wäre es lebensgefährlich mit dem Motorrad. Im Schwarzwald sind die Wetterbedingungen bei weitem nicht so extrem und die Straßen deutlich besser. Außerdem habe ich derzeit kein Auto, das Moped ist also mein einziges Fortbewegungsmittel in Deutschland. Das brauche ich. Hier haben wir ja ein Auto. Ich sage mir immer wieder, dass das so mehr Sinn macht, aber mir graut vor dem Tag an dem die andere Nellie textet:

Mit dem Motorrad unterwegs nach Applecross.

Applecross Sands @nme Abenteuer Highlands

Denn dann kann ich nur denken, dass ich das zwar auch schon oft gemacht habe, aber dass ich nie genug davon bekommen kann. In diesem Sinne also:

Been there but I do still want to do it!

Bealach na Bà @nme Abenteuer Highlands

dringende Bedürfnisse

Gestern war der Tag der dringenden Bedürfnisse.

Ich hatte seit Tagen das dringende Bedürfnis nach einem kleinen Ausflug: rumfahren, Landschaft genießen, fotografieren. Einfach mal raus und Schottland erleben. Das Wettergrau hatte mich bis gestern im Haus gehalten und noch in der Früh sah es eher trüb als ausflugsverlockend aus.

towards Applecross (1)Pünktlich zur Abfahrt aber kommt die Sonne aus den Wolken hervor, als wolle sie mich aus dem Haus locken in die grandiose Weite des schottischen Hochlands. Ich mache mich auf, ohne gefrühstückt zu haben. Ich habe nur einen Kaffee in der Warmhaltetasse, ich will zum Spar in Lochcarron, da gibt es die leckersten pieces weit und breit. Zwei Brötchen, eins mit Ei und Speck und eins mit Mayonnaisenei und Zwiebel im Gepäck, mache ich mich nach auf Applecross.

towards Applecross (5)

Es hat frische 8 Grad aber ich beschließe, daß es sicher ist, die Paßstraße zu nehmen. Die Umfahrung dauert gut eine Stunde länger. Der Bealach na Ba hat es in sich und die Warnhinweise sind nicht nur zum Spaß da. Wer also das dringende Bedürfnis nach Abenteuer hat….

towards Applecross (7)Sicher oben angekommen, hat es nur noch 4,5 Grad und das Auto blinkt Glättewarnungen. Doch die Straßen sind ok. Was für eine atemberaubende Gegend, weit und breit nur Einsamkeit und Steinwüste. Die schlichte aber überwältigende Größe der Torridon Berge. Weit und breit nichts, kein Baum und kein Strauch.

Kein Baum und kein Strauch!

towards Applecross (4)

Der Kaffee fordert Tribut und da ist einem als Frau so ein Baum oder ein Strauch schon ganz recht. Wer weiß, ob in der großen Einsamkeit nicht ausgerechnet doch im falschen Moment ein Auto vorbei kommt.

towards Applecross (8)

toilet ApplecrossWeil es nicht mehr weit bis Applecross ist, bleibe ich trotz Druck tiefenentspannt. Die öffentliche Toilettendichte ist hoch in den Highlands. Wo es Menschen gibt, gibt es Toiletten und die sind immer so gepflegt, dass man auch ohne Bäume und Sträucher leben kann, falls man mal ein dringendes Bedürftnis entwickeln sollte.

Apropos!

towards Applecross (2)Ich habe inzwischen Mörderhunger, es ist Mittag und die Brötchen sind noch unberührt. Die Straßen sind einfach nicht zum Essen gemacht. Wärend ich in Deutschland im Auto alles Mögliche tue (essen, trinken, telefonieren, schminken) geben einem die Straßen hier keine Chance; rauf, runter, enge Haarnadelkurven, einspurige Streckenabschnitte mit Ausweichbuchten. Und Telefonsignal gibt es ohnehin selten eins.

Ich halte, kaue und genieße.

past Applecross (2)

Zurück fahre ich die lange aber passlose Strecke über Shieldaig und beschließe beim Co-op noch schnell ein paar Sachen zum Essen einzukaufen. Im Laden sind mehr Mitarbeiter, die Regale auffüllen, als Kunden. Der weitgehend haarlose Herr an der Kasse hat Zeit.

co-op KyleOb ich wüsste, wie viele Ebola Fälle es inzwischen im Land gäbe, will er wissen.

Während ich nach in meinem Hirn nach einer Antwort auf eine derart unerwartete Frage krame, erzählt er mir von seinem Leben. Er war mal Soldat. Und Koch. Und man müsse doch was tun wegen Ebola und so. Und überhaupt Viren, die sind vor allem auf dem Geld, meint er.

Ich bezahle mit Kreditkarte und versuche noch, all diese Informationen zu verarbeiten, da ist er auch schon beim Sinn des Lebens angekommen. Das ist nun wirklich ein wenig viel an der Supermarktkasse. Der freundliche Herr philosophiert ungerührt von meiner Sprachlosigkeit weiter. Er wollte wohl einfach mal über was anderes reden.

Schließlich war gestern der Tag der dringenden Bedürfnisse.Applecross