Gestern war der Tag der dringenden Bedürfnisse.
Ich hatte seit Tagen das dringende Bedürfnis nach einem kleinen Ausflug: rumfahren, Landschaft genießen, fotografieren. Einfach mal raus und Schottland erleben. Das Wettergrau hatte mich bis gestern im Haus gehalten und noch in der Früh sah es eher trüb als ausflugsverlockend aus.
Pünktlich zur Abfahrt aber kommt die Sonne aus den Wolken hervor, als wolle sie mich aus dem Haus locken in die grandiose Weite des schottischen Hochlands. Ich mache mich auf, ohne gefrühstückt zu haben. Ich habe nur einen Kaffee in der Warmhaltetasse, ich will zum Spar in Lochcarron, da gibt es die leckersten pieces weit und breit. Zwei Brötchen, eins mit Ei und Speck und eins mit Mayonnaisenei und Zwiebel im Gepäck, mache ich mich nach auf Applecross.
Es hat frische 8 Grad aber ich beschließe, daß es sicher ist, die Paßstraße zu nehmen. Die Umfahrung dauert gut eine Stunde länger. Der Bealach na Ba hat es in sich und die Warnhinweise sind nicht nur zum Spaß da. Wer also das dringende Bedürfnis nach Abenteuer hat….
Sicher oben angekommen, hat es nur noch 4,5 Grad und das Auto blinkt Glättewarnungen. Doch die Straßen sind ok. Was für eine atemberaubende Gegend, weit und breit nur Einsamkeit und Steinwüste. Die schlichte aber überwältigende Größe der Torridon Berge. Weit und breit nichts, kein Baum und kein Strauch.
Kein Baum und kein Strauch!
Der Kaffee fordert Tribut und da ist einem als Frau so ein Baum oder ein Strauch schon ganz recht. Wer weiß, ob in der großen Einsamkeit nicht ausgerechnet doch im falschen Moment ein Auto vorbei kommt.
Weil es nicht mehr weit bis Applecross ist, bleibe ich trotz Druck tiefenentspannt. Die öffentliche Toilettendichte ist hoch in den Highlands. Wo es Menschen gibt, gibt es Toiletten und die sind immer so gepflegt, dass man auch ohne Bäume und Sträucher leben kann, falls man mal ein dringendes Bedürftnis entwickeln sollte.
Apropos!
Ich habe inzwischen Mörderhunger, es ist Mittag und die Brötchen sind noch unberührt. Die Straßen sind einfach nicht zum Essen gemacht. Wärend ich in Deutschland im Auto alles Mögliche tue (essen, trinken, telefonieren, schminken) geben einem die Straßen hier keine Chance; rauf, runter, enge Haarnadelkurven, einspurige Streckenabschnitte mit Ausweichbuchten. Und Telefonsignal gibt es ohnehin selten eins.
Ich halte, kaue und genieße.
Zurück fahre ich die lange aber passlose Strecke über Shieldaig und beschließe beim Co-op noch schnell ein paar Sachen zum Essen einzukaufen. Im Laden sind mehr Mitarbeiter, die Regale auffüllen, als Kunden. Der weitgehend haarlose Herr an der Kasse hat Zeit.
Ob ich wüsste, wie viele Ebola Fälle es inzwischen im Land gäbe, will er wissen.
Während ich nach in meinem Hirn nach einer Antwort auf eine derart unerwartete Frage krame, erzählt er mir von seinem Leben. Er war mal Soldat. Und Koch. Und man müsse doch was tun wegen Ebola und so. Und überhaupt Viren, die sind vor allem auf dem Geld, meint er.
Ich bezahle mit Kreditkarte und versuche noch, all diese Informationen zu verarbeiten, da ist er auch schon beim Sinn des Lebens angekommen. Das ist nun wirklich ein wenig viel an der Supermarktkasse. Der freundliche Herr philosophiert ungerührt von meiner Sprachlosigkeit weiter. Er wollte wohl einfach mal über was anderes reden.
Schließlich war gestern der Tag der dringenden Bedürfnisse.
Hallo
Ich LIEBE deine heitere Berichterstattung und deine super tollen Fotos. Du lässt mich die zwei Jahre bis zu meinem Schottlandtripp mit deinen Beiträgen sehr gut aushalten. Danke! 🙂
Dafür habe ich dich nun für den „Liebster Blog Award“ nomieniert. Vielleicht hast du ja Lust mitzumachen, damit wir ein wenig mehr über dich erfahren? 🙂
http://gedankenteiler.wordpress.com/2014/10/12/jetzt-ist-es-passiert/
LG aus „good old Germany“
Oh, das freut mich aber sehr. Vielen Dank für die Nominierung. Dann werde ich mich mal die nächsten Tage an deine Fragen machen. Wir sind gerade wieder von den Shetland Inseln zurück und da sind noch soooo viele Bilder und Geschichten in meinem Kopf und auf meinem Laptop und leider muss ich Ende der Woche wieder zurück nach „good old Germany“. Ich hab also Streeeesssss :-)) Jetzt geh ich erst mal den Flug aus den Beinen laufen, es ist kalt, die Sonne scheint und das Loch ist so still, daß sich die Berge spiegeln. Wunderschön!Für den Tripp in zwei Jahren unbedingt Kintail einplanen! LG aus Schottland