Das unwiderstehliche Schottland
Was macht man, wenn man schon länger als ein Jahr nicht in Schottland war und furchtbare Sehnsucht hat? Genau, man kratzt seine letzten Urlaubstage zusammen und plant mal eben einen kleinen Urlaub. 10 Tage, davon je ein einer der für An- und Abreise mit der Fähre draufgeht. Nun, da bleibt einem der weite Weg in die Highlands versperrt, wenn man nicht den ganzen Tag nur im Auto sitzen möchte. Also haben wir Ziele gesucht, die in halbwegs erreichbarer Nähe liegen und haben eine Coast-to-Coast-Tour gemacht. Im September!
Was soll ich sagen! So einen schönen und entspannten Urlaub hatten wir bis dahin in Schottland noch nicht gemacht. Wir hatten kurze Tagesstrecken zu bewältigen und haben Plätze gesehen, von denen man in der Regel nur recht selten hört. Häufig waren wir alleine unterwegs. Manchmal gar die ersten und einzigen Besucher an einem Tag. Wie immer haben wir dabei nette Menschen getroffen und viel erlebt.
Besonders schön war der Besuch von Dirleton Castle and Gardens. Die Pracht der Gärten kann ein Fot nicht wiedergeben, aber dieses Bollwerk an Burg, das konnten wir auf die Speicherkarte bannen. Für mich immer noch eines meiner persönlichen Highlight- und Best-of-Fotos, obwohl ich damals nur eine kleine Kompaktknipse dabei hatte. Aber an diesem Foto sieht man, auch mit kleinem Werkzeug kann man schöne Fotos machen. Die ganze Anlage ist übrigens sehr sehenswert! Der Garten ist toll und wirkt das Castle von dieser Seite so bedrohlich, sie sieht es mit der Zugbrücke von der anderen Seite ganz anders aus. Auf jeden Fall ist dieses Kleinod einen Abstecher wert!
So auch die kleinen Kirche in Abercorn. Ganz versteckt liegt sie und ist jedoch mit ihrem Portal ein echter Hingucker. Die Fahrt dorthin hat recht lange gedauert, denn alle paar Meter mussten wir warten bis die Straße frei war. Nein, keine Schafe, auch keine Highland Cattles, sondern Fasane. Dutzende Fasane bevölkerten die Straße, den Straßenrand, die Felder, die Büsche … sie waren einfach überall! Wenn es in Schottland ein Tier gibt, das eindeutig Suizid gefährdet ist, das ist es der Fasan. Oder sind die wirklich so dumm?
Nur ein Stückchen weiter liegt Blackness Castle, natürlich den Outlander-Fans bekannt. Wir haben uns dort schon versucht im Innenhof die Knochen zu brechen, da dachte noch niemand an die Verfilmung der Bücher Für mich ist dies ein typisches Schottland-Bild, alt und neu, Landschaft und Gemäuer und über allem weht die Saltire.
Vom Firth of Forth ging es quer durchs Land. Mal hier ein Abstecher, mal dort ein Abstecher. An einem schönen lauen Abend haben wir Portpatrick besucht. Nach einem leckeren Abendessen im Pub haben wir dieses Foto beim Spaziergang an der Kaimauer gemacht. Ich mag diese kleinen Fischerdörfer. Und wenn ich irgendwann mal ganz viel Zeit habe, dann fahre ich sie alle ab. Jedes einzelne kleine Dorf, das direkt an der Küste liegt. Könnt ihr die frische Luft riechen, das leise Plätschern der Wellen hören? Das sind Abende, um die ganze Welt zu vergessen und das ist etwas, das ich nur in Schottland so gut kann!
Auch wenn diese Seite der Küste selten besucht wird, so gibt es dort so viele Highlights. Dort habe ich den leckersten Lachs meines Lebens gegessen. Wir durften ein Castle besichtigen, obwohl wir eigentlich zu spät dran waren und der nette Mann von Historic Scotland für uns beide Augen zugedrückt hat und seinen Feierabend verschoben hat. Dort durften wir in einer kleinen Abbey die Angestelltentoilette benutzen, weil es keine für Besucher gab.
Doch eines der einprägsamsten Erlebnisse dieses Urlaubs war der Besuch von Cairnholy. Ich habe eine Schwäche für Friedhöfe, alte Abbeys und Steinkreise. Wir waren alleine dort und haben die Standing Stones bewundert. Plötzlich springt ein älterer Mann in einer zerissenen Jeans und in Gummistiefeln über den Zaun der angrenzenden Weide und macht ein Foto mach dem anderen von den Steinen. Ein wenig wirr erschien er uns schon, also haben wir nur freundlich gegrüßt und wollten weitergehen. Nix da, Pustekuchen. Joseph, so stellte er sich vor, ist der selbsternannte Experte von Cairnholy. Meinen Mann hatte er ganz schnell am Wickel und hat ihn ausgequetscht. Was er denn glauben würde, welche Bedeutung die Steine haben und ob er diese Einkerbung sehen würde und dort das Loch. Während mein Mann mit seinen, damals noch, nicht so tollen Englisch-Kenntnissen versuchte die Fragen nach dem Sinn des Lebens und der Standing Stones von Cairnholy zu beantworten, habe ich mich lieber bedeckt gehalten. Die Sonne näherte sich dem Horizont und es wurde immer voller. Bald waren mehr als 20 Personen an diesem winzigen Steinkreis versammelt. Und dann erzählte Joseph es uns. Es war der Tag der Herbsttagundnachtgleiche UND das erste mal seit Menschengedenken (So hat er sich ungefähr ausgedrückt), dass die Sonne genau zwischen den beiden Hauptsteinen untergehen würde. Denn, erst Anfang des Jahres wären die Bäume am Horizont, auf diesem kleinen Hügel, gerodet worden. Wir versammelten uns also alle vor den beiden Kopfsteinen und je tiefer die Sonne in Richtung Horizont sank, desto ruhiger wurde die ganze Meute. Bis dahin, haben wir übrigens einen wunderschönen Tag gehabt. Blauer Himmel, leichte Brise und die Wolken hatten sich verzogen. Der Himmel nahm diese außergewöhnliche sanfte Farbe an und kurz, kurz bevor die Sonne den Horizont berührte, da war sie. Die Wolke, diese böse, riesige Wolke, die sich vor die Sonne schob. Ein enttäuschtes Raunen ging durch die Schar der Jospeh-Jünger und Joseph sagte nur „Verdammte Scheiße!“ Nein, ich habe es nicht übersetzt. Denn war Joseph uns unterschlagen hatte, er war jahrelang in Deutschland stationiert und sprach deutlich besser Deutsch als wir Englisch. Aber Spaß hatten wir dennoch alle miteinander und haben herzlich darüber gelacht!
Als hätte diese Wolke das Ende des Sommers eingeläutet, fing es am nächsten Tag an zu regnen und hörte nicht mehr auf. Vielleicht lag es auch daran, das wir die Grenze zu England überquert hatten? Wir wissen es nicht. Die letzten drei Tage waren auf jeden Fall geprägt von überfluteten Straßen, reizenden Flüssen und gesperrten Straßen. Wir hätten Schottland nie verlassen sollen!
Ich finde auch dieses Mal hat sich Britta wieder einen extra Applaus verdient, von mir und uns allen für die ausführliche Recherche und die wunderbaren Bilder.
Du bist eine echte Inspiration. Danke für deinen Beitrag. LG Nellie