„Sollen wir einen Prosecco aufmachen und das neue Auto feiern?“
Der Mann scheint mir ein wenig nachdenklich, vielleicht heitert ihn das auf. Er reagiert gar nicht, weil er so tief in Gedanken versunken ist, dass er mich nicht hört.
„Vielleicht war das doch keine so gute Idee mit dem Parkplatz im Industriegebiet“, sagt er in nachdenklichem Ton.
Meine Rede, denke ich und schweige.
„Die haben bestimmt Überwachungskameras. Wenn da ein fremdes Auto steht, rufen die vielleicht die Polizei“, überlegt er weiter.
„An einem Sonntag? Das denke ich nicht“, versuche ich ihn zu beruhigen. Doch der Panda auf dem Parkplatz lässt ihm keine Ruhe und er tigert nervös durchs Haus.
Beim Abendessen erklärt er dann, das er am Sonntag mit dem Bus nach Inverness fährt und das Auto umparkt. Sogar bei Kwickfit will er vorbei, weil die sonntags aufhaben und vielleicht einen gebrauchten Reifen draufmachen können.
Ich wollte eigentlich wandern gehen, bringe es aber nicht über mich, den Mann mit dem Bus nach Inverness fahren zu lassen. Ich würde das problemlos machen, er kann es nicht. Ich beschließe, das nicht verstehen zu müssen und ihn hinzzukutschieren. Ich kann ja auch rund um Inverness wandern, während er Reifen aufpumpt, Auto umparkt und Gebrauchtreifen aufziehen lässt.
Sonntagmorgen fahren wir zuerst zu MacDonalds. Ich für Kaffee, er für Kaffee und Frühstücksburger. Dann fahre ich ins Industriegebiet. Der Panda ist noch da, eine Möwe hat einen riesigen weißen Schiss auf dem Dach hinterlassen.
Splash, denke ich und grinse innerlich. Dann winke ich ihm zu und fahre wieder aus der Stadt raus, die an einem Sonntagmorgen sehr verlassen wirkt. Ganz in die Wildnis will ich nicht, weil ich dann keinen Empfang habe und er mich nicht erreichen kann. Deshalb wandere ich einfach die am Berg gelegene Straße nach Abriachan entlang. Am Loch Ness ist der Empfang gut, das sollte kein Problem sein.

Es ist ein ziemlich windiger und kalter Tag. Obwohl ich an einer Straße entlang laufe, fühlt es sich einsam und abgelegen an. Erstaunlich, wo doch Luftlinie eine Handvoll Kilometer weiter unten die Autos auf der A82 Stoßstange an Stoßstange unterwegs sind. Ich genieße es, mich in der kühlen Luft zu bewegen, Tannenwälder wechseln sich mit Heideflächen ab, ein paar vereinzelte Häuser hier und da. Immer wieder checke ich mein Handy. Was der Mann wohl macht?

Nach drei Stunden bin ich wieder zurück an meinem Auto. Der Mann hat sich noch immer nicht gemeldet. Ich schicke ihm eine Nachricht und fahre los.
Bin auf dem Weg zurück nach Inverness. Wo steckst du?
Die Antwort kommt umgehend.
Bin gerade auf den Parkplatz des Autohändlers gefahren.
Das hätte wir auch gestern machen können, aber dann hätte ich nicht diesen schönen Spaziergang oberhalb von Loch Ness gemacht.
Der Mann sieht erschöpft aus. Er hat zwei Stunden bei dem Reifenladen verbracht. Anscheinend in einer irrsinnig langen Warteschlange. Was die Schotten sonntags so machen! Jetzt steht der Panda unschuldig auf dem Parkplatz des Händlers und der Mann fühlt sich besser, weil er am Vorabend das Geld für den Gebrauchtwagen überwiesen hat. Der Deal ist somit gemacht.
Auf dem Heimweg erkläre ich, dass wir definitiv heute Prosecco trinken müssen. Er nickt und grinst.
Mittwochs ist es dann so weit. Wir holen das neue Auto ab und begeben uns zum dritten Mal innerhalb von fünf Tagen in die Hauptstadt der Highlands. Der Mann macht früher Schluss und ist am Nachmittag abfahrbereit. Dreimal in die Hauptstadt, das hätte man auch effektiver lösen können grummle ich. So richtig viel Zeit zum Ausspannen hatte ich weder 2021 noch 2022, sonst würde ich jetzt nicht noch meinen Resturlaub nehmen. Ich beschließ, es positiv zu sehen. Ein Großteil der Strecke ist landschaftlich wunderschön und mein Auto hat nun wirklich allen Schnickschnack, mit dem man längere Fahrten angenehm machen kann. Dazu lockt der Ausblick auf einen Barista Kaffee. Happy Holidays!
Auf dem Parkplatz werfe ich den Panda einen letzten wehmütigen Blick zu. Er hat mich begleitet in all meinen Jahren in den Highlands. Jetzt hat ein neuer Abschnitt begonnen.
