Der König im Kino

Robert Bruce war nicht nur ein König, er war der König von Schottland. Wenn also die Aussicht besteht, den König zu treffen und mit ihm zu reden, dann sagt man da nicht nein.

Die Rede ist natürlich nicht von richtigen Robert Bruce, der starb ja bereits 1329. Die Rede ist vielmehr von Angus MacFadyen, dem Schauspieler, der in Braveheart den König spielte und nun mit seinem eigenen Film “Robert the Bruce” durchs Land reist, weil der Film nicht der Kassenschlager wurde, den man erhofft hat. Der Mann kennt MacFadyen nicht persönlich, obwohl er als Statist in Braveheart mitgewirkt hat.  Aber er kennt andere im Film und ist schon allein deshalb nicht abgeneigt, mit ins Kino zu gehen. Außerdem ist der Bruce Fan (der König, nicht der Schauspieler).

Sleat road

Ins Kino gehen? Naja, ganz so einfach ist das natürlich wieder nicht und gehen geht schon gar nicht. Das nächste richtige Kino ist in Inverness und damit 2 Stunden entfernt. Der Film wird in der Aula meines College gezeigt, das ist nur eine Stunde Fahrt von zu Hause. Richtigen Kinocharme hat das natürlich nicht, es ist nicht mehr als seine große Leinwand in einem Raum, der sich anfühlt wie eine Schulaula. Nichts für Cineasten also aber nach dem Film wird es eine Fragerunde mit dem Produzenten und Hauptdarsteller geben. Warum er gerade hierher in die Einsamkeit der Insel Skye kommt? Er hat Familie hier.

 

Die Fahrt ist trotz mäßigen Wetters wunderschön und wie freuen uns auf den Film. Und ich freue mich auf das College, mein nächster Gälischkurs steht bald an.

Angus MacFadyen

Wir finden einen Platz, das „Kino“ ist gut besucht und der König hält eine kleine Begrüßungsrede. Dann geht das Licht aus und wir reisen in den kalten Winter des Jahres 1306.

screening The Bruce in Sabhàl Mor OstaigDer Film ist Low Budget und hat keine der finanziellen Unterstützungen bekommen, auf die er gehofft hatte, die meisten Szenen wurden nicht in Schottland gedreht. Kamera und Schnitt bieten nichts Neues. Aber die Akzente sind gut, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass einige der Schauspieler Amerikaner sind. Der Film erzählt die fiktive Geschichte wie der König auf der Flucht und in einer Findungskrise im Haus einer Familie Schutz findet und über die Zeit der Genesung schließlich auch wieder zu sich selbst und der Aufgabe, die vor ihm liegt: Schottland zu vereinigen und gegen die Engländer zu verteidigen. Der Film hat nach dem ersten Drittel etwas Länge aber sonst ist er stimmungsvoll und für Schottlandfreunde auf jeden Fall sehenswert.

Weil sich der Film an den Kinokassen so schwer tut, muss MacFadyen eben durchs Land tingeln. In England kam der Film gar nicht erst in die Kinos, man hat ihm Nationalismus vorgeworfen. Zu Unrecht aber natürlich ist die Robert Bruce Story allein aus dem geschichtlichen Zusammenhang heraus eine Geschichte der Befreiung von England. Im Film kommt allerdings kein einziger Engländer vor. Dass aber Angus MacFadyen ein leidenschaftlicher Unterstützer der schottischen Unabhängigkeit ist, das weiß jeder, der ihm auf  Twitter @macfadyenangus folgt. Sein Hoodie beseitigt alle Zeifel.

MacFadyen in SMOEr spricht sehr offen über alles in der Fragerunde und als der offizielle Teil vorbei ist, drängen immer wieder Zuschauer um ihn, bitten um ein Foto. Vor mir ist eine Frau um die 60 mit schmalem Mund und grauem Pferdeschwanz. Sie hat das Bedürfnis sich zu rechtfertigen, weil sie Engländerin ist.

„I am an Anglo-Scots“ sagt sie mit südenglischem Akzent. Anglo-Schottin? Das habe ich auch noch nicht gehört. Der Bruce nickt und schweigt. Um ihn herum scharen sich die Engländer, die auf Skye leben und sich irgendwie nicht angesprochen fühlen möchten. Ganz offensichtlich hat der König auch 600 Jahre nach seinem Tod noch immer die Macht, Engländern das Fürchten zu lehren.

Konsonanten-Bezwingerin

Es gibt Sprachen, bei denen die Aussprache der Vokale (aeiou) eine Kunst ist, andere Sprachen werfen andere Probleme auf. In Schottland sind es in beiden Sprachen, dem Schottischen Englisch (Scots) und dem Schottischen Gälisch, die Konsonanten.

IUniversity of Glasgowmmer wenn ich glaube, eine neue Situation erfolgreich gemeistert zu haben, wartet eine neue Herausforderung um die Ecke – in mein Leben in Schottland hören die Überraschungen nie auf.

 

Wahrscheinlich geht es den meisten so, dazu muss man nicht in den Highlands leben.

Glasgow UniversityAls ich in den 90ern zum Studieren nach Schottland kam, sprach ich ein durchaus passables Englisch, ich hatte ein Jahr in England gelebt und mein Grundstudium der Englischen Philologie abgeschlossen – ich war ein Profi.

Dachte ich.

Dann kam ich nach Glasgow und verzweifelte am schottischen „r“, das ein wenig klingt wie eine Kettensäge im Leerlauf: rrrrrrrrrrrrrhhhhhhhhh

Aber das „r“ war nicht mein einziges Problem.

Die Glasgower Eigenart ganze Sätze wie ein Wort auszusprechen („Hausitgon?“= „How is it going?“ = „Wie geht’s“) und so gut wie jeden Konsonanten gänzlich zu ignorieren und wenn es irgendwie geht zu verschlucken stellte mich ein ums andere Mal vor Probleme, ganz besonders die t’s schienen für Glaswegians einfach nicht zu existieren. Glasgow ist eine Sprach-Welt minus die meisten Konsonanten aber mit vielen „r“s.

Inzwischen beherrsche ich die hohe Kunst des RollendenR-Verstehens und auch die des Konsonantenratens, der Mann ist aus Glasgow, mein Ohr ist trainiert alles zu hören, was er zu verschlucken gedenkt, in der Regel sind es ¾ des Satzes.

Doch anstatt tagein tagaus mit seligem Lächeln über so viel Sprachkompetenz aufs Meer zu schauen und zufrieden zu sein, hab ich eine neue Herausforderung gesucht: eine weitere Sprache. Und jetzt hab ich, was mir so oft gefehlt hat: Konsonanten, unfassbar viele Konsonanten, ein Konsonanten-Overkill.

Ich lerne Gälisch.

Sabhal Mòr Ostaig in the far background

Das College hat mich schon immer fasziniert, es liegt direkt an der Südküste der Isle of Skye, das Panorama ist atemberaubend. Sabhal Mòr Ostaig schien mir schon immer einer der wunderbarste Ort der Welt zu sein, um zu studieren, klar, weiß und lichtumflutet an einem Tag, geheimnisumwittert und nebelverhangen am nächsten. Großes Naturschauspiel 365 Tage im Jahr.

Armadale towards Morvern

IMG_0672Ich bin schon oft an Sabhal Mòr Ostaig vorbeigefahren, nun bin ich zum ersten Mal auf dem Campus: Gälisch 1, der Kurs für Anfänger, 5 Tage lang von Morgens bis Nachmittags, Abends Konzerte, Pubquiz, Cèilidh (sprich: käili).

 

IMG_0674Die alte schottische Sprache ist inzwischen wieder sehr lebendig hier in den Highlands also will ich sie lernen. Doch das stellt sich als recht schwierig heraus, denn Gälisch ist eine Sprache, in der zunächst Mal nichts so ausgesprochen wird, wie man denkt und wenn man sie liest, kommt es einem vor als hätte ein wahnsinniger Linguist in einem Anflug von Buchstabenwahn mit Konsonanten um sich geworfen als hinge sein Leben davon ab. Die meisten Redewendungen haben viel mehr unausgesprochene Buchstaben als ausgesprochene.

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So spricht sich ein Donald im Kurs auf Gälisch Domhnall geschrieben ganz simpel Dol, man hätte also einfach den „mhnal“ – Teil rauslassen können. Um das Ganze dann noch etwas mehr zu komplizieren gibt, es im Gälischen eine direkte Anredeform (Vokativ), dann schreibt sich Donald a Dhomhnaill die Ausspache klingt ungefähr wie „ach’oil“ mit Halskratzen. Ich habe gleich am ersten Tag beschlossen Donald, so wenig wie möglich anzusprechen.

Unser großartiger Lehrer Ciaran weckt auch in uns seine Liebe zur Sprache und wenn man sich erst mal reingehört hat, wird alles leichter, es gibt nämlich Regeln und eine sehr logische Grammatik. Vielleicht einer der Gründe, warum es inzwischen auch viele Deutsche nach Sabhal Mòr Ostaig zieht.

IMG_0651Auf jeden Fall gibt es jeden Menge deutsch klingende Wörter, nicht alle aber sind, was sie zu sein versprechen.

Das Mittagessen ist im kleinen Café Ostaig fast immer „Brot agus aran agus im“. Also Suppe mit Brot und Butter wobei Brot Suppe und nicht Brot ist. Aran ist Brot.

Ganz schön verwirrend für eine Deutsche aber an Tag drei kann ich es fehlerfrei auf Gälisch bestellen. Stolz!

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Unsere Klasse ist schottisch international und großartig, unser Lehrer ein Geschenk und nach einer Woche Spaß und Grammatik ist die Klasse Gälisch 1 so weit, wir haben unseren Auftritt beim großen Cèilidh: wir singen das Lied von Mòrag und ihrer Hochzeit. Singen gehört im Gälischen zu allem, was man tut. Also singe ich auch. Ich singe sonst nur im Auto.

Jetzt singe ich vor allen anderen Studenten stolz wie Oskar, dabei hasse ich es eigentlich, auf die Bühne zu gehen, meinen letzten Auftritt hatte ich glaube ich als Sonnenschein in der zweiten Schulklasse,  eine stumme Rolle, ich musste nur scheinen.

Auf Gälisch singe ich Si Mòrag und überlebe das anschließende Tanzen (dank Domhnall), denn es geht ziemlich wild zu, da wird im Kreis gewirbelt und wild gedreht bis es blaue Flecken gibt, aaaaauuuuaaaaa

Kommt vielleicht von den vielen unausgesprochenen Konsonanten. Irgendwann müssen sie wohl einfach mal raus….. mmmmkkkkrrrrrssssscccccchhhhhhhppppfffffffff