Begegnung mit meinen eigenen Krimi-Figuren

Ein Schreibtag, der nach frischer Luft ruft

Nach einem langen, intensiven Schreibtag brauche ich dringend eine Pause. Mein Kopf ist voller Worte, meine Gedanken noch tief in der Geschichte vergraben. Also beschließe ich, rauszugehen. Die Highlands rufen – und ich folge. Ich stelle mein Auto an meiner gewohnten Stelle ab und laufe los.

Kaum habe ich die ersten Meter hinter mir, kommt mir eine junge Frau auf einem Quad entgegen. Sie nickt mir lässig zu, dann verschwindet sie. Cool, denke ich. Sie wirkt, als gehöre sie genau hierher, als wäre die Landschaft eine Verlängerung ihres Wesens. Fast wie eine Figur aus meinen Büchern.

Die vermisste Frau – oder bin ich es?

Nach ein paar Minuten höre ich ein „Oi!“ hinter mir. Eine Frau rennt auf mich zu, außer Atem, den Blick konzentriert auf mich gerichtet.

„Sie sind nicht zufällig die vermisste Frau?“ fragt sie.

Ich blinzele. „Nein“, sage ich. „Nicht zufällig.“

Sie zieht ihr Handy hervor und zeigt mir ein Foto. Eine verschwommene Gestalt, aufgenommen von einer Überwachungskamera. Das Gesicht ist nicht erkennbar – aber die Kleidung? Haargenau das, was ich heute trage.

Für einen Moment fühlt es sich an, als würde sich die Realität verschieben. Ist das ein Zufall? Eine Doppelgängerin? Wer trägt noch schwarze Hosen, rote Jacke und schwarze Basecap?

Die Suche geht weiter – und ich werde verfolgt

Ich verabschiede mich und wandere weiter, doch die Begegnung bleibt mir im Kopf. Dann hält plötzlich ein großer Pickup neben mir. Zwei Männer sehen mich scharf an.

„Ich bin nicht die vermisste Frau“, sage ich sofort.

Aber sie suchen gar nicht mich – sie wollen nur sicherstellen, dass das deutsche Auto, das sie gesehen haben, wirklich mir gehört. Nicht, dass es jemand anderem gehört, der vermisst wird. Sie sind ernsthaft auf der Suche.

Nach einer kurzen Unterhaltung fahren sie weiter, und ich laufe tiefer in die Wildnis hinein.

Ein Wiedersehen in der Wildnis

Eine Stunde vergeht. Ich genieße die Stille, das Knirschen meiner Schritte auf dem Pfad. Dann sehe ich sie wieder – diesmal sind es vier Männer, dazu die Frau von vorhin und zwei aufgeregte Border Collies. Die Hunde stürmen auf mich zu, einer von ihnen wirft spielerisch Grashalme in die Luft, als wolle er mir zeigen, was er alles kann.

„Nichts gefunden“, sagt die Frau. „Wir waren sogar in der Berghütte.“

„Und niemand dort?“ frage ich.

Sie schüttelt den Kopf. Ich nicke, verabschiede mich erneut und wandere weiter. Ich frage mich, was ich tun würde, wenn ich tatsächlich jemanden finde. Aber ich finde niemanden. Ich setze mich auf meinen Lieblingsstein, lausche der Stille, lasse meinen Blick über die Highlands schweifen.

Der Moment, in dem Fiktion und Realität verschwimmen

Auf dem Rückweg begegne ich ihnen ein viertes Mal. Sie versuchen, den riesigen Pickup zu wenden. Es gibt genug Platz, aber ich kommentiere lieber nicht Männer beim einparken.

Ich sage nichts und laufe einfach weiter. Kurz darauf halten sie wieder neben mir.

„Wollen Sie mitfahren?“

„Nein, danke“, sage ich. „Ich will ja wandern.“

Ich sehe ihnen nach, wie sie davonfahren, und plötzlich trifft es mich.

Das war die Bergwacht von Glenelg. Das waren Donald und Stacey. Das war Rhu, der verspielte Hund aus meinem Krimi. Natürlich nicht wirklich – ich habe sie erfunden, in Band 1 der Highland Crime Serie um DI Robert Campbell, Schatten über Skiary. Genau so könnten sie sein.

Für einen Moment bleibt die Welt stehen.

Habe ich sie erschaffen? Oder haben meine Figuren mich gefunden?

Abenteuer Highlands 4: Geschichten aus Schottland

„Abenteuer Highlands 4“ ist da – Schottland-Happen für Fortgeschrittene


Ein neues Kapitel Highland-Leben – mit Ottern, Pannen, Pointen und stillen Momenten. „Abenteuer Highlands 4 – Schottland-Happen für Fortgeschrittene“ ist ab sofort als eBook und Taschenbuch erhältlich!


Wer schon einmal versucht hat, mit einem deutschen Navi über eine schottische einspurige Straße zu fahren, weiß: Das Leben in den Highlands ist nichts für Anfänger.

In „Abenteuer Highlands 4 – Schottland-Happen für Fortgeschrittene“ erzähle ich Geschichten von dort, wo die Landschaft atemberaubend, das WLAN fragil und das Wetter ein Charakter in sich ist. Es geht um verlorene Schlüssel, widerspenstige Technik, eine Ziege mit tragischer Geschichte – und um all die kleinen und großen Missgeschicke, die mich in Schottland begleiten.

Aber zwischen all dem Lachen, dem Kopfschütteln und der schrägen Situationskomik gibt es auch leise Töne. Momente, die nachdenklich machen. Über das Zusammenleben mit Mensch und Tier, über Verantwortung, Hilfsbereitschaft – und über das, was wirklich zählt.

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Ob du Schottland-Fan bist, selbst mal ausgewandert bist oder einfach gern lachst – in diesem Band findest du skurrile Beobachtungen, ehrliche Gefühle und ganz viel Highland-Flair.


Glen Loyne: Wo italienische Komödie auf schottische Highlands trifft

Heute gibt es eine skurrile Geschichte, die mich jedes Mal zum Schmunzeln bringt, wenn ich an einem meiner liebsten Wanderorte vorbeikomme: der kurzlebige Friedhof von Glen Loyne, der für einen italienischen Film in den schottischen Highlands errichtet wurde – und danach spurlos verschwand.

Ort des Fim-Friedhofs
Film Location

Eine Komödie, die durch die Zeit reist

Die Geschichte beginnt mit dem italienischen Film „A spasso nel tempo – L’avventura continua“ („Ein Spaziergang durch die Zeit – Das Abenteuer geht weiter“), einer temporeichen Komödie aus dem Jahr 1997, inszeniert von Carlo Vanzina. Der Film folgt den chaotischen Zeitreise-Abenteuern von Ascanio (Christian De Sica) und Walter (Massimo Boldi), die von der Steinzeit bis zur Mondlandung stolpern und dabei jede Menge absurde Missgeschicke erleben.

Quelle: IMDB

Es ist schon fast eine Sportart geworden: Wer durch die Highlands wandert, sucht automatisch nach Drehorten aus Outlander. Kaum hat man einen alten Baum oder eine zerfallene Mauer entdeckt, hört man hinter sich schon jemanden rufen: „Ist das Craigh na Dun? Oh mein Gott, Jamie war bestimmt hier!“

Manchmal kommt es mir vor, als hätte jeder Stein in Schottland eine Statistenrolle in der Serie gehabt. Aber jetzt stellt euch die Gesichter der Fans vor, wenn ich ihnen erzähle, dass in Glen Loyne kein Fraser, sondern zwei italienische Chaoten herumgestolpert sind, die Highlander parodierten und statt Steinkreise Grabsteine besuchten.

Auf ihrer Reise landen die beiden Chaoten im mittelalterlichen Schottland. Dort werden sie von englischen Soldaten für Anhänger von William Wallace gehalten und geraten in allerlei brenzlige Situationen – inklusive einer Begegnung mit einem vermeintlich unsterblichen Ritter, der sie für seine Rivalen hält.

Ein Friedhof aus Pappmaché

Ein Wanderparadies wird zur Filmkulisse

Für eine Szene im mittelalterlichen Schottland suchten die Filmemacher ein authentisches Highland-Setting mit einem Friedhof. Da es in Glen Loyne keinen gab, baute das Produktionsteam kurzerhand einen künstlichen Friedhof mit Pappmaché-Grabsteinen. Der Friedhof wirkte täuschend echt – ein perfekter Schauplatz für die typische italienische Slapstick-Komik, bei der die Protagonisten in klassischer Manier stolpern, sich verstecken und jede Menge Blödsinn machen.

Für mich hat das einen besonderen Reiz: Glen Loyne ist einer meiner absoluten Lieblingsorte zum Wandern. Jedes Mal, wenn ich jetzt dort entlanggehe, kann ich mir die absurde Szene förmlich vorstellen – die albernen Protagonisten und die Pappmaché-Grabsteine, die im Wind wackeln.

Und dann war alles weg

Blick auf Stein in Glen Loyne

Zurück zur Natur

Nach Abschluss der Dreharbeiten verschwand der künstliche Friedhof so schnell, wie er errichtet wurde. Das Team nahm alle Requisiten mit, und Glen Loyne kehrte in seinen natürlichen, unberührten Zustand zurück.

Wart ihr schon einmal in Glen Loyne oder kennt ähnliche Geschichten von Drehorten, die euch überrascht haben? Schreibt es mir in die Kommentare – ich bin gespannt!

Der Goldschatz von Loch Arkaig

Der Mythos des Jakobitengoldes und die Wanderung zum Invermallie Bothy

Die Highlands sind Heimat für zahllose Geschichten von Helden und Verrätern. Viele Legenden und Mythen habe die Zeit überdauert. Eine der faszinierendsten Geschichten ist die des Jakobitengoldes, das angeblich am Loch Arkaig versteckt wurde. Diese Legende zieht nicht nur Geschichtsinteressierte, sondern auch Wanderer und Abenteurer an, die die Schönheit der schottischen Wildnis erleben möchten. Eine Wanderung zum Invermallie Bothy bietet eine perfekte Gelegenheit, sich in diese faszinierende Geschichte zu vertiefen. Ich war unterwegs, weil ich ein paar Wetbefotos für das neue Buch machen wollte. Das hat zwar keine Verbindung zum Goldschatz, aber zu Achnacarry und Loch Arkaig.

Die Toten von Avernish – Highland Crime – DI Robert Campbells 3. Fall gibt es as eBook und Taschenbuch bei Amazon.

Der Jakobitenschatz am Loch Arkaig

Die Geschichte des Jakobitengoldes beginnt im 18. Jahrhundert, als die Jakobiten unter der Führung von Charles Edward Stuart, auch bekannt als Bonnie Prince Charlie, versuchten, den britischen Thron zurückzuerobern. Nach der Niederlage in der Schlacht von Culloden im Jahr 1746 floh Bonnie Prince Charlie und versteckte sich einige Zeit in den Highlands, bevor er schließlich nach Frankreich flüchtete.

Es wird gesagt, dass während dieser chaotischen Zeit eine große Menge Gold, das zu spät von französischen Unterstützern zur Finanzierung des Aufstands geschickt wurde, am Loch Arkaig versteckt wurde. Der Schatz soll damals einen Wert von 400.000 Pfund gehabt haben – heute wären das mehrere Millionen. Viele haben seitdem versucht, den Schatz zu finden, doch bis heute bleibt sein Verbleib ein Rätsel. Diese Legende hat die Fantasie von Generationen beflügelt und zieht noch immer Schatzsucher und Geschichtsforscher an.

Loch Arkaig

Die Wanderung zum Invermallie Bothy

Für diejenigen, die die Landschaft genießen und gleichzeitig in die Geschichte eintauchen möchten, ist die Wanderung zum Invermallie Bothy ideal. Das Bothy, eine einfache Hütte, die Wanderern kostenlos Unterkunft bietet, liegt malerisch am Ufer von Loch Arkaig und bietet einen perfekten Ausgangspunkt für Erkundungen.

Die Wanderung beginnt am Chia-Aig, einem Wasserfall, der auch in meinem neuen Krimi eine Role spielt. Der Weg zum Bothy ist gut markiert und führt etwa 10 Kilometer entlang der Nordseite von Loch Arkaig. Die Route ist weitgehend flach, der Weg gut ausgebaut. Bis auf das letzte Stück. Dort, so heißt es in der Wegbeschreibung, kann es etwas matschig werden. Matschig???

Wanderwege unter Wasser

Merke: Wenn der schottische Wandergührer sagt, es kann matschig werden bedeutet das, dass das Seepferdchen nicht ausreicht. Man braucht mindestens den Freischwimmer!

Invermallie Bothy

Das Invermallie Bothy selbst ist ein einfacher, aber gemütlicher Zufluchtsort für müde Wanderer. Es gibt einen Kamin, einfache Schlafplätze und eine Quelle in der Nähe für frisches Wasser. Hier kann man die Ruhe der Wildnis genießen und sich in die Vergangenheit zurückversetzen.

Viel spannender als das Bothy fand ich ein verlassenes Haus unterwegs, das irgendwie nach russischer Datscha aussieht. Was denkt ihr?

Datscha Loch Arkaig

Vom Gold des Prinzen habe ich leider keine Spur gefunden.

Morgennebel am See

Aber was haltet ihr davon, wenn Issy sich in Band 4 oder 5 auf die Suche macht? Schreibt es mir in die Kommentare!

Schottische Gritter: Kreative Namen und Gemeinschaftsgeist

Wenn Schnee und Eis auf schottischen Straßen regieren

In Schottland hat die kalte Jahreszeit eine ganz besondere Tradition – nicht nur wegen des Schnees, der die Highlands in ein Winterwunderland verwandelt, sondern vor allem wegen der Fahrzeuge, die dafür sorgen, dass die Straßen sicher befahrbar bleiben. Hier übernehmen keine anonymen Maschinen das Streuen und Räumen, sondern Charaktere mit Namen und Charme. Ja, Schottlands Räumfahrzeuge haben Namen, und zwar richtig kreative!

Ein landesweites Spektakel: Namensgebung als Volkswettbewerb

Seit Jahren werden die Namen der schottischen Räumfahrzeuge durch öffentliche Wettbewerbe gewählt. Die Aktion hat sich zu einer wahren Institution entwickelt, bei der Menschen aus allen Ecken des Landes Vorschläge einreichen können. Dabei zeigt sich die unbändige schottische Kreativität: Von humorvollen Wortspielen über Anspielungen auf Prominente bis hin zu liebevollen lokalen Bezügen ist alles dabei.

Die Aktion wird von Amey und anderen Organisationen durchgeführt, die für die Instandhaltung der Straßen in Nord- und Nordostschottland zuständig sind. Die Vorschläge werden gesammelt, eine Jury trifft eine Vorauswahl, und am Ende dürfen die Menschen abstimmen. Ein wunderschönes Beispiel dafür, wie eine alltägliche Aufgabe wie das Schneeräumen zu einem Gemeinschaftserlebnis wird.

Eine Tradition mit Herz

Diese besondere Praxis zeigt, wie viel Wert in Schottland auf Gemeinschaft und Identität gelegt wird. Ein Gritter (Räumfahrzeug) ist hier nicht nur ein Fahrzeug, sondern ein kleines Symbol der Zusammengehörigkeit. Egal, ob auf den großen Routen der Highlands oder den kleinen Landstraßen – die liebevoll benannten Räumfahrzeuge sind ein beliebter Teil der schottischen Kultur.

Humor, der verbindet

Die Namen der Gritter erzählen Geschichten, bringen Menschen zum Lachen und schaffen eine Verbindung zwischen der Bevölkerung und der oft harten Realität des Winters. Und Hand aufs Herz: Wer hat nicht ein bisschen Spaß daran, zu erfahren, wie ein Gritter irgendwo in Schottland mit einem originellen Namen unterwegs ist, während er Straßen sicher und befahrbar macht?

Ein Blick auf die Karte

Für alle, die neugierig sind, wo diese charmanten Fahrzeuge gerade unterwegs sind, gibt es eine interaktive Karte. Diese zeigt in Echtzeit an, welche Gritter gerade im Einsatz sind. So kann man nicht nur die Straßenverhältnisse überprüfen, sondern auch sehen, ob ein Gritter mit einem besonders lustigen Namen in der Nähe unterwegs ist.

Ein Winterwunder aus Gemeinschaft und Kreativität

Schottlands Gritter sind mehr als nur Schneeräumfahrzeuge – sie sind ein Symbol für den schottischen Humor, den Gemeinschaftsgeist und die Verbindung zur eigenen Heimat. Also, wenn du das nächste Mal durch den Schnee in den Highlands fährst, schau genau hin: Vielleicht begegnet dir ein Gritter, der dich mit seinem lustigen Namen zum Schmunzeln bringt. Welcher ist dein Favorit?

Festlich und Entspannt: Weihnachten in Schottland

Weihnachtseinkäufe in Schottland sind eine ganz eigene Disziplin. Es beginnt schon damit, dass man hier gefühlt von Disney erschlagen wird. Kaum betritt man einen Laden, ist alles bunt, blinkend und – ja, grün. Giftgrün. So auch in Fort William bei Home Bargains, wo ich vor einer ganzen Wand stehe, die dem Grinch gewidmet ist. 

Grinch Merchandise in Schottland

Für den germanischen Geist ist das schwer zu verdauen. Eine Wand voller Plastikdeko, T-Shirts, Tassen und Weihnachtsschmuck, alles in dieser knalligen Farbe. Es ist, als hätte jemand Weihnachten mit einem Eimer Neonfarbe übergossen. Aber während ich das Chaos betrachte, muss ich zugeben, dass es einen gewissen Charme hat. Warum nicht? Es ist schließlich Weihnachten in Schottland.

Weihnachten international

Danach geht es weiter zu Lidl – wo Einkaufen gleich eine soziale Veranstaltung ist. Während ich an der Kasse meine Sachen auf das Band lege, komme ich mit der Kassiererin ins Gespräch. Sie fragt freundlich: „Are you all set for Christmas?“

Almost,“ antworte ich. Und wie das so ist, plaudern wir uns direkt in ein angeregtes Gespräch hinein. Es stellt sich heraus, dass sie aus Polen stammt und mit einem Schotten verheiratet ist.

„Wie ist das für dich, Weihnachten in Schottland zu feiern?“, frage ich neugierig.

Ihre Augen leuchten. „Oh, es ist wunderbar! Am 25. stehen wir im Schlafanzug auf, frühstücken gemütlich und machen nur ein großes Mittagessen. Kein Stress, kein Drama.“

Kein Stress klingt fantastisch. „Und wie ist es in Polen?“  Sie seufzt, lächelt aber. „Ganz anders. Heiligabend ist das große Fest. Wir machen zwölf Gänge – alle ohne Fleisch – und essen sie alle zusammen. Es dauert Stunden!“

Zwölf Gänge? Ich stelle mir kurz vor, wie ich zwölf Gerichte vorbereite, und werde ganz blass. „Das klingt nach einer Menge Arbeit,“ sage ich.

„Oh ja,“ sagt sie lachend. „Deshalb bin ich so froh, ein schottisches Weihnachten feiern zu können.“

Und ich muss zugeben, der Gedanke an einen entspannten 25. Dezember im Schlafanzug klingt verlockend. Dieses Jahr machen wir auch ein schottisches Weihnachten, und natürlich haben wir alles eingekauft, was dazugehört.

traditioneller „Christmas Cake“

Das traditionalle schottische Weihnachtsessen

Das traditionelle schottische Weihnachtsessen ist festlich, aber wunderbar unkompliziert. Im Mittelpunkt steht ein saftiger Braten – traditionell ein Truthahn, manchmal aber auch Gans oder Roastbeef. Dazu gibt es Pigs in Blankets (kleine Würstchen, die in Speck gewickelt sind), geröstete Kartoffeln, Pastinaken, Karotten und natürlich Brussels Sprouts – ob man Rosenkohl mag oder nicht. Alles wird großzügig mit gravy (Bratensoße) übergossen und mit stuffing (Füllung) serviert, auch wenn der Truthahn längst nicht mehr gestopft wird.

Christmas Pudding hat nichts mit Pudding zu tun

Zum Nachtisch darf der Christmas Pudding nicht fehlen, ein schwerer, gewürzter Kuchen, der mit Brandy flambiert wird. Für die, die es weniger opulent mögen, gibt es Mince Pies – kleine Gebäckstücke mit einer süßen, fruchtigen Füllung. Dazu wird oft ein Glas Sherry oder Portwein gereicht.  Wir haben all das eingekauft, inklusive einer beeindruckenden Auswahl an Snacks, Keksen und Lichtern, die das ganze Haus in einen festlichen Glanz tauchen. Es wird ein Weihnachtsessen, wie es sich für Schottland gehört – und ich freue mich jetzt schon auf den Moment, am 25. Dezember im Schlafanzug in die Küche zu schlurfen und alles in den Ofen zu schieben.

Mince Pies haben nichts mit Hackfleisch zu tun

Während ich meine Einkäufe einpacke, denke ich, dass ein schottisches Weihnachten vielleicht genau das ist, was wir dieses Jahr brauchen: Ein Tag ohne Stress, dafür mit gutem Essen, einem wärmenden Feuer und einem kleinen Augenzwinkern an den giftgrünen Grinch, der irgendwo zwischen Home Bargains und Lidl auf uns wartet.

Die Vielfalt von Weihnachten

Weihnachten ist weit mehr als ein Fest der Geschenke und Lichter. Es ist ein Spiegel kultureller Vielfalt, der zeigt, wie unterschiedlich Menschen in verschiedenen Teilen der Welt das gleiche Fest feiern – und was sie dabei verbindet.

In Schottland zeigt sich Weihnachten von seiner entspannten Seite. Es geht um Gemütlichkeit, um das Zusammensein im kleinen Kreis, um gutes Essen und das Loslassen von Stress. Der Schlafanzug am Weihnachtsmorgen mag simpel wirken, doch er verkörpert genau das: eine Auszeit vom Alltag, ohne den Druck, Perfektion zu liefern.

Im Kontrast dazu steht das polnische Weihnachten mit seinen zwölf Gängen, die voller Symbolik und Tradition stecken. Es ist ein Fest, das in der Gemeinschaft wurzelt, das Familie und Rituale ehrt und einen Hauch von Ehrfurcht bewahrt. Beide Ansätze könnten nicht unterschiedlicher sein, und doch teilen sie denselben Kern: Zeit mit Menschen zu verbringen, die einem wichtig sind, und einen Moment innezuhalten, um das Leben zu feiern.

Was mich an Weihnachten in all diesen Variationen fasziniert, ist, dass es keine „richtige“ Art gibt, zu feiern. Ob wir am 25. im Schlafanzug vor dem Kamin sitzen oder am 24. mit der Familie zwölf Gänge genießen – Weihnachten erinnert uns daran, wie wertvoll Gemeinschaft und Verbundenheit sind.

Vielleicht liegt darin die wahre Magie dieses Festes: Es passt sich uns an, verändert sich mit uns und zeigt uns, dass die kleinen Momente, die wir teilen, die größten Geschenke sind. Egal, ob wir sie bei Pigs in Blankets oder Pierogi erleben.

Und übrigens: Im Jahr 1640 verabschiedete das schottische Parlament offiziell ein Gesetz, das die Feierlichkeiten zu Weihnachten verbot – ein Verbot, das erst 1958 aufgehoben wurde, als Weihnachten wieder ein gesetzlicher Feiertag wurde.

Achtung! Es wird eng hier!

Meine Wanderung von Achnashellach zum Easan Dorcha und Coulin Pass

Die schottischen Highlands, ein Ort von wilder Schönheit und ungebändigter Natur, bieten Wanderern unzählige Möglichkeiten, sich in der Weite der Landschaft zu verlieren. Die Wanderung von Achnashellach zum Coulin Pass ist eine Route, die nicht nur mit atemberaubenden Ausblicken belohnt, sondern auch mit einer Herausforderung für Körper und Geist aufwartet. Stichwort Ironie, aber dazu gleich mehr.

path from Achnashellach towards Easan Dorcha

Die Reise beginnt in Achnashellach

Unsere Tour beginnt im malerischen Dorf Achnashellach, das in den nördlichen Highlands Schottlands liegt. Von hier aus führt der Weg durch eine Landschaft von überwältigender Schönheit, geprägt von grünen Tälern, schroffen Bergen und klaren Bächen. Die Luft ist erfüllt vom Duft wilder Blumen und dem Gesang der Vögel. So, stelle ich mir vor, wirbt der Reiseveranstalter für seine geführte E-Mountainbike-Tour und so ist es auch weitgehend, sieht man mal von dem malerischen-Dorf-Teil ab. Achnashellach ist nicht mehr als ein Bahnhof im Nirgendwo. Aber ein schöner. Man kann aussteigen und direkt losradeln.

Easan Dorcha, the dark waterfall
Nightfall on Skye
Highland Crime
Campbell & Hartmann 2

Der Aufstieg zum Easan Dorcha

Der erste Teil meiner Wanderung führt uns zum Easan Dorcha, einem nicht allzu großen, dunklen Wasserfall (wie der Name besagt), der dennoch beeindruckt, weil er sich malerisch ins Tal stürzt, umgeben von uralten Pinien und leuchtendgrünen Birken. Der Weg schlängelt sich durch dichte Wälder und über steinige Pfade, während ich langsam an Höhe gewinne. Der Anstieg ist anspruchsvoll, aber die Aussicht auf den Wasserfall entschädigt für alle Mühen, denke ich. Bis mir die Gruppe Mountainbiker entgegenkommt. Es ist, als wäre in einem Cross-Country-Weltcup auf der Rennstrecke gelandet. Nur, dass es sich hier nicht um Profis handelt, sondern um Hobbyfahrer, die verzweifelt ihre Bikes den schmalen Bergpfad hinaufschieben oder in Zeitlupe einen halben Meter hinter sich bringen. Ich stelle mich in den Matsch neben den Pfad und warte. Der Weg ist schmal und man kommt nicht aneinander vorbei. Es dauert guten zehn Minuten, bis alle an mir vorbeigekämpft haben. Eine Trennung zwischen Wegen für Mountainbiker und Fußgänger, wie wir sie im Schwarzwald haben, gibt es in Schottland nicht. Zumindest ist mir keiner bekannt. Auf der Wanderroute aber herrscht Verkehr wie auf der A8 bei Pforzheim. Das ist neu.

narrow mountain path

Über den Coulin Pass

Nachdem ich die Biker-Horde und Easan Dorcha hinter mir gelassen haben, führt der Weg weiter den Coulin Pass hinauf. Dieser Abschnitt ist mit einem breiten Weg gesegnet, doch nun ist kein Hobbyradler weit und breit zu sehen. Dafür die unendlich große Weite des schottischen Hochlands, kaum ein Baum. In der Ferne die Berge von Torridon, nichts als Licht, Luft und Weite. Und ein Schild: Danger. Confined Space. Eine Warnung vor zu wenig Raum in der Mitte der unendlichen Weite? Mein erster Gedanke: Ironie. Doch den nehme ich wieder zurück. Wohl eher Health & Safety. Das allumfassende Sicherheitsdenken im Vereinigten Königreich für alle Lagen des täglichen Lebens. Auch an Orten, wo man zwei Stunden wandern muss, um überhaupt hinzukommen. Egal, dies ist ein Estate und hier wird gearbeitet. Hätten sie mal lieber ein Radfahrer-Warnschild hingestellt als in der endlosen Weite des Hochlands eine Warnung vor zu wenig Platz.

Achtung! Es wird eng hier!

Warnschild Danger! Confined space

Nach 15km bin ich müde, aber zufrieden wieder zurück am Parkplatz. Keines der Autos hier hat eine Fahrradhalterung. Die Gruppe kann auch nicht per Zug gekommen sein, der passiert Achnashellach erst gegen 13 Uhr. Ein Tour-Veranstalter hat sie wohl rausgelassen und sammelt sie später wieder ein. Durch die e-Bikes sind die Highlands ein gutes Stück kleiner geworden. Vielleicht war es auch das, was das Schild sagen wollte: Achtung! Es wird eng hier!

Panorama Coulin Pass

Virginia Erkenbach

Einen Raum für sich allein

Virginia Woolfs Zitat „A woman must have money and a room of her own if she is to write fiction“ aus ihrem Essay „A Room of One’s Own“ ist ein berühmtes Statement, das weit über die Literatur hinausreicht. Es drückt die Notwendigkeit aus, dass Frauen Raum, sowohl physisch als auch finanziell, benötigen, um ihr volles Potenzial zu entfalten. Diese Worte sind zu einem Symbol für die Befreiung der Frauen geworden, nicht nur im Schreiben, sondern in allen Bereichen des Lebens. Sie erinnern uns daran, dass Selbstbestimmung und Unabhängigkeit grundlegende Bedürfnisse sind, die Frauen ermöglichen, ihre Träume zu verfolgen und ihre Stimmen zu erheben. Woolfs Zitat erinnert daran, dass jede Frau das Recht hat, ihren eigenen Raum zu beanspruchen und ihre Geschichte zu erzählen.

Ich habe diesen Raum. Ich erzähle Geschichten. Ich habe eine Schreibhütte und sie ist mir der liebste Ort der Welt. Doch dieser Raum ist nur gegeben, wenn andere ihn respektieren. Erwachsenen kann man das erklären, mache verstehen es, bei Kindern ist es schwieriger. Auch bei einem selbst. Wie kann man sich guten Gewissens von den sozialen Zwängen die Familie und Freunde einem auferlegen zurückziehen? Wir geht man „zur Arbeit“, wenn man doch im garten in der Hütte ist? Es ist schwer und schlechtes Gewissen stört Konzentration und Kreativität. Die Bedürfnisse der anderen schränken unsere Freiheit ein.

Ein Auto für sich allein

Hier in den Highlands gehört zur Freiheit der eigenen Entscheidungen und zur Unabhängigkeit von den Entscheidungen anderer ein Auto. Es nimmt eine zentrale Bedeutung ein, die weit über die bloße Fortbewegung hinausgeht. Es ist nicht nur ein Transportmittel, sondern auch ein Symbol für Unabhängigkeit und Flexibilität. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist Vorankommen schwierig bis unmöglich. Soziale Kontakte, Veranstaltungen, Weiterbildung, Versorgung, nichts geht ohne Auto, die Liste ist endlos. In den letzten Jahren habe ich das Auto des Mannes benutzt und das ging problemlos, da er für die Arbeit einen Dienstwagen nimmt. Den kann er allerdings nicht privat nutzen und ich darf nicht mitfahren. Aber ein Auto für uns zwei sollte reichen, dachten wir. Nun, wir lagen falsch, denn das Auto wird z.B. benötigt, wann immer der Mann zum Babysitten erklärt wird, was inzwischen sehr häufig und meist sehr spontan geschieht. Dann sind alle meine Pläne hinfällig: kein eigenes Auto, kein eigener Raum, keine eigenen Entscheidungen. Ich muss recherchieren, Deadlines einhalten, Marketingpläne bei Neuveröffentlichungen erfüllen. Um die Kontrolle über mein Leben und mein Schreiben zurückzugewinnen, brauche ich ein Auto.

Zum Zug kommen

Ich schaue mich um und prüfe Optionen. Dann entscheide ich mich für die nächsten zwei Monate für einen Mietwagen, den ich in Inverness am Flughafen abholen kann. Leider gibt es keine billigen mehr. Die Kleinwagen sind alle weg. Es ist Saison und die Touristen fahren die Fiat 500s im Angebot. Also gehe ich eine Klasse höher. Aber wie komme ich zur Abholung? Mit dem Bus (2x umsteigen) sind es £27 für eine Fahrt, mit dem Zug (1x umsteigen) nur £17. Ich nehme also den Zug und der Mann fährt mich am Morgen um 9 Uhr nach Kyle of Lochalsh. Ich muss zwar 3 Stunden warten aber die Sonne scheint, wir gehen gemeinsam frühstücken und ich genieße den warmen Vormittag mit Blick aufs Meer.

Die Zugreise von Kyle of Lochalsh nach Inverness bietet eine atemberaubende Fahrt durch einige der schönsten Landschaften Schottlands. Die Strecke führt entlang der Nordwestküste Schottlands und bietet spektakuläre Ausblicke auf majestätische Berge, ruhige Seen und weites Moor. Die Tickets stecken über dem Sitz fest und der Zug ist sauber, die Toiletten funktionieren und er ist höchstens zu einem Drittel besetzt.

Die Reise beginnt in Kyle of Lochalsh, einem Hafenort am Ufer des Loch Alsh, von wo aus der Zug gemütlich durch die Highlands fährt, wenn er nicht gerade an einem der vielen Bahnhöfe hält. Manche sind immer im Programm, an anderen wird nur gehalten, wenn man Bescheid gibt oder jemand am Bahnsteig steht. Während der Fahrt hat man herrliche Blick auf die Insel Skye. Die Strecke führt weiter durch die raue und unberührte Landschaft der Highlands.

In Inverness habe ich eine Weile Aufenthalt, bis der nächste Zug mich Richtung Flughafen mitnimmt. Man verlässt den Bahnsteig und geht auch nicht auf den nächsten, bevor die elektronischen Zugangssperren es zulassen. Alle Züge sind pünktlich, keiner drängt auf dem Bahnsteig und man kann sich mit einen leckeren Kaffee die Zeit vertreiben. Um 15:45 Uhr komme ich am Flughafen an und habe nun eine Wanderung rund ums Rollfeld vor mir, bevor ich am Flughafen den Wagen abholen kann. Dort haben die Damen mit den schönen Fingernägeln etwas Mühe mit meiner Buchung, aber zu dritt schaffen sie es schließlich und um 16:30 Uhr bin ich für die kkpmmenden zwei Monate stolze Fahrerin eines MG.

Auf der Heimfahrt scheint die Sonne. Ich bin frei und unabhängig und sende, bevor ich Gas gebe, respektvolle Grüße an an meine Schwester im Geiste: I feel what you mean, Virginia Woolf!

Goonie Day

Ich bin nicht die Einzige, die manchmal keine Lust hat, sich anzuziehen und lieber den ganzen Tag im Bademantel abhängt. Hier ist das ein durchaus bekanntes Phänomen, man nennt es einen goonie day, das Wort ist die Verniedlichung von dressing gown, dem Bade- oder Morgenmantel. Das würde ja nicht annähern so gut klingen, so ein dressing gown day. Gehört habe ich allerdings von den dressing down days. Das sind die Freitage ohne Krawatte, aber die trägt man hier ohnehin nur zu Beerdigungen. Also die Krawatten, nicht die Bademäntel!

Zurück zum Thema. Ich habe also einen dieser goonie days und nach einer Weile, spätestens im Laufe des Nachmittags, wäre man durchaus bereit, sich anzuziehen. Doch dann kann man ja nicht mehr. Man hat ja einen goonie day und kann nicht so einfach wieder in einen normalen Rhythmus zurück. Das ist dann Germanischer Starrsinn, schätze ich. Einmal entschieden, muss man das durchziehen. Sei’s drum.

Ich hänge also den ganzen Tag im Morgenmantel ab, ich lesen, schaue eine Serie, lackiere die Fußnägel, so ein Zeug. Es ist Sonntag und das Wetter ist schlecht. Was sollte man sonst anfangen? Denn eins ist mal klar, sobald man die Entscheidung für den Morgenmantel und gegen ordentliche Kleidung getroffen hat, ist man gleich viel entspannter. Wer einen Morgenmantel trägt, ist relaxed. Der Mann trägt es mit Fassung.

Gegen Abend wird das dann allerdings eine Herausforderung. Ich koche und Bademantel mit Küchenschürze zusammen sehen weder entspannt noch relaxed aus. Ich koche trotzdem fröhlich vor mich hin und verlasse die Küche auf der Suche nach Kartoffeln, die ich anderswo lagere. Keine fünf Sekunden später höre ich den Mann rufe.

„Da ist Andy. Er steht vor der Tür.“

Damit meint er Andy von der Fischfarm und die Küchentür, zu der hier alle rein und rausgehen. Die Haustür benutzen wir nicht. Ich habe inzwischen das Bügelbrett und den Wäscheständer von innen drangehängt. Kommt ja eh keiner rein. Aber Andy an der Küchentür?

ARRGL!

Da stand ich vor fünf Sekunden noch in meinem Morgenmantel-Schürzen-Outfit. Die Küche ist hell erleuchtet und die Tür ist in der oberen Hälfte aus Glas. Ich stand also wie auf einer Bühne für jeden, der auf dem Grundstück war. In diesem Fall Andy.

OMG!

Ich schlage innerlich beide Hände vors Gesicht und rase errötend ins Schlafzimmer, nicht ohne dem Mann zuzurufen, dass ich nicht an die Tür kann. Der denkt natürlich überhaupt nicht mehr an meinen Bademantel-Tag und brummt vor sich hin, weil er nun seinen Computer verlassen und sich kümmern muss.

Ich höre die beiden Männer in der Küche murmeln, während ich alles von mir werfe und in meine Jeans hüpfe. Pullover drüber, geht auch mal ohne Socken, aber ein Haargummi brauche ich, meine Haare haben auch einen goonie day.

Sogleich rase ich in Richtung Küche. Da steht der Mann, ohne Andy und hält ein wenig ratlos aber erfreut einen riesigen Fisch in der Hand. Meine Augen fragen stumm.

„Er ist wieder weg“, sagt der Mann.

Soweit kann ich mithalten. Mich interessiert eher das tote Tier in seiner Hand. Wortlos zeige ich drauf.

„Lachs“, sagt der Mann. „Für uns.“

Er meint wohl eher für sich, weil ich inzwischen Tiere nur noch in Ausnahmefällen esse.

Ich nicke und greife nach dem größten Backblech, das wir haben. Der Lachs ist größer, aber diagonal passt er einigermaßen drauf. Wirklich sehr lieb von den fish farm boys, an uns zu denken.

„Okay“, sage ich. „Ich bereite ihn gerne für dich zu. Aber filetieren kann ich ihn nicht.“

Die Vorstellung, ein Messer in einen Tierleib zu stoßen, lässt mich schaudern. Nie!

Ich fahre mit dem Kochen fort und versuche nicht nach dem toten Fisch zu sehen, der da in unsere Küche liegt. Nach einer Weile lege ich ein Küchentuch über ihn. Die Krimiautorin kann keine Tierleichen sehen! Der Mann surft inzwischen durchs Internet und schaut auf YouTube Filettiervideos. Ja, gibt es.

Nach dem Essen filetiert er den Lachs und ich friere die Tranchen ein. Die Reste trägt er runter an den Strand. Die Möwen werden sich freuen. Ich schreibe derweil der Fischfrau einen WhatsApp, die einmal die Woche mit dem Transporter unterwegs ist und frischen Fisch verkauft. Nett, neutral und ohne Köpfe, gekühlt in weißen Wannen. Fürs erste braucht sie nicht mehr bei uns halten.

Wir haben einen Lachs. Und wir haben die Leichenteile fein säuberlich in die Gefriertruhe gepackt.

Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf!

Nach den ersten Erfahrungen mit den Highlands habe ich das erste Buch geschrieben: Abenteuer Highlands – mein etwas anderes Leben im schottischen Hochland. Damals noch ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass es vielleicht mehrere geben könnte. 

Die Jahre gingen ins Land und die Abenteuer wurden nicht weniger. Deshalb, und weil ich immer wieder gefragt wurde, ob es nicht bald einen zweiten Teil von Abenteuer Highlands gäbe, habe ich ihn geschrieben. Abenteuer Highlands 2.0 – zwischen Schwarzwald und Schottland – alles, was ein Doppelleben in zwei Ländern aufregend und erzählenswert macht. 

Nun ist Abenteuer Highlands offiziell eine Serie und der nächste Band Abenteuer Highlands 3 – Ja hört das denn nie auf! seit Oktober 2023 als Taschenbuch und eBook bei Amazon verfügbar. 

Nellie Merthe Erkenbach

Santa Claus is comin‘ to town

Weihnachten in den Highlands @nme Abenteuer Highlands

Die Person Santa Claus lässt mich nach all den Jahren hier in den Highlands noch immer mit einer gewissen Verwirrung zurück. Er ist so einer Art Disney-Variante eines Nikolaus-Sankt Martin Klons. Ho ho ho! Ich kann Herrn Claus, seinen Rentieren und den Elfen nicht so wirklich etwas abgewinnen, aber er ist so ziemlich das Weihnachtlichste, was Schottland zu bieten hat.

Am Samstag kommt Santa nach Kyle. Schreibt die Tochter des Manns in einer WhatsApp.

Könnt ihr den Kleinen hinbringen? Er muss auch noch seinen Brief schreiben.

Der Kleine ist sich der Bedeutung seiner Aufgabe bewusst und hat auch schon einen genauen Plan, was er in den Brief packen will. Nur leider geht das mit dem Schreiben noch recht mühselig und am Ende steht nicht viel mehr als „Lieber Santa“ und „LEGO-Piratenschiff“ darauf. Aber mit ein paar Tannenbäumen und dem gewünschte Schiff, gemalt in verschiedenen Farben, ist es ein sehr schöner Brief. Nun noch zukleben und Santa draufschreiben. Fertig!

Den Brief müssen wir in Kyle in den Weihnachts-Briefkasten werfen. Um 14 Uhr kommt Santa Claus und wir haben nicht mehr viel Zeit. Die Ausarbeitung des Briefs hat länger gedauert als gedacht.

Auf der Fahrt bekomme die ganze Zeit dieses doofe Lied nicht aus dem Kopf. Saaanta Claus is …

Eilean Donan Castle zur Weihnachtszeit @nme Abenteuer Highlands

Wir parken uns sind mehr oder weniger die ersten. Deshalb schauen wir uns drin schon mal drin. Drinnen, das sind die Räumlichkeiten der Seewacht, der RNLI, die von hier das Rettungsboot betreuen. Die haben das Event organisiert. In einem dekorierten Zimmer gibt es jede Menge offiziellen Merchandise, Boote als Schlüsselanhänger, Spielzeugboote, Boote auf Blöcken und so weiter zu erstehen, aber auch Selbstgestricktes von Frauen aus dem Ort. Vielleicht ist auch ein strickender Mann darunter. Ich weiß es nicht. Bislang habe ich noch kein derart wokes Exemplar der Spezies entdeckt.

Saaanta claus is …

Gleich ist 14 Uhr und wir gehen wieder nach draußen. Der Mann hat ein Spielzeugboot gekauft, ich wollte nichts Gestricktes. Es ist windig, aber trocken und die Sonne scheint. Eltern mit Kindern säumen die Straße. Erinnert mich eher an einen Faschingsumzug als an Weihnachten und der Kleine zappelt aufgeregt.

Saaanta claus is …

Dann erklingt ein paar Straßen weiter ein Warnton, wenig später kommt ein Polizeiauto mit Blaulicht und Sirene um die Ecke, dahinter ein spärlich mit Lametta dekorierter Quad, auf dem ein großer Mann mit gelben Gummistiefeln, Bart und einem roten Santa Kostüm sitzt. Geschmeidig fährt er vor und hält an. Nicht ohne allen Kinder zuzuwinken und ein fröhliches Ho ho ho zu rufen. Der Quad stinkt nach Benzin.

Saaanta Claus ist da!

Was für ein Auftritt! Die beiden Polizisten steigen aus und sichern die Straße. Kaum dreht sich Santa um, rennen ihm die Kinder hinterher. Drinnen im Gebäude ist seine Grotte. Ein mit roten Tüchern abgedeckter Bereich mit einer Sitzbank. Da können die Kinder ihrem Santa in Gummistiefeln erzählen, was sie sich zu Weihnachten wünschen. Und natürlich den Brief abgeben.

Der Mann und ich stehen in einer ewig langen Schlange und versuchen nonchalant auszusehen, während der Knirps probiert, sich unauffällig vorzudrängeln. Nach einer kleinen Ewigkeit sind wir endlich dran. Der Kleine soll zu Santa sitzen und ihm etwas erzählen, eine Frau steht, Handy im Anschlag, bereit für die Fotos. Der Mann zückt ebenfalls sein Handy und macht einen Schritt zurück, während der Kleine in plötzlicher Panik nach meiner Hand greift.

Sekunden später sitze ich mit dem Santa in Gummistiefeln auf der Bank und erkläre das Piratenschiff. Der freche Bengel von eben ist zu einem scheuen Reh mutiert und sitz stumm und mit gesenkten Augen da. Er starrt auf Santas Gummistiefel und sagt kein Wort. Der Mann macht derweil Fotos von mir und Santa Claus, während meine Blicke ihn in dem Augenblick ermorden. Er hat genau im richtigen Moment den taktischen Rückzug angetreten.

Aber so habe ich auch mal Santa Claus getroffen, ein sehr netter Mann. Die Schuhwahl ist landestypisch, das muss kalt sein da am Pol mit den dünnen Gummistiefeln.

Endlich bin ich erlöst. Wir werfen noch den Brief in den Briefkasten und stehen kurz darauf wieder auf der Straße. Die Polizei hat sich leise verabschiedet, nur der Quad steht noch vor der Eingangstür. Während der Kleine aufgekratzt wie ein Gummiball den Gehweg entlanghüpft genieße ich das Panorama von Meer, Wolken und der Insel Skye.

Wenn Santa Claus mich gefragt hätte, was ich mir zu Weihnachten wünsche, ich hätte nichts gesagt. Was soll ich mir wünschen, denke ich und sehe mich um. Ich hab‘ doch alles!