Entweder sie oder ich!

Ich weiß wie diese Überschrift klingt. So als wäre ich nach drei Monaten Deutschland wieder in die Highlands zurückgekehrt, um den Mann an der Seite einer anderen Frau vorzufinden. Der Schein der Überschrift trügt. Der Mann geht nicht fremd, der Mann lernt Deutsch.

Ich frage mich, was die Sprachexperten von duolingo denn so als typisches Gespräch für den Spracherwerb empfinden? Was ist falsch mit Die Kinder sind im Haus oder Wie geht es ihnen?

Egal, wichtig ist, dass der Mann den online Kurs macht und das sogar jeden Tag, man verliert nämlich Punkte, wenn man einen Tag auslässt. Das spornt den Wettbewerbssinn an und der Mann wird  sprachlich auf die unterschiedlichsten Lebenssituationen vorbereitet. In meinem Gälischkurs lerne ich Klassiker wie Die Ente ist auf dem Tisch, was selbst in den schottischen Highlands seltener vorkommt als die Konfrontation wegen einer anderen Frau.

„Entweder sie oder ich!“, sagt der Mann im Brustton der Überzeugung und mit einem leicht schottischen Akzent. Der Satz fällt ihm leichter als jene, die ein deutsches „r“ beinhalten. Das „r“ im Deutschen nicht zu sprechen fällt ihm nämlich genauso schwer wie mir, es im Schottischen kräftig zu rollen.

Das Geheimnis von Duolingo: die App nutzt echte Sätze, die sie aus dem Internet bezieht. Der Mann scheint jedenfalls jede Menge Spaß mit dem kostenlosen Angebot zu haben und lernt täglich. Selbst an dem Abend, als er mich vom Flughafen abgeholt hat.

über den Wolken

„Macht es dir was aus, wenn ich noch ein bisschen Deutsch lerne?“ hat er gefragt. Natürlich nicht. Ich musste ja ohnehin noch auspacken und unsere Einkäufe verräumen.

Aber vielleicht liegt Duolingo gar nicht so falsch mit dem, was sie dem Schotten beibringen.

Nur falls es irgendwann einmal so weit kommen sollte, dass der Mann mich sehr gut versteht, wenn ich mit der Empörung einer nicht beachteten Frau rufe:

„Entweder Duolingo oder ich!“

 

 

 

Montag, Dienstag, Mittwoch…. Diardaoin, Diahaoine, Disathairne

Ich wusste ja, daß es nicht einfach werden würde aber so schwer hab ich es mir nun doch nicht vorgestellt: als wäre ich mit unheilbarer babylonischer Sprachverwirrung inmitten der schottischen Einsamkeit geschlagen.

Der Mann lernt Gälisch und ich bin mit zum Unterricht: Lektion 73, deren Höhepunkt eine sechszeilige Unterhaltung zum Thema Kürbis ist.

So schwer kann das ja alles gar nicht sein. Schließlich spreche ich mehrere Sprachen und habe Sprachwissenschaften studiert.

Ich kenne mich aus…….

Das schottische Gälisch gehört zu den q-keltischen Sprachen und ist nicht zu verwechseln mit den p-keltischen Sprachen in denen der indogermanische Labiovelar [K] zu [P] gewandelt wurde. Wie im Bretonischen, zum Beispiel. Ja, solche Dinge hab ich gelernt auf der Universität. Sag nochmal einer da lerne man nix fürs Leben.

Ich weiß, daß das schottische Gälisch hauptsächlich auf den Western Isles, in den Highlands und in Glasgow gesprochen wird. Letzteres vor allem wegen der Migration (Arbeit für die Landbevölkerung in der Großstadt unter Beibehaltung der eigenen Identität). Nur 1% der Schotten spricht diese alte Sprache noch.

Hier in den Highlands sind es verhältnismäßig viele. Die Straßenschilder sind zum Beispiel zweisprachig. Die schottische Regierung hat viel getan, um die Sprache zu erhalten. Ganze Schulen oder Klassenzüge haben Gälisch als Unterrichtssprache für alle Fächer. Und in der Erwachsenenbildung werden billige Kurse angeboten.

Wie meiner mit der Kürbislektion.

Und damit fangen die Probleme an. Nichts spricht man aus, wie man es schreibt. Keines der Worte kann man raten, wie ich es im Französischen oder Italienischen gelegentlich mache. Die Grammatik bleibt schleierhaft. Das Verb steht am Satzanfang. Und die Laute sind schön aber fremd. Nach 90 Minuten mitmachen, nachsprechen und rumstottern bin ich nicht viel weiter, als am Anfang. Was keinesfalls an der fröhlichen, geduldigen und humorvollen Lehrerin liegt: Ina, you were great!!

Ich kann sagen: Tha an t-aodann seo gun gruaidhean.

Das heißt auf Deutsch: Das Gesicht hat keine Wangen.

???

Das erinnert mich ein wenig an mein Latinum, von dem nur ein Satz wirklich in meinem Gedächtnis haften geblieben ist: Rana capillos non habet.

Der Frosch hat keine Haare.

Beide Sätze sind ähnlich nutzlos im täglichen Gebrauch. Ganz im Gegensatz zum Kürbisgespräch, das man hier oben unter den Croftern durchaus mal führen könnte, wenn man es richtig hinbrächte…

Es gibt immer mehr Deutsche, die das schottische Gälisch richtig gut sprechen können. Und so gut wie alle Deutschen wissen, daß das Wort Whisky aus dem Gälischen stammt und „Wasser des Lebens“ bedeutet.

Ich scheitere schon an Kürbissen.

‘S fheàrr iad as t-fhgohar. Fàg e an t-àm seo, a luaidh!

Was soviel heißt wie: „Sie sind besser im Herbst als sie es jetzt sind, meine Liebe.“

Ich mache meine Hausaufgaben und hoffe darauf, daß auch ich bald ein echter Kürbis bin – im Herbst viel besser als jetzt.