Das Drahtlose klingt nicht

Manche Wörter sind im Schottischen überaus logisch, so heißt das Radio radio im Englischen, in den Highlands benutzt man aber oft noch das alte Wort: wireless, das Drahtlose. Eigentlich sollte es das Musiklose heißen.

Die Radiokultur ist eine ganz andere, als in Deutschland. Hier wird geredet. Ohne Pause. Stundenlang. Manchmal dauert es über einen halben Tag, bis Musik gespielt wird. Nur Worte, Worte, Worte. Und Witze.

Talk TalkWir bekommen ganze zwei Radiokanäle, BBC Scotland (mit hohem Dauerwortanteil) und BBC Radio Nan Gàidheal,  der gälische Radiokanal, bei dem ich nun nur ein paar Brocken verstehe, der aber manchmal auch traditionelle schottische Musik spielt. Ist man aber im Auto unterwegs, dann ist auch das nur von kurzer Dauer, der Empfang ist überall sehr bescheiden und die Frequenzen reichen nicht weit, zu viele Berge, zu wenig Bevölkerung. Beim fahren ist nach spätestens fünf Minuten wieder Schluss. Oder sie reden wieder.

Plockton Crags (31)Am erstaunlichsten aber sind die Samstage, denn da wird über Fußball geredet und zwar sechs (!) Stunden lang, wieder alles ohne Musik. Auch während der Sommerpause, wenn gar keine Spiele sind. Sechs Stunden! Zwei davon sind Comedy, meist zum Fußball oder auch zu anderem Sport.

Off the ball, BBC Radio Scotland

Nennen sie drei Rennfahrer mit schottischenStädtenamen!

– Lewis Hamilton

– Johnny Dumfries

– Ayrton Senna

Ha ha.

Es werden nicht nur Witze erzählt, es werden auch Hörer gehört, es geht um die Möwenplage in Pittodrie und Personalien der unteren schottischen Ligen werden diskutiert. Wer gerade nicht parat hat, wer in Cowdenbeath Innenverteidigung spielt oder dass Steven Stirling in Stenhousmuir auf Torejagd geht, der versteht recht wenig von den  sechs Stunden Dauerballdiskussion.

Ross County Stadium

Auf die Ergebnisse vom ersten Spieltag der zweiten Bundesliga in Deutschland warte ich vergebens. Ob ich mal anrufen soll?

Loch Pooltiel, Skye (3)Lieber nicht, die Frau die gerade angerufen hat, um die Möwen zu verteidigen (nicht die in Pittodrie sondern die im Allgemeinen), die haben sie durch den Kakao gezogen. Nicht auszudenken, was sie mit einer deutschen Sportjournalistin machen, die sich über zu viel Fußball beschwert…….

Ich hole jetzt die alten CDs raus und mach mir meine eigene Musik und spiele lauter Songs zum Thema:

A Flock of Seagulls: Wishing

Video Killed the Radio Star

Radiohead: Creep

Noch Vorschläge???

 

 

 

 

Musik

Im Grunde genommen ist es unmöglich, kurz über Musik in den Highlands zu schreiben. Musik ist hier überall, ein Wesenzug, allumfassend, vielfältig. Man könnte tausend Posts darüber veröffentlichen und hätte immer noch was Entscheidendes zu sagen.

Was den Deutschen vom Schotten unterscheidet ist vor allem das Repertoire. Vor vielen Jahren (ich war mit einer Gruppe Deutscher unterwegs) wurden wir in einem Pub gebeten, ein deutsches Volkslied zum Besten zu geben. Was uns nach langem Überlegen einfiel war Alle meine Entchen und Hoch auf dem gelben Wagen. Bei letzterem waren wir nach der ersten Strophe aber textunsicher.

Debakulös!

Für einen Schotten ist das schlichtweg unverständlich. Der kann ad hoc mindestens hundert Volkslieder singen. Und das mit allen Strophen. Meist kann er sie auch spielen. Auf mehreren Instrumenten. Und überall.

Kürzlich kamen wir spät Abends aus einem Restaurant. Auf einem Floß saßen ein Geiger und ein Gitarrist und unterhielten das Publikum auf der Straße. Einfach so.

Wassermusik

Wassermusik

Gerade jetzt im Sommer gibt es überall Konzerte, vor allem traditional music. Das lieben die Touristen, selbst die, die zu Hause mit Volksmusik nichts anfangen können. Bei einem Konzert der Tannahill Weavers, einer alten Glasgower Folk Band, waren mindestens genau so viel Deutsche wie Schotten im Publikum.

Tannahill Weavers Portree

Tannahill Weavers Portree

Am Wochenende wollen wir am Strand grillen. Irgend ein Nachbar wird auftauchen, seine Gitarre und ein paar Dosen Bier im Schlepptau und er wird spielen bis es dunkel ist. Das ist hier so sicher, wie der nächste Regenschauer.