Neulich an der Tanke oder wie ein Butterbrot alles zum Stillstand brachte

Ich wünschte ich hätte mein Smartphone dabei gehabt, um Fotos zu machen. Aber ich hatte es nicht dabei und deshalb muss diese Geschichte ohne das wichtigste Bild auskommen. Ich war einfach nicht darauf gefasst, die Butterbrotaffäre für den Blog festzuhalten zu müssen.

Black Isle (1)Vor einigen Tagen war ich unterwegs auf der Black Isle, der schwarzen Insel, die weder schwarz noch eine Insel ist und mit all der großflächigen Landwirtschaft ziemlich deutsch anmutet. Die kleinen Dörfer hübsch, eine solche Blütepracht in den Vorgärten sieht man nicht oft in den schottischen Highlands.

Schön, denke ich. Jetzt nur noch irgendwo tanken und dann ab nach Hause.

Es dauert nicht lange, da finde ich eine Tankstelle. Was sich aus meiner Richtung anfühlt wie im Nirgendwo entpuppt sich bald als eine Art Autohof an der A9, der zentralen Verkehrsader von Inverness in den Norden.

Ich steige also aus und tanke, während ich einem holländischen Paar dabei zusehe, wie sie mehrfach die Tankstelle umfahren, im Versuch eine Säule auf der richtigen Seite des Benzintanks an ihrem Wagen zu finden. Ich stehe also so da (hier haben die Stutzen den Arretierbolzen nicht, mit dem man den Wagen tanken kann, ohne dass man die ganze Zeit daneben stehen muss) und versuche die Holländer zu ignorieren.

Ein älterer Herr läuft durch mein Blickfeld. Er hat schütteres, leicht gelocktes grau-weißes Haar, trägt eine sandfarben Bundfaltenhose und ein Poloshirt in einem ausgewaschenen Himbeerton über dem Wohlstandsbauch. Im Gesicht trägt er ein Lächeln das ganz klar sagt: „Jetzt schau mal, was ich gleich mache!“

Er nickt mir zu als wären wir beide in einer Art „Inner Circle“ derer, die wissen, wie man tankt, dabei hab ich nirgendwo ein Auto gesehen, das zu ihm gehören könnte.

Noch einmal wirft er mir einen bedeutungsschwangeren Blick zu, ehe er im Innern der Tankstelle verschwindet.

Ich hänge den Tankstutzen ein und freue mich, dass es den Holländern endlich gelungen ist, nun auch den Tank ihres Autos in die Nähe einer Säule zu bringen und gehe zum Bezahlen.

Die Tankstelle ist so eine Art 3 in 1 also Tanke, Shop und Imbiss mit Sitzgelegenheiten. Hinter der linken Kasse steht eine sehr untersetzte Mittfünfzigerin mit unbestimmter Haarfarbe aber bestimmter Stimme. Sie kassiert gerade einen der Truckfahrer ab, der in einem ölverschmierten Hosenanzug nach der Tankkarte kramt. An der Kasse nebenan ist ein junges Mädchen mit Eifer beim Ferienjob wie es aussieht.

Vor mir steht der Mann, der auch hier drin noch immer diesen Ausdruck im Gesicht hat.

Er winkt mich nach vorne. „Jetzt schau mir mal zu!“ sagen mir seine Augen. Er lehnt sich leicht nach hinten, als wolle er Anlauf nehmen für einen Hochsprung über die Zweimetermarke.

Die ältere der beiden Kassiererinnen ist mit dem Lasterfahrer fertig und blickt mit einem Oh-nein-nicht-der! in den Augen dem Mann entgehen. Dann schickt sie das Mädchen ins Verderben.

„Kannst du dich bitte um den Herrn hier kümmern, Sheila?“

Sheila lächelt ahnungslos und freundlich den Mann an, der nun seinen großen Moment hat.

„Brot und Butter!“ sagt er als sei er Cäsar und weist mit der Gestik eines Operntenors ohne Orchester ins weite Rund der Schokoriegel und Instantsuppen.

„Brot und Butter!“ sagt er noch einmal als seien es seine Spiele.

Dann schaut er mich wieder an und seine Augen sagen „Schau nur, ich muß mich nicht bewegen. Ich kann einfach was bestellen und die müssen rennen. Ich bin hier Kunde und ich bin König!“

Hinter dem nonverbalen König stehen drei Ausrufezeichen.

Er winkt mich nach vorne während er auf sein Brot und seine Butter wartet.

Das Mädchen scheint leicht überfordert mit der Situation aber bemüht um Freundlichkeit setzt sie sich in Bewegung. Der König deutet nur und bewegt sich nicht vom Fleck.

Ich bezahle und versuche nicht zu grinsen.

Dann auf einmal, bricht hinter mir die große Diskussion aus, in die sich nun auch meine Kassiererin einschaltet.

Das doch nicht!“

„Ich sagte Brot und Butter!“

„Aber…?!“

Ich drehe mich um und sehe das Mädchen dem Mann neben mir einen Teller entgegen strecken, mit einem liebevoll geschmierten Butterbrot aus dem Imbiss-Teil des Autohofs darauf. Der Mann, der eigentlich ein Brot und eine Butter aus dem Ladenteil der Tanke haben wollte, sieht sich hilflos dem schmählichen Brotverrat ausgeliefert

Butterbrot statt Brot und Butter. Im Schottischen ein und derselbe Ausdruck. In einer Tanke mit Shop und Imbiss aber zwei grundverschiedene Dinge.

Hätte ich nur mein Smartphone dabei gehabt. Ich hätte ein Foto vom eitlen König gemacht, hilflos im Angesicht des Butterbrotversagens seiner Untertanen im Autohof.

Was wäre das für ein Post geworden!

 

tanken

Je weiter man sich in Schottland von der Hauptstadt Edinburgh Richtung Norden entfernt, desto teurer wird das Benzin. Das hat eine gewisse Ironie, kommt man doch den Bohrinseln immer näher, je weiter man sich von der Hauptstadt entfernt.

Entfernt ist ein wichtiger Begriff, wenn es um Benzin und Tankstellen geht. Wer in den Highlands unterwegs ist, der muß rechnen können, wenn er nicht trocken liegen bleiben will. Je weiter man nach Norden kommt wird das Benzin nicht nur teurer, es wird außerdem seltener. Man fährt und rechnet, und fährt und rechnet, fährt und … „bis sonundso sind es soviele Meilen, das sind dann so viele Kilometer, wenn ich fünf Liter pro Kilometer brauche und ich habe noch soundsoviel Liter im Tank, dann…..

Wer sich verechnet, hat verloren.

einsam
Die Preise dämpfen das Glück über eine gefundene Zapfsäule ein wenig. Derzeit kostet der Liter Diesel an der nächsten Tankstelle 1,42 Pfund also geschmeidige 1,64 Euro. An der Tankstelle angekommen, rechnet man besser nicht mehr.

Trotz der Preise ist man irgendwie froh, wenn man unterwegs nach längerem Suchen endlich eine Zapfsäule gefunden hat.

Tankstelle

Grund zur Panik herrscht dennoch nie, wer nach der nächsten Tankstelle fragt, dem wird geholfen. Mehr als einmal wäre ein Einheimischer bereitwillig vor mir her gefahren, um mich zur nächsten Tanke zu leiten. Obwohl er gerade dabei war, seinen Garten zu mähen oder seine Gäste zu verabschieden.

Ich wohne in einer Tankstellen reichen Gegend. Die nächste ist ungefähr fünf Kilometer entfernt. Den Besitzer nennen Einige hier Räuber John, weil seine Benzinpreise die höchsten sind und weil er seine Zapfsäulen mit Schlössern vor willkürlicher Nutzung und Diebstahl sichert.

Meist sitzt Räuber John mit makkellos weißen Turnschuhen an den Füßen und einer Tasse Kaffee in der Hand vor seinem Tankstellenhäuschen und raucht. Taucht ein Kunde auf, dann tankt er höchstpersönlich. Und höchst gemächlich. Er tankt für 10, 20 oder 30 Pfund aber nie voll. Denn dann ist der Betrag nicht mit glatten Scheinen zu begleichen und John muß an seine Kasse und Wechselgeld holen.

Und das würde ein Einheimischer nie von ihm verlangen.