Von Eiern und Pfannkuchen

Pfannkuchen mit eingemachten Frückten Granola und Ahornsirup

Dinnae teach yer Granny tae suck eggs!

Versuch nicht, den Leuten etwas beizubringen, was sie bereits wissen – mit anderen Worten, sei kein Klugscheißer. Und der Teil mit den Eiern? Der ist ein Hinweis darauf, dass ältere Schotten früher oft wenige gesunde Zähne hatten und nur weiche Nahrung wie Eier essen konnten.

Diese schottische Redewendung bringt mich unweigerlich zu der Pfannkuchen Geschichte. Da spielen zwar auch Eier eine Rolle, aber keine Sorge, niemand hat an rohen Eiern gesaugt. Bäh! Was für eine gruslige Vorstellung!

Wie zuletzt häufig, ist der Enkel des Mannes bei uns. Ich habe bereits im letzten Buch (Abenteuer Highlands 2.0) über den Krümel geschrieben. Inzwischen ist er sechs Jahre alt und natürlich kein Krümel mehr. Ich bekäme einen vorwurfsvollen Blick, wenn ich das behaupten würde. Als er noch ein Krümel war, hat er alles gegessen was man ihm vorgesetzt hat: Obst, Gemüse, alles. Nun, als Steppke, ist er wählerisch geworden. Dies isst er nicht und das auch nicht und Karotten nur roh, aber nicht gekocht. Tomaten dagegen nur auf der Pizza oder im Ketchup, aber nicht roh.

Der Kurze nähert sich immer mehr dem Mann an, der Obst und Gemüse ja nur mit höchster Vorsicht begegnet. Die beiden frühstücken Berge von Würstchen mit Eiern, während ich mein Müsli löffle. Das ist doch doof und ich schlage vor, ob wir nicht alle zusammen Pfannkuchen essen wollen, mit Früchten und Ahornsirup. Der Mann hat nichts dagegen, weil dann nicht er in die Küche muss, sondern ich, um das Frühstück zu machen. Der Kurze überlegt für eine Weile und entscheidet sich dafür.

„Ich habe keine Pfannkuchen am Pfannkuchen Tag bekommen“, sagt er vorwurfsvoll und wohl in der Hoffnung, dass ich wegen der kulinarischen Versäumnisseein ernstes Wörtchen mit seiner Mutter rede.

Der Pfannkuchen Tag wird hier im Vereinigten Königreich begangen, weil sie kein Faschingsdienstag haben und die Fastenzeit hier im öffentlichen Leben keine Rolle spielt. In Deutschland kennt man ja auch die Faschingskrapfen. Wenn auch eher nicht zum Frühstück.

Der Kurze hat also eine Pfannkuchen Unterversorgung und ich machen mich dran, Abhilfe zu schaffen. Schnell mixe ich die Zutaten, hebe das geschlagene Eiweiß unter und gebe den Teig und in die Pfanne. Als die ersten fertig sind, lade ich sie auf zwei Teller, garniere mit Früchten und weise auf den Ahorn Sirup und das Zimt-Zucker-Gemisch hin, das auf dem Tisch steht, um wieder in der Küche zu verschwinden und den Rest auszubacken.

Als ich mit der nächsten Ladung wieder zurück am Tisch bin, starrt der Kurze trotzig auf seinen Teller. Er hat die Pfannkuchen nicht angerührt. Der Mann versucht ihn gerade davon zu überzeugen, dass man sie sehr wohl essen kann und sie sehr lecker sind, aber nein, er isst sie nicht.

„Was stimmt denn nicht, mit meinen Pfannkuchen?“ frage ich. Ich kann keinen Fehler entdecken.

„Sie sind nicht in der richtigen Form“, trotzt der Kleine und ich weiß sofort, was er meint.

Seine Generation kennt Pfannkuchen als perfekte, runde Gebäckstücke, gestapelt und mit Sirup übergossen. Meine sind zwar rund, aber keine perfekten Kreise. Form und Aussehen aber gehen ihm vor Inhalt.

Nichts leichter als das“, sage ich und nehme seinen Teller mit in die Küche. Dort steche ich mit den runden Ausstech-Formen für Hilda Plätzchen die runden Pfannkuchen zu perfekten Kreisen und serviere sie erneut. Der Kurze ist zufrieden und isst. Ich esse die ausgestochenen Ränder. Heimlich. In der Küche.

Hm, lecker!

Familienbesuch – Take 2

Wir bekommen Besuch. Eigentlich keine besondere Sache, aber in Corona Zeiten wirklich nicht einfach und schon gar nicht, wenn der Mann mitmischt.

Wir freuen uns, denn sein Cousin samt Frau haben sich angekündigt, beides Biker, die Männer schon seit der Kindheit eng miteinander verbunden und auch wir Frauen verstehen uns gut. Wir organisieren also ein Treffen? Äh, ja…. alles nicht so einfach, wie ihr bei der Frage des Frühstücks in Teil 1 sicher bemerkt habt.

schottischer Kühlschrank Standard

Zwei Tag vor dem geplanten Besuch frage ich vorsichtig nach, wie er sich das mit den Würstchen so gedacht hat. Er sagt, er macht Bacon, Eggs and Sausages. Zu seinen Würstchen haben sich gedanklich also Eier und Speck gesellt. So etwas hatte ich fast vermutet. Eben doch ein Frühstück.

„Und wo sind der Speck, die Brötchen und alles andere, was man dazu braucht? Gehst du einkaufen?“ frage ich.

Er schaut verwirrt. Er hatte wohl angenommen, dass auf eine magische Art einfach alles so in der Küche erscheint, weil es sich ja um nichts großes, sondern nur um Eier, Würstchen und Speck handelt. Schottischer Kühlschrankstandard quasi. Eier, Würstchen und Speck stehen aber nicht auf meinem Essensplan und sind im germanischen Kühlschrank absolut verzichtbar. Ich stelle fest, dass wir ein Planungsproblem haben.

Gluten, Laktose, Cholesterin

Ich komme wohl um das Kochen nicht drumrum, denke ich. Ich arbeite gerade viel und Vollzeit von Schottland aus und habe unter der Woche definitiv keine Zeit einkaufen zu fahren. Frühestens Samstag aber da kommen sie ja schon um 12 Uhr und zum Supermarkt sind es im Sommer knapp zwei Stunden Fahrt. Im Winter ohne Touristen schafft man es in 90 Minuten. Jetzt im Herbst sind wir irgendwo dazwischen. Dennoch. Ich müsste um 6 Uhr losfahren, wenn ich um 12 Uhr gekocht haben will…

„Wie ist das noch mal mit ihrer Diät?“ erkundige ich mich beim Mann.

Er startet eine neue Konversation auf WhatsApp. Dann berichtet er.

„Also, er isst alles, außer Salat und Gemüse. Sie isst Salat und Gemüse, außerdem gluten- und laktosefrei. Beide essen Fleisch nur extrem durchgebraten.“ Der Mann nickt zufrieden. Alles ganz simpel.


In meinem Kopf stehen ganz viele Fragezeichen, denn ich muss diese zwei Diäten mit der des Mannes und mit meiner kombinieren. Wegen der Magenprobleme bin ich weg von scharf und fettig, aus ideologischen Gründen weitgehend weg vom Fleisch, ich esse mit Vorliebe italienisch. Der der Mann mag keine Pasta.


Die nächste Nacht kann ich nicht schlafen, weil mein Kopf verzweifelt versucht zu ergründen, was ich kochen kann für vier Personen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, ohne gleich vier verschiedene Mahlzeiten zubereiten zu müssen, zumal man die ja auch noch draußen im Regen servieren muss. Ein Rätsel, das mir Nerven und Schlaf raubt.

Am nächsten Morgen bin ich schlecht gelaunt und beschließe, wir besorgen Essen. Das Café Sia auf der Isle of Skye macht auch glutenfreie Pizza. Inzwischen haben die nicht nur das Restaurant, sondern auch noch einen Imbiss übernommen. Da kann man Pizza holen. Einen Tisch bestellen können wir ja nicht, weil Cousin und Frau wegen Corona nicht in andere Häuser gehen. Ich habe die Lösung, Pizza essen alle. Heureka!

Nächstes Mal: Warum ist es am heimischen Herd so schön und der schottische Pizzamann.

fortune – 1. Vermögen und 2. Glück

Wir sind nur 2.8 Kilometer vom Haus meiner Schwester entfernt und es fühlt sich an wie mindestens drei Galaxien. Seit über einer Viertelstunde suchen wir einen Parkplatz und haben bisher noch nicht mal eine Ahnung von Parkplatz entdeckt; alles Anwohner-mit-Ausweis-Plätze oder limitiert auf maximal zwei Stunden. Der Mann und ich sind in Genf, quälen uns durch den Feierabendverkehr und tun das, was alle anderen auch tun: einen Parkplatz suchen.

Ich denke an die Highlands und dass man dort tatsächlich über eine halbe Stunde lang Auto fährt, bevor man an eine Ampel kommt. Hier zuckelt das Auto von Ampel zu Ampel.

Meine Schwester textet wann wir da sind, sie will den Champagner aufmachen.

Ich will auch dass sie den Champagner aufmacht aber ohne Parkplatz wird da erst mal nichts draus. Nach einer halben Stunde erfolglosen Wendens und Suchens geben wir auf und fahren in das große Parkhaus direkt am Seeufer. Die Stunde kostet wahrscheinlich schon ein Vermögen, an den Tagessatz versuche ich erst gar nicht zu denken.

©theman

Dann müssen wir uns koordinieren, es sind ca. 15 Gehminuten bis zur Schwester und dem Champagner – da will man nichts was man braucht im Auto vergessen. Endlich zerren der Mann und ich unsere Gepäckstücke durch Genf. Nach den ersten Metern bricht eine meiner Kofferrollen. Der billige Koffer aus Schottland. Den zerre ich dann wie einen Schlitten mit bockigem Kleinkind hinter mir her, genervt.

Der Schotte dagegen ist entspannt. Ich glaube er ist nie in Eile, höchstens wenn es mal brennt. Wir Deutschen (und ganz offensichtlich auch die Schweizer um uns herum) haben es alle eilig. Und so schlendert der Highlander mit funktionierenden Kofferrollen und schottischer Gelassenheit durch die helvetische Hektik und ignoriert das germanische Grummeln, das einen Koffer vor ihm herzerrt.

Die Schwestern und der Champagner heitern meine Laune beträchtlich auf.

Seit unserem ersten gemeinsamen Besuch in Genf hat der Mann eine Leidenschaft für Rösti. Generell mag er (typisch schottisch) Kartoffeln in jeglicher Form, wenn man dann noch Schinken und Ei drüber gibt, ist sein Glück perfekt. Also machen wir Mädels den Mann mit Rösti glücklich, wir essen einen Salat und genießen unser Glück (auf Englisch fortune). Dann kommt die Rechnung und das bisschen Salat, Kartoffel und Ei kostet so viel wie drei Gänge mit Wein in Turin. Ein kleines Vermögen (auf Englisch fortune).

Nellie Merthe Erkenbach Abenteuer Highlands mit dem Schotten in GenfFür den Mann ist rein sprachlich Geld und Glück also dasselbe. Ich, aus dem Lander der Dichter und Denker und examinierte Literaturwissenschaftlerin, kann selbstverständlich den schnöden Mammon nicht mit Glück gleichsetzen. Ich habe ja Ideale! Und hatte Goethe im Examen….

Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche zu verehren.

Während ich also über Glück ohne Vermögen philosophiere sticht der Mann auf dem letzten Flecken Rösti den Eidotter auf und erforscht sein Teller-Glück.

Nellie Merthe Erkenbach Abenteuer Highlands mit dem Schotten in GenfAuf der Heimfahrt werde ich trotz Tempomat (110 km/h) auf der schweizer Autobahn, kurz vor den Grenzübergang Basel in einem Abschnitt geblitzt, in dem man nur 100 km/h fahren darf. Ich bin also 10 km/h zu schnell gewesen. Das kostet 60 Schweizer Franken oder 53 Euro 57. Für zehn Stundenkilometer!

Bei einem derartigen Vermögen (fortune) kann von Glück (fortune) keine Rede sein!

Der Mann schweigt still und denkt an Schottland. Da müssen Blitzer mit einem Schild angekündigt werden, groß und deutlich, damit man es auch ja rechtzeitig bemerkt. Die schottischen Behörden müssen also auf ganz viel Glück hoffen, wenn sie jemals mit Geschwindigkeitsübertretungen ein Vermögen machen wollen. Aber wahrscheinlich wollen sie das gar nicht, die vom Glück begünstigten (fortunate) Schotten.