Wir sind nur 2.8 Kilometer vom Haus meiner Schwester entfernt und es fühlt sich an wie mindestens drei Galaxien. Seit über einer Viertelstunde suchen wir einen Parkplatz und haben bisher noch nicht mal eine Ahnung von Parkplatz entdeckt; alles Anwohner-mit-Ausweis-Plätze oder limitiert auf maximal zwei Stunden. Der Mann und ich sind in Genf, quälen uns durch den Feierabendverkehr und tun das, was alle anderen auch tun: einen Parkplatz suchen.
Ich denke an die Highlands und dass man dort tatsächlich über eine halbe Stunde lang Auto fährt, bevor man an eine Ampel kommt. Hier zuckelt das Auto von Ampel zu Ampel.
Meine Schwester textet wann wir da sind, sie will den Champagner aufmachen.
Ich will auch dass sie den Champagner aufmacht aber ohne Parkplatz wird da erst mal nichts draus. Nach einer halben Stunde erfolglosen Wendens und Suchens geben wir auf und fahren in das große Parkhaus direkt am Seeufer. Die Stunde kostet wahrscheinlich schon ein Vermögen, an den Tagessatz versuche ich erst gar nicht zu denken.
Dann müssen wir uns koordinieren, es sind ca. 15 Gehminuten bis zur Schwester und dem Champagner – da will man nichts was man braucht im Auto vergessen. Endlich zerren der Mann und ich unsere Gepäckstücke durch Genf. Nach den ersten Metern bricht eine meiner Kofferrollen. Der billige Koffer aus Schottland. Den zerre ich dann wie einen Schlitten mit bockigem Kleinkind hinter mir her, genervt.
Der Schotte dagegen ist entspannt. Ich glaube er ist nie in Eile, höchstens wenn es mal brennt. Wir Deutschen (und ganz offensichtlich auch die Schweizer um uns herum) haben es alle eilig. Und so schlendert der Highlander mit funktionierenden Kofferrollen und schottischer Gelassenheit durch die helvetische Hektik und ignoriert das germanische Grummeln, das einen Koffer vor ihm herzerrt.
Die Schwestern und der Champagner heitern meine Laune beträchtlich auf.
Seit unserem ersten gemeinsamen Besuch in Genf hat der Mann eine Leidenschaft für Rösti. Generell mag er (typisch schottisch) Kartoffeln in jeglicher Form, wenn man dann noch Schinken und Ei drüber gibt, ist sein Glück perfekt. Also machen wir Mädels den Mann mit Rösti glücklich, wir essen einen Salat und genießen unser Glück (auf Englisch fortune). Dann kommt die Rechnung und das bisschen Salat, Kartoffel und Ei kostet so viel wie drei Gänge mit Wein in Turin. Ein kleines Vermögen (auf Englisch fortune).
Für den Mann ist rein sprachlich Geld und Glück also dasselbe. Ich, aus dem Lander der Dichter und Denker und examinierte Literaturwissenschaftlerin, kann selbstverständlich den schnöden Mammon nicht mit Glück gleichsetzen. Ich habe ja Ideale! Und hatte Goethe im Examen….
Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche zu verehren.
Während ich also über Glück ohne Vermögen philosophiere sticht der Mann auf dem letzten Flecken Rösti den Eidotter auf und erforscht sein Teller-Glück.
Auf der Heimfahrt werde ich trotz Tempomat (110 km/h) auf der schweizer Autobahn, kurz vor den Grenzübergang Basel in einem Abschnitt geblitzt, in dem man nur 100 km/h fahren darf. Ich bin also 10 km/h zu schnell gewesen. Das kostet 60 Schweizer Franken oder 53 Euro 57. Für zehn Stundenkilometer!
Bei einem derartigen Vermögen (fortune) kann von Glück (fortune) keine Rede sein!
Der Mann schweigt still und denkt an Schottland. Da müssen Blitzer mit einem Schild angekündigt werden, groß und deutlich, damit man es auch ja rechtzeitig bemerkt. Die schottischen Behörden müssen also auf ganz viel Glück hoffen, wenn sie jemals mit Geschwindigkeitsübertretungen ein Vermögen machen wollen. Aber wahrscheinlich wollen sie das gar nicht, die vom Glück begünstigten (fortunate) Schotten.
Oh wie schoen – eine Geschichte „aus dem Leben da draussen gegriffen“ – macht mich ja wieder mal gluecklich, dass ich im Gott-verlassenen Lealt lebe, auch wenn meine Strasse eine Kraterlandschaft ist und mein Auto derartig geschwaecht hat, dass nach einer Feder nun auch die Achse gebrochen ist und ein neues/altes Auto gekauft werden musste aus vielen verschiedenen Gruenden. Du siehst: jeder hat so seine Last, das Leben zu meistern – nur EINS ist wichtig: nicht den Humor verlieren!
Falls du mal Zeit hast, kannst du dir meine Strasse hier anschau’n: https://youtu/be/UilFt_fxrtM
Das klingt nach einem Abenteuer, das man lieber nicht hätte liebe Karin. Ohne Auto geht es natürlich nicht in den Highlands und mit Straßen ist das ja bekanntlich so eine Sache da wo du wohnst…. Calum’s Road hast du sicher gelesen, oder? Ist zwar Raasay aber das ist ja gleich nebenan.