Parkwächter und andere Armleuchter

Awa’ an bile yer heid ist ein Satz, den man in Schottland verwendet, wenn einem jemand wirklich auf die Nerven geht. Im Klartext bedeutet es: „Geh und koch deinen Kopf“. Die nette Übersetzung ist „verschwinde“, das Wort, das den Begriff korrekter beschreibt, hat ein „p“ und zwei „s“. Ihr wisst, was ich meine. Ich umschreibe das lieber, falls noch nicht alle Kinder im Bett sind.

old Sleat road Isle of Skye @nme Abenteuer Highlands

Die andere Nellie und ich haben uns an einem Tag im Februar früh aus den jeweiligen Betten gequält, denn wir wollen ausnahmsweise mal nicht nur Kaffee trinken gehen, sondern richtig frühstücken. Blöd nur, dass es ausgerechnet in der Nacht wie verrückt geschneit hat und wir am Morgen eine geschlossene Schneedecke auf der Straße vorfinden. Nicht, dass das uns zwei von einem Frühstück auf der Isle of Skye abhalten würde. Ich bin aus dem Schwarzwald, die andere Nellie aus dem Sauerland. Wir können Berge und Winter.

bagel and book Deli Gasta @nme Abenteuer Highlands

Außer uns anscheinend nicht viele andere, denn wir sind so ziemlich allein unterwegs. Dummerweise auch mit zwei Autos, weil Nellie davor noch einen Arzttermin hat und ich anschließend noch Besorgungen machen will. Deshalb sind wir mit zwei Autos unterwegs. Ich bin als erstes am verabredeten Ort. Auf der steilen, gewundenen Abfahrt zum Café liegen ungefähr drei Zentimeter Schnee. Hinunter käme ich ohne Probleme, ich bin mir nur nicht sicher, ob ich dann auch wieder raufkomme. Dass Schnee geräumt wird, ist hier keine Selbstverständlichkeit. Ich beschließe, das Auto oben an einer Seitenstraße abzustellen und die paar Meter zu laufen. So komme ich auf jeden Fall wieder weg.

Als ich gerade losgehen will, kommt die andere Nellie. Sie hatte denselben Gedanken und stellt sich auf die andere Straßenseite vor ein weiteres Café, das geschlossen aussieht. Dann gehen wir gemeinsam zu unserem Frühstück. Wir sitzen in einer ehemalige Mühle an Holztischen zwischen alten Steinmauern und bestellen erst mal zwei Latte, bevor wir uns der Speisekarte widmen. Noch ist es sehr ruhig. Sie haben gerade aufgemacht. Außer uns sitzt nur noch ein junges Paar im Raum.

Da kommt Sean, einer der beiden Betreiber des Cafés. Er hat ein Telefon am Ohr und schaut uns an.

„Hat eine von euch ein deutsches Kennzeichen?“

Nellie nickt.

„Du sollst umparken. Ich hab den Mann vom anderen Café oben in der Seitenstraße dran. Er sagt, du blockierst den Verkehr“, berichtet Sean und sein Gesicht sagt, dass er Parkrügen wohl nicht zum ersten Mal weitergibt. Wahrscheinlich ist der Typ oben genervt von der Tatsache, dass die Leute bei ihm parken aber bei Sean Kaffee trinken.

Broadford and Beinn na Cailich @nme Abenteuer Highlands

Nellie ist entrüstet. Da war kein Schild, dass man da nicht parken darf. Sie fragt nach:

„Und es geht nur um das Auto mit dem deutschen Kennzeichen?“

Tim nickt und Nellie schnappt ihre Autoschlüssel.

Mit einem „Das wollen wir ja mal sehen!“ zieht sie indigniert in den Kampf.

Kurze Zeit später sehe ich ihr Auto auf den Parkplatz vor unserem Café fahren. Sie hat offensichtlich beschlossen, umzuparken.

Empört berichtet sie von der Auseinandersetzung mit dem Anwohner an der Straße. Der hatte ihr nicht nur eine sehr unfreundliche Notiz am Scheibenwischer hinterlassen, sondern auch noch mit ihr gestritten, als sie zum Wagen kam. Nellie ist richtig in Rage. Auf Deutsch hätte sie ihn in Grund und Boden geredet.

„Der spinnt, der Typ“, sagt sie. „Ich hab ihn gefragt, warum ich umparken muss und du auf der anderen Straßenseite nicht. Weißt du, was er geantwortet hat?“

Ich schüttle den Kopf.

„Die arbeitet hier. Die kann stehen bleiben“, ergänzt Nellie voller Entrüstung.

Das ist natürlich eine Frechheit, wenn von uns beiden ist die andere Nellie diejenige, die in Schottland arbeitet. Sie ist Frühstücksköchin in einem Guesthouse. Ich schreibe hier nur Bücher und war zeitweise remote für meinen deutschen Arbeitgeber tätig. Aber ich bin eben mit einem einheimischen Auto unterwegs, während das der anderen Nellie nach Touristin aussieht.

„Besser, du parkst auch um!“ rät sie.

Ich denke nach. Ich weiß, dass ich nicht im Parkverbot stehe und von mir aus kann dieser Möchtegern-Parkwächter einen Kopfstand machen und mit den Zehen wackeln, ich muss nicht umparken. Aber ich würde mir den gerne mal ansehen. Also gebe ich meine Frühstückbestellung auf und mache mich auf den kurzen Weg zum Wagen.

Als ich um die Ecke biege sehen ich einen Mann Mitte Dreißig in Jogginghosen, der gerade ein Handyfoto von meinem Auto macht, dann aber so tut, als würde er, in Ermangelung eines anderen Motivs, das Café fotografieren.

„Pass auf!“, ruft er mir entgegen. Seinen Akzent kann ich nicht richtig verorten, aber er klingt nicht, als wäre er von hier. „Die Reifenspuren auf der Straße sind gefroren. Es ist sehr glatt, nicht stürzen.“

Aha, denke ich. Warum auf einmal so freundlich? Ich bin ein Meter achzig groß und blond. Als Schottin gehe ich niemals durch.

„Keine Sorge“, sage ich, steige in das Auto und wende auf der Straße. Der Mann geht schnell ins das Café, in dem nun Licht brennt. Es hat offensichtlich inzwischen auf und jetzt auch genügend Stellfläche für potenzielle Kunden. Die andere Nellie wird jedenfalls nicht mehr dazu gehören. Die hat er vergrault. Für immer. Kein so richtig schlauer Schachzug, wenn man ein Café betreibt.

old Sleat road Isle of Skye @nme Abenteuer Highlands

Wie sich später herausstellt, ist der „Parkwächter“ wohl einer der beiden Besitzer. Der eine ist aus Nordirland, der andere aus Tasmanien. Das erfahre ich, als ich zu einem späteren Zeitpunkt alleine dort bin. Von den Besitzern keine Spur, die Belegschaft ausgesprochen nett und freundlich. Eine junge Frau, gerade mit der Schule fertig, erzählt mir, sie könne sich nicht vorstellen wegzugehen. Das kann ich verstehen und wir unterhalten uns angeregt.

Geht doch, denke ich. Vielleicht kann ich die andere Nellie dazu bewegen, sich das nochmal anzusehen. Obwohl die beiden haben wegen des Parkplatzes aneinandergeraten sind. Das kommt mir so deutsch und so gar nicht schottisch vor.

Ein Schotte hätte Awa’ an bile yer heid gesagt und gut wäre gewesen. Nellies Kopf hat noch eine ganze Weile danach vor sich hin gekocht. Vielleicht ganz gut, denn Nellie wohnt im Kühlschrank.

Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.

Broadford and Beinn na Cailich @nme Abenteuer Highlands

Highland Crime Band 2: Im Dunkel von Skye

Ich habe ein Leben lang leidenschaftlich gerne Krimis gelesen und 2021 meinen ersten geschrieben: Schatten über Skiary, Band 1 der Highland Crime Serie um DI Robert Campbell und die deutschen Übersetzerin Isabel Hartmann. Der Krimi spielt in Glenelg und an einem der abgelegensten Orte Lochabers – Skiary.

In Band 2 finden die Ermittlungen auf der Isle of Skye statt.

DI Robert Campbell genießt seinen Motorrad-Urlaub an der schottischen Westküste. Übersetzerin Isabel, Issy, Hartmann ist auf der Insel Skye, um Gälisch zu lernen. Am Sabhal Mòr Ostaig College stößt sie unvermittelt auf einen ungeklärten Todesfall.

Starb die Studentin wirklich eines natürlichen Todes? Issy hat ihre Zweifel und stellt Nachforschungen an. Wer im Sprachkurs könnte ein Motiv gehabt haben? Und wie war es gelungen, die Tat zu verschleiern?

Weil Isabel Hartmann ihn um Hilfe bittet, nimmt sich DI Robert Hartmann inoffiziell des Falls an. Doch dann gibt es einen weiteren Toten, der offensichtlich mit den ursprünglichen Ermittlungen in Verbindung steht. Unvermittelt wird Isabel von der Hobbydetektivin zu einer Verdächtigen.

Scotch Egg

Gerade wollte ich mir für ein verspätetes Frühstück etwas Obst in mein Müsli schneiden, da taucht unvermittelt der Mann an der Küchentür auf. Kein Mensch benutzt in Schottland die Vordertür, deshalb ist die Küche der Eingangsbereich in den meisten Häusern.

„Was machst du denn schon zu Hause?“ frage ich verwundert. Ich hatte ihn erst in ein paar Stunden zurück erwartet.

„Ging schneller als ich dachte“, spricht der Mann und verneint meine Frage, ob er etwas zu Mittag essen möchte. Mach dir keine Mühe, sagt er. Ich habe mir heute Morgen ein Ei gekauft.

Scotch Egg in Verpackung Fett Zucker Inhaltsstoffe

Ich blicke etwas sprachlos auf das kleine Plastiktütchen mit dem kalten braunen Klumpen aus dem Kühlfach, das er auf den Küchentisch legt. Er lächelt stolz und sichtlich erfreut über die Aussicht auf sein Scotch Egg.

So ein Ei hat nichts mit Whisky zu tun, wie der Name vermuten lässt. Es handelt sich vielmehr um ein in Plastik eingeschweißtes und gekochtes Ei, das man in Wurstmett und Semmelbrösel gewälzt hat, um es anschließen zu frittieren. Dann isst man es kalt.

Scotch Egg aufgeschnittenIch schüttle mich kurz und frage nach, ob er da Brot dazu haben will.

„Die Deutschen sind seltsam“, meint er, „die wollen zu allem Brot essen.“

Die „seltsame“ Deutsche schneidet den Cholesterinoverkill auf und fragt sich, ob sie so etwas je ohne Brot essen könnte.

malted loafDu kannst mir malted loaf dazu geben“, meint der unerschrockene Schotte.

Malzbrot??? Das ist ja eigentlich mehr ein Kuchen und pappsüß??

„Na du musst ja auch Butter drauf machen!“ sagt er weise.

 

Sprachlos schnibble ich den Rest der Banane in mein zuckerfreies Müsli und sehen dann zu, wie der Mann dieses seltsame Mittagessen restlos, ohne Brot aber mit Genuss vertilgt.

Vielleicht heißt diese Mahlzeit ja deshalb Scotch Egg, weil man anschließend einen Scotch braucht. Nicht, wenn man das Ei isst. Einfach nur vom Zuschauen!

 

 

 

Schottische Wurstempörung

Schottland wird dieser Tage von einem Skandal ungeheuren Ausmaßes erschüttert. Auslöser ist der deutsche Billigdiscounter ALDI. Es geht um die Wurst. Worum auch sonst.

Es gibt ein paar Dinge im schottischen Alltagsleben, die sind anders als man es aus Deutschland kennt: das Bier hat keinen Schaum, die Männer tragen (manchmal) Kilt und die Frühstückswurst ist eckig. Das ist nun mal so und in gewisser Weise auch Teil der schottischen Identität. Der Mensch definiert sich schließlich über die Andersartigkeit in Abgrenzung zu den Nachbarn oder dem Rest der Welt, ungefähr so wie der Schwabe durch die Kehrwoche oder der Bayer die Lederhose. In Schottland ist die eckige Frühstückswurst identitätsstiftend.

Abenteuer Highlands Wurstempörung

Abenteuer Highlands WurstempörungUnd nun kam ALDI diese Woche mit der (angeblich) neuen Idee einer eckigen Wurstscheibe auf den Markt und nannte sie Sausedge. Ein Aufschrei ging durchs Land und vor allem Twitter überschüttete die Möchtegernerfinder aus Deutschland mit Hohn und Spott.

Der #lorne ist die beste Comedy, die es derzeit gibt.

 

Abenteuer Highlands WurstempörungDie square slice für sich zu beanspruchen ist ungefähr so als würde ALDI behaupten, die Mozartkugel, den Müller-Thurgau oder das Wiener Schnitzel erfunden zu haben. Man stelle sich den Aufschrei in Deutschland und Österreich vor.

Die sogenannte „square slice“ (eckige Scheibe) ist so eine Art Rinderhackwurst aus der Form, sie wird angebraten oder gerillt und mit brauner Sauce zum Frühstück gegessen oder in einem Brötchen verkauft. In dem Fall macht ihre eckige Form wenig Sinn, denn die Brötchen sind in der Regel rund. Aber, Tradition ist Tradition und die ist in Schottland eckig, wenn es um die Wurst geht. Und früher hat man in Schottland ja auch meist das plain loaf gegessen und das sind wiederum rechteckige Brotscheiben.

Abenteuer Highlands Wurstempörung

Eigentlich heißt die square slice ja Lorne saussage, enthält Rinderhack, trockenes Brot und Kräuter. Im Prinzip wie unsere Frikadellen nur mit deutlich weniger Eigengeschmack. Man isst sie seit unzähligen Generationen in Schottland und auch wen sie nicht aus der Region Lorne kommt, wie der Name vermuten lässt, so ist sie doch ganz und gar typisch schottisch. Bei einem englischen Frühstück bekommt man sie nicht serviert.

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Der Gipfel der Ironie dieser missglückten Marketingaktion: ALDI verkauft die eckigen Wurstscheiben schon seit Jahren in den schottischen Filialen. Aber das war den Helden der Marketingabteilung wohl WURST.

Wunder der Technik

Danke Herr Zennström!

Habe ich mich eigentlich schon einmal bei Ihnen bedankt?

Vielen herzlichen Dank Niklas Zennström!

Was wäre ich ohne Sie. Ohne sie wäre mein Zweitleben im schottischen Hochland nicht möglich. Ohne sie wäre eine Fernbeziehung über gut tausend Meilen und viele Jahre nicht möglich. Ohne Sie wäre mein Abenteuer Highlands schon längst zu Ende. Ohne sie wäre der Mann nur noch eine Erinnerung.

Tusen tack. Tausend Dank an Sie, den Erfinder von Skype.

Abenteuer Highlands Wunder der Technik Fernbeziehung SkypeDer Mann und ich skypen regelmäßig jeden Abend für eine Stunde und nur in Ausnahmefällen einmal zu einer anderen Uhrzeit oder gar nicht. Eine Stunde reden von Angesicht zu Angesicht, über den Tag und alle möglichen Belanglosigkeiten. Das ist mehr Redezeit als in manchen Beziehungen und nur so funktioniert das Fernverhältnis über die Monate der Abwesenheit. Nur mit Emails oder wie früher noch mit Briefen würde das nie und nimmer funktionieren. Skype macht’s möglich. Für uns und für Millionen andere.

Abenteuer Highlands Wunder der Technik Fernbeziehung SkypeMan sieht es in Hotels häufig schon beim Frühstück, dass Menschen mit ihren Lieben (lautstark) skypen. Mag ich total, vor allem, wenn ich noch nicht richtig wach bin. Ich bin immer versucht, den mir wildfremden skypenden Geschäftsreisenden einen leidenschaftlichen Kuss aufzudrücken und „Schatz komm zurück ins Bett!“ zu sagen, während sie mit Frau und Kindern skypen. Man sollte mich am frühen Morgen einfach nicht ärgern.

Der Mann und ich sind stille Skyper, wir sprechen von zu Hause oder aus dem Auto oder dem Hotelzimmer.

Abenteuer Highlands Wunder der Technik Fernbeziehung SkypeManchmal bringe ich etwas Abwechslung in unser Leben und verändere den Hintergrund. Dann setzte ich mich in den Lesesessel oder an den Schreibtisch im Arbeitszimmer oder vor den Kaminofen im Wohnzimmer. Aber meist sitze ich am Esstisch. Oder eben in irgendeinem Hotelzimmer in Russland, Frankreich oder Dortmund. Je nachdem, wohin mich die Arbeit gerade verschlägt. Aber ich denke immer an den Hintergrund, bin eben auch ein Nerd und beim Fernsehen, da macht man sich über so etwas wie den Hintergrund bei einem Interview Gedanken.

Abenteuer Highlands Wunder der Technik Fernbeziehung SkypeDer Mann ist nicht beim Fernsehen und deshalb was seinen Hintergrund angeht deutlich entspannter. Er hat eine Reihe Gitarren an der Wand aber meist ist es so dunkel in seinem Zimmer, dass man außer seinem Gesicht in vagem Dunkel nicht viel sieht. Der Mann ist wie Herr Zennström vom Fach, er versteht also auch die technischen Komponenten von Skype und warum es meist langsam ist. Sein Internet ist allgemein langsam da oben in der Einsamkeit. Ich verstehe vor allem, dass es wichtig ist für uns und unser Leben und die Monate, die wir uns nur auf dem Laptop sehen.

Manche Menschen finden sich übers Internet, der Mann und ich kannten uns schon. Aber wir halten uns übers Internet und leben in einer Beziehung, wie sie vor 20 Jahren noch nicht möglich gewesen wäre. Spannend eigentlich, dass es gerade die technologische Entwicklung ist, die das Leben in einer Fernbeziehung auch in der Einsamkeit der schottischen Highlands möglich macht. Einer Gegend, die so wenig technologisch anmutet, wie man es sich nur vorstellen kann.

Abenteuer Highlands Wunder der Technik Fernbeziehung Skype

 

So gut das auch funktioniert, die gemeinsame Zeit braucht es natürlich schon und die kann keine Technologie ersetzen. Aber wer weiß, vielleicht sieht auch das in 20 Jahren ganz anders aus. Vielleicht schickt man dann einfach seinen Avatar zum gemeinsamen Alltag ins andere Land. Keine Ahnung. ob ich mich damit anfreunden könnte. Kann es echt sein? The real thing?

Mögen Avatare Fleischkäse?

Abenteuer Highlands Wunder der Technik Fernbeziehung Skype