Was macht man in diesem Paradies unberührter Natur? Man geht wandern.
Wandern, wandern, wandern.
Alle tun es. Männer, Frauen, Einheimische, Touristen. Alle.
In die Einsamkeit der gewaltigen Bergwelt eindringen, sie bezwingen, die Stille und die Kraft der Berge in sich aufsaugen. Der Triumph am Gipfel.
Die Cuillins, die Five Sisters, der West Highland Way… man hat die Qual der Wahl.
Jedes Jahr verunglückt eine ziemlich große Zahl Wanderer und Bergsteiger tödlich, sie stürzen von Klippen, werden von Lawinen begraben oder erfrieren mit verstauchtem Knöchel. Oft, weil sie nicht richtig ausgerüstet in die Berge aufbrechen oder sich zu viel zumuten.
Die richtige Ausrüstung. Hah! Da haben wir Deutschen doch ein Händchen für. Wanderkarten, Alpenverein, Westweg, wir können selbstverständlich auch Schottland!
Ich gehe sie Sache also Generalstabsmäßig an: ich recherchiere und packe alles was man braucht in einen Rucksack. Erste Hilfe Päckchen, klar. Notzelt, äh gut. Thermoschlauch, es hat 30 Grad aber seis drum. Kompaß, wo ist nochmal Norden? Ein Messer, ist das zur Verteidigung? Ein Feuerzeug, wo ich nicht mehr rauche und eine Taschenlampe. Und, und, und…
Recherche abgeschlossen, Rucksack gepackt. Es kann los gehen. Ich bin sicher.
Ich konsultiere die Karte, dann den Weg und stelle fest, daß die Schotten das mit der Beschilderung nicht so haben. Wer den Pfad nicht sieht oder fühlt, der hat schlechte Karten. Oder seinen Kompaß nicht im Griff. Äh, ja.
Ich (vorbereitet) kenne den Unterschied zwischen einem Graham (winziger Berg), einem Corbett (kleiner Berg) und einem Munro (ganz großer Berg) und meine Wadenmuskeln kennen ihn auch.
Ich bin ein Profi-Wanderer!
Die Falls of Glomach sind mein Ziel. Ein spektakulärer Wasserfall, der 113 Meter in die Tiefe stürzt. Eine Wanderung über 17 Kilometer, mit 600m Höhenunterschied. Puh. In der Hitzewelle, nur im ersten Drittel von Bäumen geschützt, dann gnadenlos schattenlos offene Fläche. Ein schweißtreibender Anstieg, der nie zu enden scheint. Hat man endlich den höchsten Punkt erreicht (530 Meter), geht es steil bergab zu dem kleinen Fluß, der sich in einen reißenden Wassserfall verwandelt. Man möchte sich hineinwerfen, trinken bis er leer ist. Tauchen und kühlen. Im Fluß, nicht im Wasserfall natürlich.
Der ist überraschender Weise nicht zu sehen. Nur wer sich gefährlich nah an den ungesicherten Abgrund traut, kann einen Blick auf den oberen Teil erhaschen. Der eigentliche Wasserfall bleibt dem müden Wanderer völlig verborgen.
Erschöpft und durstig erreichen wir am frühen Abend wieder unseren Ausgangspunkt. Ohne auch nur eine einzige Untensilie aus meinem Überlebensrucksack gebraucht zu haben. Ich weiß, was da noch reingehört: ein Erfahrungsbericht von der Wanderung.
Denn das nächste Mal wandere ich zu etwas, das ich sehen kann.
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