Hogmanay ist kein Spass. Schliesslich ist Hogmanay der höchste Feiertag, den die Schotten zu bieten haben. Die Bedeutung auf der nationalen Feiertage-Wichtigkeitsskala war immer schon am höchsten. Da kann Weihnachten nicht mal ansatzweise mithalten. Denn ist der Geschenke- und Weihnachtskartenwahn erst mal überstanden und die Papierkronen wieder weggepackt, dann kann man sich umgehend auf die wahrhaft wichtigen Tage im Jahr vorbereiten: auf Hogmanay.
Silvester oder Neujahr, wie man will. Drei Tage Ausnahmezustand im Land und vor allem auf dem Land. In grossen Städten wie Edinburgh, Glasgow oder Stirling krachen wie überall viel Feuerwerk und Böller, dröhnt Entertainment von gigantischen Bühnen mit große Menschenansammlungen davor.
Davon ist man im Hochland weit entfernt. Grosse Menschenansammlungen sind hier schlichtweg auch viel schwerer zu bewerkstelligen. Man findet sich im kleinen Kreis zusammen.
Und die Bräuche sind ganz anders, als i Deutschland.
Keiner stösst hier stilvoll mit Champagner an. Ist teuer, schwer zu bekommen und außerdem – wer hat schon die Gläser für so was im Schrank. Ich streiche also das perlende Festgetränk von einer mentalen Silvesterliste und arrangiere mich mit Bier, Wein und Whisky. Das „was“, ist in diesen drei Tagen nicht so wichtig. Das wieviel ist eher eine Frage, die diskutiert werden will. Im besten Fall heißt die Antwort immer „Viel.“.
Statt Feuerwerk wird an trockenen Jahreswechseln, also solchen mit mäßigem Niederschlag, böigem Wind und leichten Schneeschauern, gerne mal ein Lagerfeuer entfacht. Das ist überall am Strand erlaubt. In Jahren mit feuchten Jahren, also solchen mit Platzregen, Orkanböen und Blitzeis lässt man es meist ausfallen.
Das Feuer knistert und wärmt in der stockdunklen Winternacht, die viel schwärzer ist, als in der Stadt. In der Romantik des Festgeschehens vergisst man gerne, dass der eine Nachbar einen Kanister Diesel über dem alten und feuchten Holz ausgekippt hat, um es zu entzünden und daß der andere Nachbar zwei Altreifen auf dem Silvesterfeuer entsorgt hat. Bedenken über giftige Gase werden mit einer Handbewegung lächelnd weggewischt. Bald ist ohnehin jeder so betrunken, daß er das brennende Gummi gar nicht mehr riecht.
Fällt die Neujahrsnacht im Freien flach, dann ist mit dem Glockenschlag („at the bells)“ die Sunde des grossen, gutaussehenden und gehemnisvollen Fremden gekommen. Er sollte die erste Person sein, die im neuen Jahr die heimische Schwelle überschreitet (“first footing“). Man darf da natürlich auch schummeln und kurz vor zwölf jemand Dunkelhaariges aus der Familie in die Kälte schicken, der dann nach Mitternacht wieder reinkommen darf. Allerdings muß er dann ein paar Kohlen in der Hand haben und die im Haus ins Feuer werfen, das soll Glück und Reichtum bringen. Die Frage, wie das in Haushalten ohne Kaminofen oder Kamin gehandhabt wird, konnte bislang noch nicht zu meiner Zufriedenheit beantwortet werden. Vermutlich werden in den Städten am 1. Januar die Fenstersimse voller Kohlen liegen.
Und zu essen? Unsere Nachbrarin macht eine Art süßen Knödel, den „clootie dumpling“, der unfassbar süß ist und den ganzen Tag in ein Tuch (“clootie“ kommt von „cloth“ also Tuch) eingewickelt im Topf vor sich hinköchelt. Rosinen, Butter und Zucker im Überfluß, gefühlte 5.000 Kalorien das Stück. Danach braucht der Magen dringend einen Whisky womit wir wieder bei dem „viel“ und der Frage sind, was Hogmanay denn nun wirklich ausmacht. Es gibt letstlich nur eine Antwort: viel trinken.
Die Tatsache, dass die Schotten nicht nur vom 31. auf den 1. feiern, sondern bis zum 2. den Jahreswechsel auskosten, die sagt doch alles.