Sneak Preview 6 – Reiseinspirationsbuch Schottland

Spezialitäten aus Angus

Aus Angus sollte man sich nicht verabschieden, ohne mindesten einmal das berühmte und hochklassige Angus Rindfleisch gegessen zu haben. Das haben so gut wie alle Restaurants der Region auf der Speisekarte. Angus ist aber neben Rindfleisch auch berühmt für seinen Fisch.

Nellie Merthe Erkenbach Abenteuer Highlands Angus

Die Arbroath smokies sind dabei ganz besonders begehrt. Dieser geräucherte Schellfisch ist eher ungewöhnlich in Schottland, die Tradition wurde wahrscheinlich aus Skandinavien übernommen. Überhaupt bereichern die Einflüsse anderer Länder die schottische Küche immer mehr. Wer einmal die Meeresfrüchte Paella im wunderbar stimmungsvollen Old Boatyard Restaurant gegessen hat, wird sie garantiert ebenso wenig vergessen, wie den Blick über den kleinen Hafen an der Ostküste Schottlands.

Die Forfar Bridies sind das ideale Streetfood, da war Schottland der Zeit voraus. Die Blätterteigtaschen mit Rinderfüllung (verwendet wird entweder Hackfleisch oder auch Rindfleischstücke, dazu Rindertalg, Zwiebeln und Senf) werden warm und unterwegs gegessen. Eine Maggie Bridie von Glamis soll sie erfunden und auf der Straße verkauft haben. Eine andere Theorie besagt, dass das Fleischgebäck Bridie heißt, weil seine halbrunde Form an ein Hufeisen erinnert, dass man der Braut (bride) bei der Hochzeit als Glücksbringer überreichte. Bridies isst man am besten an einem schönen Sommertag mit Blick auf das kühle Blau der Nordsee. Aber Vorsicht, die Möwen mögen die Bridies auch!

Schottische Wurstempörung

Schottland wird dieser Tage von einem Skandal ungeheuren Ausmaßes erschüttert. Auslöser ist der deutsche Billigdiscounter ALDI. Es geht um die Wurst. Worum auch sonst.

Es gibt ein paar Dinge im schottischen Alltagsleben, die sind anders als man es aus Deutschland kennt: das Bier hat keinen Schaum, die Männer tragen (manchmal) Kilt und die Frühstückswurst ist eckig. Das ist nun mal so und in gewisser Weise auch Teil der schottischen Identität. Der Mensch definiert sich schließlich über die Andersartigkeit in Abgrenzung zu den Nachbarn oder dem Rest der Welt, ungefähr so wie der Schwabe durch die Kehrwoche oder der Bayer die Lederhose. In Schottland ist die eckige Frühstückswurst identitätsstiftend.

Abenteuer Highlands Wurstempörung

Abenteuer Highlands WurstempörungUnd nun kam ALDI diese Woche mit der (angeblich) neuen Idee einer eckigen Wurstscheibe auf den Markt und nannte sie Sausedge. Ein Aufschrei ging durchs Land und vor allem Twitter überschüttete die Möchtegernerfinder aus Deutschland mit Hohn und Spott.

Der #lorne ist die beste Comedy, die es derzeit gibt.

 

Abenteuer Highlands WurstempörungDie square slice für sich zu beanspruchen ist ungefähr so als würde ALDI behaupten, die Mozartkugel, den Müller-Thurgau oder das Wiener Schnitzel erfunden zu haben. Man stelle sich den Aufschrei in Deutschland und Österreich vor.

Die sogenannte „square slice“ (eckige Scheibe) ist so eine Art Rinderhackwurst aus der Form, sie wird angebraten oder gerillt und mit brauner Sauce zum Frühstück gegessen oder in einem Brötchen verkauft. In dem Fall macht ihre eckige Form wenig Sinn, denn die Brötchen sind in der Regel rund. Aber, Tradition ist Tradition und die ist in Schottland eckig, wenn es um die Wurst geht. Und früher hat man in Schottland ja auch meist das plain loaf gegessen und das sind wiederum rechteckige Brotscheiben.

Abenteuer Highlands Wurstempörung

Eigentlich heißt die square slice ja Lorne saussage, enthält Rinderhack, trockenes Brot und Kräuter. Im Prinzip wie unsere Frikadellen nur mit deutlich weniger Eigengeschmack. Man isst sie seit unzähligen Generationen in Schottland und auch wen sie nicht aus der Region Lorne kommt, wie der Name vermuten lässt, so ist sie doch ganz und gar typisch schottisch. Bei einem englischen Frühstück bekommt man sie nicht serviert.

Abenteuer Highlands Wurstempörung

Der Gipfel der Ironie dieser missglückten Marketingaktion: ALDI verkauft die eckigen Wurstscheiben schon seit Jahren in den schottischen Filialen. Aber das war den Helden der Marketingabteilung wohl WURST.

Knie, Post und Erbsen

Liebe Nellie,

Ich hörte von unserem Freund John die Post, dass Du Dein Knie verletzt hast. Es tut mir sehr leid und ich wünsche Dir eine rasche Genesung…..

 

Nellie Merthe Erkenbach Abenteuer Highlands Knie Post ErbsenWas für eine Email-Überraschung am Morgen. Die guten Wünsche kamen von einem der anderen Deutschen oben in den Highlands, der ein paar Meilen entfernt wohnt und die Mailadresse aus meinem Buch entnommen hatte. Und natürlich hatte John wieder dafür gesorgt, dass die richtigen Menschen Bescheid wussten. Gehört hatte John die Post meine Knie-Geschichte vom Mann und nun bekam ich, wieder zurück im Schwarzwald und rund 1800 km von den Highlands entfernt Post. Wer so einen Postboten hat, der braucht eigentlich weder Facebook noch Instagram.

Ich bin mir sicher mein Knie und das Für und Wider einer Operation wurden am Loch ausführlichst diskutiert. Und das ohne mich!!!

Ich frage mich wie es wäre, wenn ich nun Voll- und nicht nur Teilzeitschottin wäre. Ich hätte Anspruch auf eine kostenlose OP und Nachsorge aber ich müsste lange darauf warten. Und ich könnte mir auch nicht aussuchen, in welcher Klinik ich mich operieren lassen möchte. Das Nationale Gesundheitssystem (NHS) ist eine großartige Sache aber wenn ich ehrlich bin ziehe ich es vor, in Deutschland Privatpatientin zu sein.

Nellie Merthe Erkenbach Abenteuer Highlands Knie Post Erbsen

Nun sitze ich also im Schwarzwald, kühle das Knie mit einer Gelmanschette und warte auf meinen OP-Termin. Statt zu arbeiten verbringe ich meine Zeit zu Hause und denke mich nach Schottland. Jetzt blühen die Krokusse und die Osterglocken an der Straße, mit Glück gibt es ein paar Sonnentage, der Winter lässt nicht so schnell los, wie in Deutschland. Fast ist mir, als könne ich die salzige Meerluft riechen.

Nellie Merthe Erkenbach Abenteuer Highlands Knie Post Erbsen

Der Mann hat den Krümel (das Enkelkind) getroffen, er saß bei seiner Mutter im Auto. Statt einer Begrüßung warf der Krümel ihm ein aufgeregtes: „Nellie’s Knie tut weh!“  entgegen. Der Kleine weiß wie das ist, wenn einem das Knie weh tut, in seinem Alter fällt man ständig drauf. Dann bekommt man Erbsen und alles ist wieder gut. Tiefgefroren, wegen der Kühlung. Statt Gelmanschetten.

Put peas on it. ist ein gängiger Ausdruck. Mach Erbsen drauf. Was so Einiges darüber aussagt über die Gemüsevielfalt in schottischen Gefriertruhen aber das nur so nebenbei, wie waren ja beim Knie und dem entsetzten Krümel.

Statt mit weisem großväterlichem Gleichmut dem Zweijährigen Trost zu spenden, sitzt dem Mann mal wieder der schottische Schalk im Nacken.

„Klar!“ Sagt er und fügt mit ernstem Blick hinzu: „Ich hab ihr dagegen getreten.“

Hilflos vor so viel großväterlicher Grausamkeit senkt der Krümel beschämt den Blick. Highland Humor versteht er noch nicht. Er ist erst zwei und mag mich.

“Haha, Ich mach nur Spaß!” ruft er Mann und bringt damit die traurigen Kinderaugen wieder zum Lachen. Und mich am Abend, als er mir auf Skype davon erzählt.

Ich überlege, ob ich die Gelmanschette beiseite lege und Erbsen kaufe. Tiefgefroren.  Einfach mal so. Aus Heimweh!

 

 

 

Wunder der Technik

Danke Herr Zennström!

Habe ich mich eigentlich schon einmal bei Ihnen bedankt?

Vielen herzlichen Dank Niklas Zennström!

Was wäre ich ohne Sie. Ohne sie wäre mein Zweitleben im schottischen Hochland nicht möglich. Ohne sie wäre eine Fernbeziehung über gut tausend Meilen und viele Jahre nicht möglich. Ohne Sie wäre mein Abenteuer Highlands schon längst zu Ende. Ohne sie wäre der Mann nur noch eine Erinnerung.

Tusen tack. Tausend Dank an Sie, den Erfinder von Skype.

Abenteuer Highlands Wunder der Technik Fernbeziehung SkypeDer Mann und ich skypen regelmäßig jeden Abend für eine Stunde und nur in Ausnahmefällen einmal zu einer anderen Uhrzeit oder gar nicht. Eine Stunde reden von Angesicht zu Angesicht, über den Tag und alle möglichen Belanglosigkeiten. Das ist mehr Redezeit als in manchen Beziehungen und nur so funktioniert das Fernverhältnis über die Monate der Abwesenheit. Nur mit Emails oder wie früher noch mit Briefen würde das nie und nimmer funktionieren. Skype macht’s möglich. Für uns und für Millionen andere.

Abenteuer Highlands Wunder der Technik Fernbeziehung SkypeMan sieht es in Hotels häufig schon beim Frühstück, dass Menschen mit ihren Lieben (lautstark) skypen. Mag ich total, vor allem, wenn ich noch nicht richtig wach bin. Ich bin immer versucht, den mir wildfremden skypenden Geschäftsreisenden einen leidenschaftlichen Kuss aufzudrücken und „Schatz komm zurück ins Bett!“ zu sagen, während sie mit Frau und Kindern skypen. Man sollte mich am frühen Morgen einfach nicht ärgern.

Der Mann und ich sind stille Skyper, wir sprechen von zu Hause oder aus dem Auto oder dem Hotelzimmer.

Abenteuer Highlands Wunder der Technik Fernbeziehung SkypeManchmal bringe ich etwas Abwechslung in unser Leben und verändere den Hintergrund. Dann setzte ich mich in den Lesesessel oder an den Schreibtisch im Arbeitszimmer oder vor den Kaminofen im Wohnzimmer. Aber meist sitze ich am Esstisch. Oder eben in irgendeinem Hotelzimmer in Russland, Frankreich oder Dortmund. Je nachdem, wohin mich die Arbeit gerade verschlägt. Aber ich denke immer an den Hintergrund, bin eben auch ein Nerd und beim Fernsehen, da macht man sich über so etwas wie den Hintergrund bei einem Interview Gedanken.

Abenteuer Highlands Wunder der Technik Fernbeziehung SkypeDer Mann ist nicht beim Fernsehen und deshalb was seinen Hintergrund angeht deutlich entspannter. Er hat eine Reihe Gitarren an der Wand aber meist ist es so dunkel in seinem Zimmer, dass man außer seinem Gesicht in vagem Dunkel nicht viel sieht. Der Mann ist wie Herr Zennström vom Fach, er versteht also auch die technischen Komponenten von Skype und warum es meist langsam ist. Sein Internet ist allgemein langsam da oben in der Einsamkeit. Ich verstehe vor allem, dass es wichtig ist für uns und unser Leben und die Monate, die wir uns nur auf dem Laptop sehen.

Manche Menschen finden sich übers Internet, der Mann und ich kannten uns schon. Aber wir halten uns übers Internet und leben in einer Beziehung, wie sie vor 20 Jahren noch nicht möglich gewesen wäre. Spannend eigentlich, dass es gerade die technologische Entwicklung ist, die das Leben in einer Fernbeziehung auch in der Einsamkeit der schottischen Highlands möglich macht. Einer Gegend, die so wenig technologisch anmutet, wie man es sich nur vorstellen kann.

Abenteuer Highlands Wunder der Technik Fernbeziehung Skype

 

So gut das auch funktioniert, die gemeinsame Zeit braucht es natürlich schon und die kann keine Technologie ersetzen. Aber wer weiß, vielleicht sieht auch das in 20 Jahren ganz anders aus. Vielleicht schickt man dann einfach seinen Avatar zum gemeinsamen Alltag ins andere Land. Keine Ahnung. ob ich mich damit anfreunden könnte. Kann es echt sein? The real thing?

Mögen Avatare Fleischkäse?

Abenteuer Highlands Wunder der Technik Fernbeziehung Skype

 

 

Caféshopping – ein Winterausflug nach Gairloch

Es war in diesem Januar einfach kein Ausflugswetter in den Highlands. Entweder es war trüb und regnerisch oder stürmisch oder wir hatten Eis. Heute aber sollte es ein schöner Tag werden und nach Minustemperaturen über Nacht am Morgen schnell aufwärmen. Das war der Tag.

Abenteuer Highlands Caféshipping Winterausflug Gairloch

Der Mann musste beruflich nach Gairloch. Schon letzte Woche eigentlich. Es war der erste Tag mit richtigen Schneefällen in diesem Jahr und die Straßen sahen alles andere als sicher aus aber wir wollte es dennoch wagen. Wir, weil ich in Gairloch den Friedhof fotografieren wollte und er, weil er dort arbeiten musste.

Nach  Minuten in einem Mitsubishi Outlander (geländegängiges Farmerauto) mit Vierradantrieb (cool) aber Sommerreifen (uncool aber Dienstwagen und deshalb eben nicht änderbar) beschlossen wir, wieder aufzugeben und umzukehren, am ersten Berg schwammen wir bereits bedenklich auf der geschlossenen Schneedecke. Der Winterdienst war weit und breit nicht in Sicht. Wie sich später herausstellen sollte – der eine von insgesamt zwei Schneepflügen in der Gegend hing im Graben, der andere kam mit räumen und streuen nicht hinterher.

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Heute also der zweite Versuch und dieses Mal hat der Mann Vorsorge getroffen. Fast schon Deutsch irgendwie. Er hat mit den Jungs vom Strassenkommando gesprochen und der Chef hat ihm zugesagt, dass unsere Strecke am Morgen geräumt sein würde. Zumindest bis Kinlochewe. Danach ist eine andere Dienststelle zuständig. Ein Wagnis aber wir waren durchaus mutig gestimmt. Und es versprach ein schöner Tag zu werden, sobald die Sonne aufgegangen war. Die Straßen waren ok, teilweise schneebedeckt aber überall war gestreut worden, es löste sich mit zunehmendem Verkehr  auf.

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Der Mann ließ mich am Friedhof etwa eine Meile außerhalb von Gairloch aussteigen und ich war erst mal beschäftigt. Ein fantastisches Licht und dunkle Schneewolken über der See gaben der ganzen Szenerie etwas Magisches.

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Nach einer Weile setzte dann aber mehr Schneefall ein (war im Wetterbericht überhaupt nicht angekündigt) und ich machte mich mit kalten Füßen auf in Richtung Ortszentrum, irgendwo würde ein Café auf haben. Und ich hatte recht. Das GALE community centre, ein von den Einwohnern in und um Gairloch gebautes und betriebenes Café mit allem, was man so braucht und noch viel mehr.

Abenteuer Highlands Caféshipping Winterausflug GairlochHier kann man Unterkünfte buchen, wunderbare Mitbringsel kaufen, die Strickwaren der Frauen aus Gairloch studieren, die Werke der Künstlerinnen und Künstler hier bewundern oder einfach am Kaminfeuer sitzen und einen Café Latte trinken.

Zeit ein wenig mit der jungen Frau plauschen, die hier Dienst hat. Außer mir ist keiner da aber gibt man mir ein Sofa, Internet, Kaffee bis zum abwinken und einen Kaminofen samt Shop dann gibt es nicht mehr viel im Leben, was ich mir sonst noch wünsche. Allerdings wird der Stapel von Dingen, die ich einkaufe neben mir immer größer: Duftkerze, Kalender, Tasse, Tweedkram, Strickmütze.… Alles zu vernünftigen Preisen, nicht billig aber auch keine Touristenpreise. Nicht um diese Jahreszeit.

Ich zücke das iPad und beginne zu schreiben. Auch um mich von übermäßigem Shoppinggenuß abzuhalten. Nach einer Weile des Nachdenkens über einen grobmaschigen graublauen Strickpullover aus recycelter Baumwolle für 50 Pfund (Handwäsche erforderlich) kommen die ersten Einheimischen. Eine Frau in Designergummistiefeln und ebensolcher Winterjacke bringt die Suppe, die hier zu Mittag verkauft wird. Kurzer Plausch mit der Frau hinter der Theke, sie lebt wohl hier aber ist ganz offensichtlich nicht von hier. Ihrem Akzent nach zu urteilen kommt sie aus Südengland. Eine grauhaarige Frau betritt frisch und fröhlich das Gemeindezentrum, in ihrem Schlepptau ein junger Mann mit Down Syndrom. Sie setzten sich an einen Tisch und arbeiten etwas. Hier wird also einfach Zeit verbracht, gerne auch gemeinsam. Wie wunderbar schottisch!

Ich genieße meine kleine Beobachtungsecke am Kamin und bestelle noch einen Kaffee. Draußen wechselt das Wetter von intensiver Sonne vor schwarzblauem Himmel zu graunebligem Dauerschneeregen. Laut Wetterbericht heute erst am Abend Niederschlag. Von wegen!

Die grauhaarige Frau putzt jetzt Fenster. Der junge Mann, vermutlich ihr Sohn, folgt ihr überall hin. Ich werde ihm ein freundliches Lächeln zu aber er schaut scheu zur Seite. Nach einer Weile stelle ich fest, dass er auch mit seiner Mutter nicht spricht. Vielleicht kann er nicht. Ich lächle jedenfalls weiter.

Die Kaffeemenge zwingt mich bald auf die Toilette, mit richtigen kleinen Handtüchern zum luxuriösen Händetrocknen. Dieses Gemeindezentrum hat Stil und es ist bei weitem nicht das einzige in den Highlands. Auf der Halbinsel Sleat aus der Insel Skye gibt es auch ein wunderbares, An Crùbh, sehr stylisch und cool, zweimal die Woche mit frisch gebackenen Brot aus Mallaig, das kommt mit der Fähre. Gerade in Orten, in denen sonst nicht viel ist, sind solche Eigeninitiativen besonders wertvoll.

Die Bedienung kommt und legt mehr Holzbriketts auf. Ich habe so langsam Saunagefühle, heute Morgen hatte ich noch Eiszehen. Also reden wir über das Wetter, das ist immer ein guter Anfang. Sie erzählt, dass sie drei Kinder hat, eins im Kindergarten, eins in der Grundschule und eins in der weiterführenden Schule. Der Mann ist nach Inverness gegangen. Nun ist sie alleinerziehend und arbeitet in der GALE Regionalinitiative. Zu Hause sagt sie, ist es nicht so warm. Die Häuser sind oft feucht und nur schwer zu heizen. Wie bei uns ist auch hier das Meer der große Feuchtigkeitsspender.

Der Mann schreibt, dass er so schnell nicht wegkommt und voraussichtlich noch eine ganze Weile zu tun hat. Ich lächle beglückt und überlege, ob ich nicht doch noch einen Strickschal und eine Teekanne brauche. Oder ein Bild? www.lisafenton.co.ukIch glaube schon….

Draußen zieht sich der Schnee zum Horizont zurück, schwere Wolkenschwaden drücken dunkel auf silberne Meer. Die Sonne gibt ein kurzes Gastspiel.

Ich durchforste das kleine Bücherregal neben dem Kaminofen. Man kann auch einfach hier hinsetzen und lesen. Wunderbar. Natürlich bin ich mit meinem Kindle eigentlich bestens versorgt aber wer kann schon einem unbekannten Bücherregal widerstehen? Ich jedenfalls nicht! Nach genauerem, Nachforschen stelle ich fest es ist ein Frauenromantik Regal und deshalb nicht so ganz meins. Danielle Steele und ich werden wohl keine Freundinnen mehr. Da schreibe ich lieber weiter diesen Blogpost während ich auf den Mann warte.

Drüben bastelt der junge Mann was, in der Küche wird Gemüse geschnitten. Es ist einfach hier ein Gefühl von Gemeinschaft zu entwickeln, auch wenn man fremd ist. Nun sind zwei ältere Damen eingetroffen, ganz offensichtlich von hier. Sie bestellen Suppe und setzen sich an den Tisch nebenan. Sie unterhalten sich über Bitcoins. Wahrscheinlich stricken sie auch.

Ich überlege auf Tee umzusteigen. Meine Magengeschichte im Sommer hängt mir immer noch ein wenig nach. Im Büro im hinteren Teil sind mehrere Frauen zu hören. Die arbeiten im Hintergrund. Wahrscheinlich irgendwas Verwaltungstechnisches. Ich sitze nun schon über zwei Stunden auf meinen Sofa und beobachte das Leben während ich zeitgleich darüber schreibe. Spannend.

Abenteuer Highlands Caféshipping Winterausflug Gairloch

Gegen zwei Uhr kommt Hunger auf. Suppe des Tages: Tomate und Süßkartoffel mit selbst gebackenem Brot. Wunderbar. Inzwischen hat die Sonne beschlossen, sich doch noch einmal heraus zu wagen und scheint mir von hinten so warm durch die Scheibe in den Rücken, dass ich den Strickpullover ausziehen muss.

Nach der Suppe überlege ich Nachtisch. Die süßen Teile sind mit Herkunftsbezeichnung versehen. Die Flapjacks sind von Marie, Lisa hat Millionair’s Shortbread und Mandelschnitten gebacken, Annie zeichnet für den Karottenkuchen verantwortlich. Ich sehe sie bildlich vor mir aber ich mag mich auch täuschen.

Dann geht die Tür auf und der Mann ist da. Heimfahrt.

Ich nehme den Korb mit meinen Einkäufen und gehe zu Kasse. Der Mann schaut leicht entgeistert aber weitgehend amüsiert, die Rechnung ist nicht gerade klein. Trotzdem werfe ich zwei Pfund für die Nutzung des Internets in das Spendenkässchen. Cafés wie dieses muss man unterstützen. Je mehr es gibt, desto öfter kann ich den Mann auf Dienstreise begleiten. Und das hat sich heute wirklich gelohnt.

 

 

 

 

von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang

Es war mal wieder soweit- der lange Einkaufstag stand an. Nach der Bestandsaufnahme in der Küche galt es, den richtigen Tag auszuwählen (nicht zu schön, der wäre mit einkaufen verschwendet) aber auch nicht zu schlecht (das kann in den Bergen unangenehm werden), damit man auch wieder nach Hause kommt mit all den Einkäufen.

Morgengrauen Schottland Nellie Merthe Erkenbach Abenteuer Highlands

Großeinkauf ist Großkampftag aber wer so abgelegen wohnt, der muss eben viel und vor allem durchdacht einkaufen. Ich habe einen Plan, ich habe ein Auto und pünktlich um neun Uhr starte ich die Operation. Die Sonne ist gerade dabei aufzugehen, am Strand schwappen die Wellen über den angespülten Seetang. Die Flut hat gerade eingesetzt. Der Graureiher fliegt empört auf, als ich die Autotür schließe, seinen krächzenden Protest kann ich noch über dem Geräusch des Motors hören. Links fahren sage ich mir, bin ja gerade erst wieder aus Deutschland zurück in Schottland. Müsste ich aber gar nicht. Die Umstellung auf Linksverkehr läuft bei mir unbewusst und zuverlässig. Es wird keine problematische Fahrt werden, wir haben 8°C und von Schnee oder Glätte keine Spur.

Wintergrau Schottland Nellie Merthe Erkenbach Abenteuer Highlands

Das ist auch gut so, denn es kann manchmal bis 11 Uhr dauern, bevor hier mal der Streuwagen vorbei kommt. Wir haben keine Winterreifen auf dem Auto, ist hier nicht üblich. Für jemanden, der aus dem Schwarzwald kommt nicht wirklich verständlich. Zumal unsere Streudienste im Schwarzwald schneller arbeiten als die hier, dazu ist ihr Gebiet einfach zu groß.

Ich fahre also der Sonne entgegen und weiß, ich habe 6 Stunden, dann geht sie wieder unter. Dann wäre ich eigentlich gerne wieder zurück, denn in der Abenddämmerung kommt das Rotwild gerne an die Straße und Vollbremsungen sind mit einem Auto voller Lebensmittel keine gute Idee. Auch ohne Glatteis.

Knappe zwei Stunden später bin ich in Fort William, erste Station: Poundstretcher, ein Billigladen mit allerlei Ramsch aber eben auch große Säcken Erdnüsse und Kartons mit Meisenknödeln und Katzenfutter. Das schleppe ich zuerst ins Auto, die Basis ist gelegt und unser Fenstersimszoo muss nicht hungern. Um diese Jahreszeit haben der Dachs, die Marder, die wilde Katze und die unzähligen Vögel extremen Hunger.

Dieser Trip ist ja nun schon eine jahrelange Gewohnheit für mich, die Vorräte stocke ich immer auf, wenn ich nach Schottland komme, im Sommer wie im Winter. Neben den essentials, den absolut notwendigen Dingen wie Butter, Milch, Mehl, Käse usw. brauche ich ja auch Dinge, die dem Mann nicht ganz so schlüssig sind wie Kosmetiktücher, Backpulver oder Paellagewürz.

Mein nächster Stopp: LIDL. Es gibt seit kurzem zwar auch einen ALDI hier aber beim LIDL weiß ich, wo alles steht, deshalb bleibe ich aus alter Gewohnheit. Kurz vor dem großen Kreisverkehr wird die Straße vierspurig, zwei Fahrbahnen in jede Richtung, getrennt durch einen Zaun. Hier herrscht Schnellstraßenverkehr. Eigentlich, denn auf der Überholspur gegenüber bummelt ein chinesisches Urlauberpaar Arm in Arm mit Fotoapparat und genießt Schottland. Auf der zweispurigen Straße. Ich komme vor Lachen fast nicht um den Kreisverkehr, schaffe es aber bei der Tankstelle rauszufahren und zu tanken. Benzin ist in Fort William manchmal bis zu 10 Cent billiger als zu Hause bei uns.

Weiter mit LIDL für alle Grundnahrungsmittel. Dann habe ich mir eine Pause verdient. Ich hatte noch kein Frühstück und es ist Mittagszeit. Also hole ich mir einen Latte Macchiato bei MacDonalds und genieße das Schokocroissant, das sie im LIDL heute Morgen frisch gebacken haben. Yummie. Lecker.

Schuhgeschäft Schottland Nellie Merthe Erkenbach Abenteuer Highlands Derart französisch gestärkt bin ich bereit für den winter sale, den Winterschlussverkauf. Ich lasse den Wagen stehen und mache mich auf in die Fußgängerzone und erstehe in einem der Sportgeschäfte Wanderschuhe für 27 Pfund 99. Wanderschuhe sind schließlich hier die Schuhe, die ich am meisten trage neben Gummistiefeln. Heute allerdings nicht, ich bin ja Shoppingtour, da war ein bisschen stylen schon angesagt.

Viele der älteren Damen sind hier sehr adrett und proper unterwegs, wenn sie einkaufen gehen, Halstüchlein, Haare gemacht, das volle Programm. Ihre Ehemänner tragen Sakko und die Verantwortung. Die Touristen erkennt man an der Funktionskleidung und den Vollkornnudeln, die Landbevölkerung wie die Fischer an den Gummistiefeln.

Ich bin inzwischen in großen Supermarkt angekommen, wo es Fleisch, Gesichtswasser und Milchtöpfe gibt. Bei den Tiefkühlpizzen rempelt mich aus Versehen eine Einheimische an. Sie murmelt eine Entschuldigung und schlurft weiter. Sie trägt die Haare im off-bed-look und eine lange schwarze Daunenjacke, rosa Schlafanzughosen, weiße Socken und lila Crocs. Ich schätze die Haare sind nicht nur Look! Ich lächle sie an, murmle eine Antwort und freue mich. Ich habe bei den LIDL Sonderangeboten einen Flanellschlafanzug für kalte Winternächte mitgenommen. Da hab ich jetzt auch was zum Anziehen, für meine nächste Einkaufstour.

Nellie Merthe Erkenbach Abenteuer Highlands

 

 

 

 

 

 

Extrawurst

Abenteuer Highlands Nellie Merthe Erkenbach ExtrawurstIch habe in den letzten Wochen darüber berichtet wie es ist, mit dem Highlander in Europa unterwegs zu sein. Wir haben die Rollen getauscht. Nun bin ich zu Hause und er hat ein Abenteuer nach dem anderen, jetzt geht es ihm ein bisschen wie mir in meinen Anfangsjahren in den Highlands.

Abenteuer Highlands Nellie Merthe Erkenbach ExtrawurstDer Mann besucht mich regelmäßig. Wir führen seit Jahren eine funktionierende Fernbeziehung, ich verbringe 1 Monat im Winter und 2-3 Monate im Sommer bei ihm und er besucht mich in der Regel für 14 Tage im Schwarzwald.

Sein Job erlaubt ihm nicht viel mehr, Ich kann Monate durcharbeiten und dann auch Monate frei bzw. Wochenende machen.

Auf dem Kontinent sind viele Dinge anders, als er es gewohnt ist. Das meiste findet er wunderbar, allem voran den örtlichen Metzger und die Aufschnitt Theke. In Schottland kennt er abgepackt gekochten Schinken, Chorizo und Corned Beef in der Dose. Im Schwarzwald erlebt er den Wurst Overkill und steht ganz beseelt vor so viel Wurstglück im Metzger, unfähig sich zu entscheiden, ein bisschen wie ein kleines Kind vor dem Adventskalender:

  1. Dezember Lyoner
  2. Dezember Bierwurst
  3. Dezember Mettwurst
  4. Dezember Salami

Nwellie Merthe Erkenbach Abenteuer Highlands ExtrawurstSein Highlight aber ist ohne Zweifel eine Scheibe heißer Fleischkäse im Brötchen, das kann er genauso wie Extrawurst auf Deutsch sagen. Sonst hat er es nicht so mit dem Deutsch lernen.

Beim Bäcker geht es ihm ähnlich, so viel verschiedene Brotsorten, gewohnt ist er plain loaf und die viereckigen Scheiben Labberbrot, mit dem man Sandwiches macht. Oder die ähnlich weichen Brötchen. Knusprig und bissfest sind ihm gänzlich fremde Vokabel, wenn es um Brot geht, eine Schwarzwälder Bäckerei treibt ihn an den Rand der Fassungslosigkeit.

Und den Kuchen gibt es nicht in Plastik verpackt aus der Kühltheke, sondern ganz und rund und in voller frischer Pracht beim Konditor.

Deshalb ist der Schwarzwald seine Kirsche auf der Torte. Und der Fleischkäseweck sein erklärtes Lieblingsfrühstück.

Abenteuer Highlands Nellie Merthe Erkenbach Extrawurst

Wir sind auf einem Ausflug in Hohenlohische, genießen Sonne, Burgen und idyllische Städtchen. Und natürlich Abendessen, landestypisch.

Nellie Merthe Erkenbach Abenteuer Highlands ExtrawurstWas ihm schwer fällt zu verstehen, ist das deutsche Bedürfnis zu allem seinen Salat dazu zu reichen. Vom Salatblatt im Lyonerweck bis hin zum Beilagensalat fürs Brauerschnitztel. Warum das gute Schnitzel mit so viel seltsamem Zeug belasten, wenn man es auch einfach pur oder mit Pommes essen kann? Ich erkläre ihm, dass ein SchniPoSa ohne Salat nur ein SchniPo wäre und damit mindestens ein Drittel seines Charmes einbüßt. Sieht der Schotte offensichtlich anders, während er den Beilagensalat auf meine Tischseite schiebt. Wahrscheinlich aus Angst, er könnte ansteckend sein. Nur die Ecke mit dem Kartoffelsalat ist angegessen, der Rest ist unberührt.

„Du solltest wirklich mehr Saat essen.“ sage ich.

„Ok.“ sagt der Mann ergeben und schaut grinsend in mein nun verwundertes Gesicht.

„Dann essen wir Morgen Wurstsalat.“

Nellie Merthe Erkenabch Abenteuer Highlands Extrawurst

 

 

Italienische Reise Teil 1             

Der Masterplan, Hannibal und der Tunnel

Zwei Dinge sind Gift für jegliches Abenteuergefühl: Zeit und Gewohnheit. Abenteuer erfordern Geschwindigkeit, Überraschendes, Neues.

Mein Leben in Schottland hat nun, nach vielen Jahren viel Zeit und Gewohnheit angenommen und fühlt sich meist nicht mehr an wie ein Abenteuer, mehr wie ein ungewöhnliches Zweitleben. Vielleicht habe ich deshalb in den letzten Jahren immer weniger für diesen Blog geschrieben. Aus Abenteuer Highlands war Alltag Highlands geworden, nicht weniger schön und bereichernd aber eben weniger Abenteuer. Das Leben bleibt nun mal nicht immer gleich, man merkt es meist nur etwas zeitversetzt, dass es sich geändert hat.

Und da grübelte ich nun über Sinn und Zukunft von Abenteuer Highlands bis mir klar wurde, dass Abenteuer nicht auf meiner Seite der Beziehung gelebt werden, sondern auf der anderen, der schottischen Seite. Aus Abenteuer Highlands wurde der Abenteurer aus den Highlands.

Glenelg ferry

Der Mann und ich leben nun schon seit vielen Jahren in dieser 1000 Meilen Fernbeziehung.  Gut drei Monate im Jahr verbringe ich bei ihm in Schottland, den Rest des Jahres lebe ich in Deutschland, arbeiten und Geld verdienen. Da kommt mich der Mann meist einmal im Jahr besuchen, für zwei bis drei Wochen. Und dann ist wieder Zeit für Abenteuer, wenn der Highlander aus Raum und Zeit gerissen existieren muss.

WürttembergPlötzlich ist er der Fisch auf dem Trockenen. Viel mehr noch, als ich es in den Highlands je war. Denn was die meisten Schotten auszeichnet ist die Tatsache, dass sie sehr in ihrem Land und ihrem Schottischsein verwurzelt sind und das Leben immer zuerst wenn nicht gar ausschließlich von einem schottischen Blickwinkel aus sehen, zum Beispiel Italien.

Früher war Italien eines meiner Lieblingsreiseländer, die Sommer meiner Kindheit habe ich an Adriastränden zugebracht, viele Sommer meines Erwachsenenlebens in der Toskana oder am Gardasee und meine Motorradurlaube am Lago Maggiore. Wein, italienische Küche, Schuhe, Handtaschen, dolce far niente – Italien war (da war ich ganz Tedesca) ultimatives Urlaubsland. Der Mann aber war nie in seinem Leben in Italien, er kennt Italiener aus Mafiafilmen oder Glasgower Chipshops und für ihn ist italienisches Essen meat feast pizza und verkochte macaroni and cheese, weswegen er auch eine strikte Nudelaversion entwickelt hat.

Ich sehe Entwicklungspotenzial und plane einen Coup: Ich werde ihm das Italien zeigen, das er nicht kennt, das Lebensgefühl von Essen im Freien, schönem Wetter und lauen Nächten mit kühlem Wein; unschottisch italienisch, al dente eben. Er wird es lieben. Er muss einfach.

Der Mann hat die ersten zwei Oktoberwochen Urlaub und fliegt zu mir. Das hat er geplant. Ich aber habe den Masterplan. Ich hole ihn vom Flughafen ab, mit gepackten Koffern und fahre mit ihm direkt nach Italien, genauer gesagt nach Turin. Da war ich in der Tat selbst noch nie aber wollte immer schon mal hin und Piemont im Herbst – was kann es besseres geben? Ich sehe Spaghetti mit frischen Trüffeln, herrliche Weine, Käse und sanfte Nächte im historischen Stadtzentrum dieser prachtvollen Stadt. Dann kann er nicht anders als Italien zu lieben. Es wird ihm gar nichts anderes übrigbleiben.

Von Turin habe ich ihm in den Wochen vor der Überraschung natürlich kein Sterbenswörtchen erzählt. Er wusste, wir verreisen aber das wahre Ziel blieb im Dunkeln. Statt Turin erzählte ich ihm unser Ziel sei Gelsenkirchen. Sorry liebe Gelsenkirchener aber ich suchte einen deutschen Ortsnamen, dessen Klang wenig Anziehungskraft ausstrahlt. Der Mann hat ja Sinn für Humor und kennt Schalke, er wusste, dass ich ihn auf den Arm nehme. Ich hätte auch Castrop-Rauxel sagen können.

Mein Masterplan sah die komplette Ahnungslosigkeit bis hin zum letzten Moment vor und er hatte tatsächlich keine Ahnung. In der Zwischenzeit hatte ich bei Amazon einen Reiseführer bestellt und ihn zu ihm nach Schottland schicken lassen. Er war gewarnt, die Sendung nicht vor der Abreise zu öffnen, das Buch aber auf die Reise mitzunehmen. Ich dachte mir, er könne es dann auf dem Flug durchblättern und sich Ideen und Eindrücke holen, was er denn gerne sehen würde. Schließlich ist es einer der größten Schwierigkeiten überhaupt aus dem Mann herauszubekommen, was er möchte. Ein Buch, so dachte ich würde es einfacher machen. Ich hatte mich gegen einen reinen Turin-Reiseführer und für Italian Riviera & Piemonte entschieden.

Und so packte ich ihn ein sobald er aus dem Flugzeug gestiegen war und fuhr mit ihm der Sonne entgegen. Der 1. Oktober wer seit langem mal wieder ein trüber und regnerischer Tag und die Fahrt durch die Schweiz hatte wenig erbauliches, das Alpenpanorama versteckte sich hinter grauen Wolkenmassen, der Verkehr war dicht und der Mann müde. Ich ließ ihn schlafen und träumte von Italien. Die Strecke führte uns von Basel über Bern und den Großen Sankt Bernhard nach Italien. Ich hatte ja ein Navi und jede Menge belegte Brötchen vom heimischen Bäcker dabei, war also faktisch besser ausgerüstet als Hannibal mit seinen Elefanten. Der hatte ja auch Probleme mit dem Schnee und ich war mir sicher, dass ich die nicht haben würde. Ich wollte ja den Tunnel nehmen.

Aber langsam wurde es immer kälter und der Regen immer kristalliger. Wir waren schon auf 1.500 Metern und noch immer war weit und breit kein Tunnel in Sicht.

Ich wecke den Mann (er ist die Nacht durch die Highlands nach Edinburgh zum Flughafen gefahren und dementsprechend ziemlich fertig), wohl wissend, dass auch Hannibal höllisch Probleme hatte mit seinen rutschenden Elefanten auf Neuschnee. Meine Niederquerschnittsreifen sind Sommerreifen also sowas wie Elefanten bei Neuschnee.

©derMann

„Wie weit ist es noch bis zum Tunnel?“ frage ich, wir sind auf 1.600 Meter und haben Schneeregen. Im Navi ist es leider nicht zu erkennen, wann endlich der Tunnel kommt.

„Keine Ahnung!“ sagt der Mann verschlafen und versucht sich zu sortieren.

©derMann„Schau doch mal auf Google Maps.“ organisiere ich ihn aber das dauert, in den Highlands ist eh nie Empfang, da fingert man nicht auf dem Telefon rum beim Fahren. Er ist also nicht wirklich im Training. Während er also so müde wie erfolglos auf seinem Display rumtippt, kommen wir immer höher und höher und es wird von Minute zu Minute kälter: 3°, 2°, 1,5°, das Auto blinkt Frostwarnungen.

1.700 Meter.

„Wann kommt endlich dieser … Tunnel?“

Die Straße hat Gott sei Dank eine Überdachung bekommen und ist auf der rechten Seite offen, links sieht sie schon aus wie ein Tunnel. Der Schnee fällt dicht und schnell.

1.750 Meter. Dann kommt der Tunnel. Endlich. Muss wohl so eine Art Gipfeltunnel sein, denn der Pass ist nur ein paar Kilometer weiter. Wir nehmen den Tunnel, keine Frage mit diesen Reifen. Am kleinen Sankt Bernhard sollen sie ja mal ein Elefantenskelett gefunden haben. Da wollen wir den Archäologen am Großen Sankt Bernhard keinen schottisch-germanischen Skelettfund bieten.

©derMannZweiundvierzig Euro. Einfache Strecke. Ohne Elefant, nur ein Mittelklassewagen mit zwei Personen. Großer Sankt Bernhard, großer Preis aber was soll’s: großes Abenteuer. Als wir auf der anderen Seite wieder gen Licht und in die Wärme fahren, ist hinter uns der ganze Berg weiß.

Geschafft! Wir haben die Alpen überquert. Das Abenteuer Italien hat begonnen.

 

Demnächst:    Teil 2   Wo genau sind wir eigentlich?

 

 

 

ein Kaffeewärmer und ein gefährliches Frühstück

Es fing eigentlich alles ganz lustig an, mit einer moldawischen Hochzeit, bei der ich und zwei Arbeitskolleginnen ganz zufällig reinplatzten als wir in einem georgischen Restaurant zu Abend essen wollten. Eine Viertelstunde später hatten wir das Brautpaar geherzt, mit dem Trauzeugen Sergeji diverse Schnäpse auf die Gesundheit der frisch Vermählten getrunken und mit der Brautjungfer den Brautstrauß gefangen.

Das mit den Schnäpsen hätte ich mal besser gelassen (kommt der Satz eigentlich irgendjemandem bekannt vor???), noch in der Nacht bekam ich starke Magenschmerzen. Dank meiner Kollegin hatte ich Medikamente und konnte die 19 stündige Reise zurück nach Schottland fast beschwerdefrei angehen.

Ich war der festen Überzeugung, die Ruhe und gute Luft in den Highlands würden meinen Magen endgültig wieder beruhigen.

Harviestoun BeerVielleicht war es nicht die weiseste allen Entscheidungen, mich zwei Tage später mit einem alten Kumpel, den ich Jahre nicht gesehen hatte, auf ein paar Bier in Glasgow zu treffen und nach dem vierten Pint auch noch eine fettige Portion Pommes daraufzulegen. Kaum im Hotel spielte mein Magen richtig verrückt, bitter und twisted, genau so fühlte ich mich.

Irgendwas war da im Busch also setzte ich mich selbst auf Schonkost und aß ausschließlich Porridge zum Frühstück. Wo besser als im Land des Haferbreis? Der Mann hat ja einen schottischen Magen, der braucht keine Haferflocken.

cooked breakfast

Und dann mache ich den fatalsten Fehler von allen. Am dritten Schonkost-Tag gönne ich mir ein paar Walnüsse im Porridge….

Aaaaaarrrrrrrrgggggglllllllll!!!!

Nach einer Stunde setzen irrsinnige Schmerzen ein und nach 90 Minuten halte ich es nicht mehr aus.

„Bring mich ins Krankenhaus!“

Der Mann packt mich ins Auto und bringt mich zur nächsten Insel und dem nächsten Krankenhaus, dem Mackinnon Memorial auf der Isle of Skye. Da liege ich nun, in der Notaufnahme, in meinem Leben noch nie in einer Notaufnahme gewesen. Und jetzt also in den Highlands.

Ich werde untersucht, die Schmerzen sind unerträglich.

„Wir geben Ihnen Morphium gegen die Schmerzen und behalten sie die Nacht über zur Beobachtung da.“

Das Morphium wirkt schnell, ich entspanne und sehen nun auch das Lustige an der Situation. In diesem Fall steht das Lustige an der Decke über meiner Behandlungspritsche.

„Nschmal nnhh Foddo“, nuschle ich den Mann an.

Er übersetzt korrekt: Mach mal ein Foto, bitte.

Traue nie einem Mann, der einen Teewärmer nicht aufsetzt, wenn man ihn damit allein lässt, sagt Billy Connolly, den ich ohnehin für den witzigsten Mann auf diesem Planeten halte.

Ich  stelle mir den Mann mit einem gehäkelten Teewärmer (bei uns eigentlich ein Kaffeewärmer)auf den langen Haaren vor und kichere still vor mich hin.

Morphiumseelig grinse ich den besorgt blickenden Mann an. Der will wissen, ob ich was von zu Hause (eine knappe Stunde Fahrt also zwei hin und zurück) brauche. Ja, ich brauche was zum waschen, was zum anziehen und mein Tablet samt Kabel.

Dann schlafe ich und als ich wieder aufwache ist der Mann da, hat Kabel, Tablet und Adapter dabei, ein frisches T-shirt, ein Nachtshirt…

„Zahnbürste?“ frage ich?

„Brauchst du die?“

„Nachtcreme?“ frage ich weiter.

Äh…

Während der Mann zum Supermarkt geht und die Sachen zum waschen einkauft, schlafe ich wieder selig. Mir geht es gut, kein Hunger, nur schrecklichen Durst habe ich, obwohl sie mir über den Tropf literweise (oder heißt das hier pintweise?) Salzlösung einflößen. Unfassbar wie viel Lösung so in einen Menschen passt.

„Ich habe die Lösung für alle Probleme!“ kichere ich.

Trinken darf ich so gut wie nichts und auch essen nicht. nil by mouthMan hat mir das berühmte Schild ans Bett gelegt – nil by mouth. Ich darf Null zu mir nehmen. Zero. Morphium sei dank ist mir das ganz egal.

Ich schicke den Mann nach Hause, der irgendwie ganz unglücklich aussieht und versuche wieder zu schlafen. Dann bringen sie eine Frau ungefähr in meinem Alter in mein Zimmer, Engländerin, die hier lebt. Sie hat einen Herzschrittmacher, zu hohen Blutdruck und ich weiß nicht was noch alles aber sie will unbedingt morgen wieder schwimmen. Im Meer. Das ist hier eiskalt. Sie schwimmt das ganze Jahr sagt sie. Es gibt nicht Besseres.

Mir fällt viel besseres ein aber ich behalte es für mich und fühle mich ganz klein mit meinem lächerlichen Magenproblem.

Eine Ärztin taucht auf, groß, schlank, blond. Sie spricht mich auf Deutsch an. Ich frage mich, ob das an den Drogen liegt. Liegt aber daran, dass sie Holländerin ist.

Der Arzt am nächsten Morgen ist Südafrikaner. Ganz schön international hier.

Die Schwestern sind wunderbar und auch wenn sie mich in der Nacht immer wieder wecken (Infusion wechseln, Temperatur und Blutdruck messen usw.).

Wäre ich gesetzlich versichert, dann wäre das alles kostenlos hier für mich. Aber ich bin privat versichert, also gibt das eine Rechnung.

Am nächsten Morgen werde ich entlassen, ich muss zwei Monate Medikamente nehmen und zu Hause einen Spezialisten aufsuchen. Die Medikamente in der Apotheke sind kostenlos. Wäre ich nicht so schwach, ich würde ein Loblied auf den NHS (National Health Service) Scotland  singen.

Jetzt halte ich Schonkost und komme gut damit klar. Kein Öl, keine fette Wurst oder Käse, kein Alkohol, kein Kaffee.

Ist alles gut zu ertragen, ich liebe Porridge, Grießbrei und baked potatoes. Und wenn es mich doch nervt, dass ich gerade keinen Kaffee trinken kann, dann erinnere ich mich an meinen Traum vom Krankenhaus.

Da schwimmt der Mann weil ich ihn alleine gelassen habe mit einem rot-weiß gestrickten Teewärmer auf dem Kopf durch die Meerenge bei Kyle of Lochalsh und Billy Connolly steht am Pier und begleitet ihn auf der Gitarre.

Man sollte mir wirklich kein Morphium geben!

 

 

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