Suardalan und die Kreatur aus dem See

Suardalan bedeutet die nahrhafte Weide und so sieht Suardalan auch heute noch aus. Eine große, quadratische Weide an einem kleinen Hügel gelegen. Die alten Trockenmauern erzählen von vergangenen Tagen, vereinzelte Schafe weiden still das saftige Grün. Das Cottage ist inzwischen verlassen und wird als mountain bothy, als Berghütte, genutzt, außer in Zeiten des Corona-Virus.

Suardalain mountain bothy

Suardalan ist ein magischer und sehr idyllischer Ort, friedlich und ruhig, sieht man einmal von den Baumfällarbeiten in der Nachbarschaft ab. Im Spätsommer blüht die Heide, ihr intensives Lila überzieht die braunen Hänge, dunkle Tannen und leuchtende Birken sprenkeln Grüntöne dazwischen und an einem klaren Tag schenkt die Sonne blauen Himmel. Schottland geht fast nicht schöner.

Glen Bheag

Es gibt eine kleine Geschichte zu diesem Ort, die allgemein nicht sehr bekannt ist. Ein Mann namens John MacInnes aus der Gegend um Glenelg sah eines Tages ein schönes Pferd am Ufer des kleinen Lochs oberhalb von Suardalan. Der See trägt inzwischen seinen Namen: Loch Iain Mhic Aonghais.

Loch Iain Mhic Aonghais

Wie nun jeder Schotte weiß, ein fremdes Pferd alleine in der Einsamkeit – das kann nur ein water-horse sein, eine mythische Kreatur, ein gefährliches Pseudopferd, dem Wasser entsprungen. Vorsicht ist geboten mit Tieren wie diesem. Mr MacInnes aber ließ sich von dem übersinnlichen Gerede nicht irritieren und nahm das Pferd mit zu sich nach Hause. So ein schönes Tier einfach so in der Wildnis stehen zu lassen, schien ihm wenig sinnvoll. Ein so schönes Tier in seinem Stall zu haben, ohne dafür bezahlen zu müssen, dagegen schon.

Der weise Mann aus dem Ort, im Schottischen sage genannt, wies ihn auf die Gefahren hin aber auch darauf, dass er relativ sicher sei, solange er das Pferd mit heiligem Wasser bespritze und es nicht reite.

Offensichtlich gab John nicht viel auf die Warnung des Sage, seine Felder und sein Haus lagen weit auseinander, es schien ihm dumm, nach dem Pflügen neben dem Pferd nach Hause zu laufen anstatt es nach Hause zu reiten und so schwang er sich auf den Rücken der Kreatur und aus dem scheinbar normalen Pferd wurde wieder das gefürchtete water-horse. Mit einem Wiehern, das wie ein Schrei durch die Stille des Tals hallte, bäumte sich das Pferd auf und raste mitsamt seinem Reiter auf den See zu, wo es für immer verschwand.

Loch Iain Mhic Aonghais

John MacInnes wurde nie wieder gesehen. Seine Leiche nie gefunden. Er ertrank wohl in dem Lochan, das seinen Namen trägt.

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©nme Nellie Merthe Erkenbach Abenteuer Highlands

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…. und zweitens als man denkt.

Meine Zeit in Schottland geht schon wieder zu Ende und es stehen noch so viele Dinge auf der Liste, die ich eigentlich tun wollte. Manches hab ich geschafft, eine Wanderung beispielsweise, eine, die ich schon immer mal machen wollte. Ich habe gerade ein Bergsteigerbuch gelesen.

Ich fühle mich vom Mount Everest, dem Kangchengzönga und dem Matterhorn inspiriert und beschließe, mich an die 15 Kilometer Glenelg-Ardintoul-Totaig zu machen. Ich habe immerhin einen Berg auf meiner Route und den Smythschen Geist (27 Bücher und noch mehr Gipfel) in mir.

Auch mein Berg ruft!

Ich fühle mich schon ganz elegisch.

“On a hill it is possible to sense the unity and continuity of life, a rhythm that sends men and worlds on their way (..) He who finds beauty on a hill finds also an answer to a thousand questions. “             

Frank S. Smythe: A Mountain Vision; Hodder and Stoughton, 1941, P.6

Großartig, denke ich. Die Einheit des Seins, der Mensch, die Welten und die Schönheit der Berge und die Antwort auf tausend Fragen noch dazu.

Ich greife zum Telefon und bestelle den Bus.

Wenn der hier halten soll, dann muß man eine Anfrage stellen. Halt vor der Haustür gibt es nur auf Anfrage. Ich frage an (mindestens 21 Stunden im voraus) und der Bus hält. Ich bin der einzige Fahrgast, abgesehen von der älteren Dame mit den Einkaufstüten aber die schläft. Nach 20 Minuten und 3 Pfund 10 bin ich am Ausgangspunkt meiner Wanderung.

Am Anfang des WegsIch kann es kaum erwarten, den „Rhythmus zu spüren, der Mensch und Welten auf den Weg schickt.“

Glenelg-Ardintoul-Totaig walk (13)Sanft schlängelt sich der Pfad durchs Ufergrün, blau stahlt die See und die Möwen schreien über den Felsen des Sound of Sleat.

Glenelg-Ardintoul-Totaig walk (15)Ich erreiche den Strand von Ardintoul nach etwa einer Stunde. In der salzigen Meerluft schmeckt mein Schinken mit Ei Sandwich noch viel beser. Ich lege mich ins Gras und fühle die Schönheit der Berge vor mir. Ich atme den Geist großer Bergstieger!

Glenelg-Ardintoul-Totaig walk (19)Noch bin ich auf Meereshöhe, fühle mich aber schon als hätte ich keine Fragen mehr, als wär ich Reinhold Messner und Louis Trenker in einer Person. Ich und der Berg!

Der Wanderführer rät in Ardintoul links halten, dann geht es in den Aufstieg. Ich finde die Weggabelung und halte mich links. Nach einer Weile erreiche ich das letzte Haus im Weiler. Ein alter Mann sieht mir entgegen. Er will mir bestimmt auf Gälisch einen guten Weg wünschen. Weit gefehlt, er ist Engländer und sagt mir, daß ich auf dem falschen Weg bin. Ich kann es mir nicht erklären. Seine Frau kommt dazu und beide beschreiben mir den richtigen Weg. Sie sagt es geht links am Wald entlang, Er sagt rechts. Beide sind sich einig, daß ich am besten die Abkürzung über den Hügel hinter dem Haus nehme. Ein wenig cross country und ich sei wieder auf dem richtigen Pfad. Ich folge dem Rat und mache mich auf ins Gelände.

Hinweis: Ein wenig cross country gibt es nicht in den Highlands!

Glenelg-Ardintoul-Totaig walk (10)Ich stolpere durch einen Bach, greife in Brennesseln und kratze mich an einem Dornenbusch, völlig erschöpft erreiche ich schließlich etwas, das ein Pfad sein könnte. Könnte aber auch einfach nur ein Schafweg sein. Oder Einbildung. Ich gehe ihn eine Weile und entdecke schließlich ein Schild. Ich bin auf dem richtigen Weg.

Hinweis: Ein Weg ist immer relativ in den schottischen Highlands!

Binsen, Steine, Schotter, Äste – der Weg lässt Raum für Interpretationsfreiheit: Kann ein Weg sein, kann aber auch nicht. Unsicher interpretiere ich mich bergauf. Da fällt es mir wieder ein, daß ich eine Wanderbeschreiburg meiner Strecke gelesen habe, in der ein freundlicher älterer Mann einem zu früh abgebogenen Wanderer eine komplett falsche Wegbeschreibung gegeben hatte und den Wanderer damit bis an den Rand der Erschöpfung trieb……

Hinweis: Wegweiser sind Vertrauenssache in den schottischen Highlands!

Glenelg-Ardintoul-Totaig walk (24)Was einstmals Wald war, ist nun hässliche, abgeforstete Baumwüste. Kahlschlag gibt es überall und mit dem Wiederaufforsten haben sie es nicht so hier. Ich komme mir vor wie Mad Max auf Bergtour und denke mir: „Schlimmer kann es nicht kommen.“

Hinweis: Es kann immer schlimmer kommen in den schottischen Highlands!

Dem Freitod nahe, erklimme ich nach einer weiteren Stunde den vorläufigen Gipfel, nun beginnt der Restwald, den sie wohl wegen der schwere Zugäglichkeit nicht abgeholzt haben. Dicht gepflanzt hält er Wind und Sonne vom Boden ab. Das Ergebnis lässt sich leicht an meinen Schuhen ablesen.

Glenelg-Ardintoul-Totaig walk (29)Ich denke über Moorleichen und Sinklöcher nach und frage mich, wie man das hier einen Weg nennen kann.

Hinweis: Schlammbäder sind kostenlos in den Highlands!

Ich rutsche den Hang entlang und denke mir: „Schlimmer kann es nicht kommen.“

Glenelg-Ardintoul-Totaig walk (26)Der weiche Boden hat den zu dicht gepflanzten Bäumen wenig Halt zu bieten. Kaum habe ich es aus dem schlimmsten Schlamm geschafft, muß ich über massige Baumstämme klettern, von denen keiner weiß, ob sie nicht noch weiter abrutschen, wenn ich drüber zu steigen versuche. Ich überlebe auch das und schaffe es endlich aus dem Wald auf eine weitere Kahlschlagfläche.

Glenelg-Ardintoul-Totaig walk (31)Der Blick ist atenmberaubend. Die Sonne scheint und der Wind ist nicht mehr als ein leichter Hauch von Sommer. Ich setzte mich aud das weiche, moosige Gras, höre den Kuckuck und schaue aufs Meer. Ich bin ganz oben, eins mit mir, der Welt und ….. beginne wie eine Wahnsinnige um mich zu schlagen, mich um die eigene Achse zu drehen, zu fuchteln und dann schleunigst die Flucht zu ergreifen. Die Mückenplage!

Hinweis: Midges wird man nur mit Wind, Regen oder Flucht los in den schottischen Highlands.

Glenelg-Ardintoul-Totaig walk (35)Irgendwann bin ich von meinem Berg wieder unten. Ob der Nagar Parbat auch solche Gefahren birgt? Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.

Ich bin nach über fünf Stunden wieder bei uns an der Straße angekommen. Ich wandere an den Fereienhäusern entlang. Der Schlamm reicht mir bis an die Hüften. Vom Bergsteigen hab ich erst mal genug und bin froh, wenn ich mein „Basislager“ erreiche. Ich sehen aus wie der Ötzi und ich fühle mich auch so. Ich will ein heißes Bad und ein Glas Wein.

Hinweis: Wenn der Berg ruft, höre ich nicht mehr hin in den schottischen Highlands.

Gott sei Dank ist der Mann später dran als geplant und noch nicht zu Hause. Die Mädels vom Gälisch Unterricht haben ihn aufgehalten. Als hätten sie geahnt, daß sich die „Bergexpertin“ erst mal vom Schlamm ihres Abenteuers befreien möchte. Ich sehe nämlich nicht aus, als hätte ich „den Rhythmus gespürt, der Mensch und Welten auf den Weg schickt.“

Danke Mädels, auf euer Berggefühl ist Verlaß!!