Eines der ganz wunderbaren Dinge am Leben in der schottischen Wildnis ist die Freiheit so zu sein, wie man ist. Gerne auch ein wenig absonderlich, es wird sogar eher positiv aufgenommen, wenn man ein paar wunderliche Züge sein eigen nennt.
Kein Problem für mich!
Ich gehe gerne auf Friedhöfe. Das würde freiwillig keinem Einheimischen einfallen. Deshalb finden sie hier mein Hobby wunderlich aber auch amüsant. Obwohl die Hochländer traditionell eine Neigung zum Übersinnlichen, Unheimlichen und Geheimnisvollen haben, man sieht nur die Touristen „zum Spaß“ über die Gräber streifen. Oder vielleicht gerade deshalb.
Ich glaube, den Einheimischen sind ihre Friedhöfe eher unheimlich.
Davon bin ich weit entfernt. Ich liebe es, in Friedhöfen herumzuwandern und zu fotografieren, die Geschichten auf den Grabsteinen zu lesen oder einfach nur die Stille auf mich wirken zu lassen. Oft liegen sie inmitten einer grandiosen Kulisse.
Manche finde ich per Zufall. Andere, weil mir Bekannte Tipps gegeben haben. Wieder andere in Geschichtsbüchern und historischen Reiseführern.
Inzwischen hat sich auch der Mann daran gewöhnt und streift an Samstagen willig mit seiner absonderlichen Deutschen über die Friedhöfe der Region. Am vergangenen Wochenende hatte wir gleich zwei auf der „to do“ Liste – es war ein herrlicher Tagesausflug auf die Isle of Skye.
Zwei Geschichte hatten mich unwiderstehlich angezogen, eine vom sinnlosen Tod im Meer und eine vom qualvollen Verbrennen in einer Kirche.
In Ashaig, im Süden der Isle of Skye, wurden die an den Strand gespülten Leichen eines Schiffsunglücks im Zweiten Weltkrieg begraben.
Die Curacoa wurde von einem Kriegsschiff der eigenen Flotte, der Queen Mary, versehentlich gerammt, die ertrinkenden Soldaten nicht gerettet. Man wollte die deutschen U-Boote nicht auf die Queen Mary aufmerksam machen. 338 Männer ertranken.
Auf dem anderen Friedhof im Norden der Insel, war es die Ruine einer Kirche, die mich unwiderstehlich anzog. Trumpan. Die Zahl der Ermordeten ist nicht bekannt, ich schätze es waren mindestens 50. MacDonalds hatten MacLeods während eines Gottesdienstes eingeschlossen und bei lebendigem Leib verbrannt. Ein brutaler Racheakt, den die restlichen MacLeods mit Hilfe ihrer „Feen-Flagge“ sofort wieder rächten. Apropos „Feen-Flagge“….
Das nächste Ziel hab ich schon ausgesucht: Tomnahurich, ein Friedhof mit Elfenhügel, am Stadtrand von Inverness gelegen. Keine ungefährliche Angelegenheit so ein Feenhügel, denn wen die Elfen herein bitten, der kommt unter 200 Jahren nicht wieder zurück. Zuletzt (irgendwann im ausgehenden Mittelalter) hatten zwei Musiker (Geiger) das Pech und zerfielen zu Staub, nachdem sie einen Abend bei den Elfen aufgespielt hatten und 200 Jahre später wieder zurück kamen.
Ich frage den Mann (in einem früheren Leben auch Musiker), ob wir das am Samstag angehen sollen. Bis nach Inverness sind es knappe zwei Stunden Fahrt und neben den Friedhof lockt da auch noch die Aussicht auf Next, Baumarkt, Costa‘s Café und Aldi.
Der Mann weicht meinem Blick aus und murmelt was von „unter der Woche“, „ohne mich“ und „ruhig mal was alleine unternehmen“.
Ich lächle. Sie sind doch ganz schön abergläubisch hier.
Sollte ich vor 200 Jahren wieder zurück sein, werde ich mehr darüber schreiben.