Der Deutsche an sich neigt dazu, alles strukturiert und nach Zeitplan zu machen. Ich neige dazu, alles strukturiert und nach Zeitplan zu machen. Manchmal bin ich unerträglich Deutsch, obwohl ich es gar nicht sein will.
Ich beschließe, ein Konto in den Highlands zu eröffnen. Das macht Sinn, denn dann kann ich hier problemlos mit Karte zahlen und überall wo ich will ohne Auslandsgebühren Geld abheben. Das wird mein Leben einfacher machen.
Dachte ich!
Ich recherchiere im Internet die Banköffnungszeiten und fahre nach Kyle of Lochalsch. In der Filiale sind sie einigermaßen aufgeregt. Hier hat wohl noch nie eine Deutsche ein Konto eröffnet. Geht aber alles, dank Europa. Und auch hier gibt es seitenweise Formulare auszufüllen, bei denen 60% der Fragen absolut sinnlos scheinen. Fühlt sich irgendwie deutsch an.
„Die Bankkarte wird Ihnen nach Deutschland geschickt.“ sagt mir die nette Bankangestellte, der schon die Schweißperlen auf der Stirn stehen, weil sie meinen komischen deutschen Namen ins System eintragen muß. „Kein Problem!“ sagt sie als ich mich für meinen komplizierten Namen entschuldige. „Ich muß ja auch die gälischen Namen schreiben und ich kann gar kein Gälisch.“
Wir lächeln uns an und ich habe ein schottisches Konto.
In Deutschland finde ich nicht eine, sondern zwei Bankkarten in der Post. Ich verbringe einen halben Vormittag in der Hotline, bis wir verifiziert haben, welche Karte es denn nun sein soll. Dann überweise ich einen größeren Betrag und freue mich auf Schottland und den Bankautomaten.
Lässig schlendere ich bei meiner Rückkehr auf einer Stippvisite in Edinburgh zum nächten Bankautomaten, gebe meine schottische PIN ein und wähle den Auszahlungsbetrag. Die Maschine rattert und druckt und sagt mir, daß ich kein Geld bekomme.
Ist was los mit der Karte? Betrug? Betrag zu hoch? Automat leer?
Der Ausdruck gibt keine Auskunft. Meine Selbstsicherheit in Sachen schottisches Konto schrumpft. Ich versuche es etwas verkrampfter am nächten.
Sorry, diesen Dienst können wir derzeit nicht anbieten.
Ich hebe am selben Automaten mit meiner deutschen Karte problemlos Geld ab und frage mich, was mit meinem schottischen Konto los ist. Vielleicht geht es ja nur in den Highlands??
Da kommt das Geld nämlich von alleine vorbei. So sagt man mir und ich habe den blauen Geldtransporter meiner Bank, der hier die Kunden anfährt, auch schon öfter gesehen. Immer Donnerstags fährt er bei uns vorbei.
„Man muß nur ein Schild mit der Aufschrift BANK raushängen.“ sagt mir die Nachbarin. „Dann halten sie an.“
Ich richte also Donnerstags früh die nötigen Dinge für eine Abhebung, ganz strukturiert durchsuche ich die Werkzeugecke, ich brauche Gaffaband. Der Mann hat (ganz Deutsch) ein Schild laminiert. Außerdem hat er einen Pfosten betoniert. Nicht wegen der Bank sondern wegen des Gatters, das da eines Tages mal sein soll. Alles ist bereit für die Abhebung.
Doch der blaue Transporter fährt vorbei. Ohne mein Schild zu beachten.
Langsam wird mein Bargeld knapp. Ich habe derzeit kein Transportmittel zur Verfügung und wenn ich keine Tageswanderung zum nächsten Bankautomaten (30 Autominuten entfernt) machen möchte, dann unternehme ich besser schnell etwas.
Ich muß den Geldtransport stoppen! Koste es, was es wolle!!
Ich erwäge Strumpfmasken, Straßensperren und Ähnliches, erinnere mich aber rechtzeitig daran, daß es auch mit einem Telefonanruf getan sein könnte. Der Geldtransporter soll auch bei mir anhalten soll. Ganz einfach.
Dachte ich!
Ich recherchiere die Nummer meiner Filiale im Internet und rufe an.
Warteschleife, bla bla bla, Musik und Gesäusel. Dann, endlich ein Mensch in der Leitung. Ich muß meinen Namen sagen und sie tut so, als fände sie den nicht komisch. Sie versucht mich weiter zu verbinden. Warteschleife, bla bla bla, Musik und Gesäusel, dann ein Besetztzeichen und ich fliege aus der Leitung.
Wieder erwäge ich Strumpfmasken, Straßensperren und Ähnliches, erinnere mich aber rechtzeitig daran, daß es für eine Lösung innerhalb des Gesetzes noch nicht zu spät ist.
Ich rufe noch mal an und als ich endlich durchkomme schildere ich ihr die Lage.
„Wo genau sind sie denn?“ fragt die Stimme.
„Na zwischen x und y.“ Ich sage ihr die Hausnummer. Eine Straße haben wir nicht.
„Können sie das präzisieren?“ fragt die Stimme.
„Klar!“ sage ich und halte sie für sehr schwer von Begriff. „Gleich nach dem Friedhof rechts, da wo früher Cath und Tom gewohnt haben.“
Die Stimme räuspert sich.
Mir schwant Schreckliches.
„Ich bin doch jetzt mit der Filiale in Kyle verbunden?“ frage ich vorsichtig.
„Nein.“ sagt die humorlose Stimme am anderen Ende. „Sie sind in der Zentrale in Greenock.“
Das liegt gute vier Stunden südlich. Die wissen wohl nicht, wo Cath und Tom früher gewohnt haben.
Sie sagt, dass der Transporter nicht einfach so für Jeden hält. Er hat Standplätze und Stellzeiten. Sie hat einen Zeitplan für mich. Ganz strukturiert, großartig.
Am nächsten Tag schwinge ich mich um 10:25 Uhr aufs Fahrrad und fahre die knapp 2 Kilometer bis zum Standplatz, wo der Geldtransporter um 10:30 Uhr auftauchen soll.
Ich warte und genieße den Blick. Kein Mensch, kein Verkehr aber auch kein Geld weit und breit.
Eine halbe Stunde später gebe ich auf und fahre wieder nach Hause. Dort mach ich mir einen Kaffee, sehe aus dem Fenster aufs Meer und überlegen den nächsten Schritt.
Plötzlich fährt der blaue Transporter der Royal Bank of Scotland vorbei.
„Sch…ade!“ rufe ich laut und suche meine Schuhe. Flugs aufs Rad und hinterher. Die Jagd nach dem Geld ist noch nicht zu Ende.
Bereits nach zwei Kurven sehe ich ihn. Da steht er in der Haltebucht beim Nachbarn. Ein Endfünfziger mit Banksakko steht daneben.
Nein, der Zeitplan, den ich von der Zentrale bekommen habe, stimmt nicht. Sie sind erst um 11 da, wo ich gewartet hatte aber heute etwas später dran. Und ich soll einfach ein Schild raushängen, dann halten sie im Hof. Wo ich genau wohne will er wissen.
„Da wo früher Cath und Tom gewohnt haben.“ sage ich, denn er kommt nicht aus Greenock
„Alles klar.“ sagt er. „Ich hab ein Auge drauf in Zukunft.“ Dann klappt er die Treppe aus und ich steige die Stufen hinauf. Ich betrete den Transporter der von innen wie eine winzige Bankfiliale aussieht. Mit Glasfront und Durchreichen.
Hinter der Glasfront wartet eine Endzwanzigerin, die die Scheine genau abzählt und durch die Durchreiche schiebt.
Ich habe soeben 200 Pfund abgehoben. Ganz einfach. Bei mir um die Ecke. Und das nächste Mal kommt die Bank in den Hof.
Endlich hab ich verstanden, wie „mobile banking“ in den Highlands funktioniert. Man darf einfach nicht zu Deutsch sein.